Bernd Eichinger schaut Bushido in die Augen

04.02.2010 - 11:45 Uhr
Bushido verrät im Film alles über sein Leben
Constantin
Bushido verrät im Film alles über sein Leben
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Bernd Eichinger und Uli Edel haben sich einmal wieder für ein großes Filmprojekt zusammengetan – ein auf der Autobiographie von Bushido basierendes Biopic. Was Eichinger über Bushido denkt und wie er zu dem Projekt kam, erfahrt ihr hier.

Bernd Eichinger ist einer der erfolgreichsten deutschen Fimproduzenten und zeichnete verantwortlich für zahlreiche Werke. Als Drehbuchautor adaptierte er den Roman von Patrick Süßkind und schuf die Vorlage für Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders. Zusammen mit Uli Edel realisierte er in letzter Zeit den Film Der Baader Meinhof Komplex über ein dunkles Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Von Bernd Eichinger hätte der Kinozuschauer vielleicht nicht ausgereechnet ein Bushido -Biopic als nächstes Projekt erwartet – im Interview erzählt er, wie es zu dieser Idee kam.

In einer Filmszene stellt Selina ihren Eltern den jungen Bushido als neuen Freund vor. Wie hätten Sie reagiert, wenn Ihre Tochter vor zehn Jahren einen Schulabbrecher und Drogendealer mit nach Hause gebracht hätte?

Bernd Eichinger: Prinzipiell hatte ich es schon immer lieber, wenn mir meine Tochter ihre Freunde vorstellt. Das ist ein Vertrauensbeweis. So kann ich mir ein eigenes Bild machen. Die Drogenkarriere verschweigt Selina ihren Eltern ja, die Sache mit der Schule erfahren sie erst im Laufe des Gesprächs. Ich komme aus einer Generation, deren Leitmotiv Sex, Drugs and Rock’n’Roll hieß. Da falle ich nicht gleich in Ohnmacht, wenn der Freund meiner Tochter nicht in Cambridge studiert hat. Wichtig ist nur, dass er sie glücklich macht. Und vor allen Dingen habe ich im Gegensatz zu Selinas Eltern keine Vorurteile, was Leute mit Migrationshintergrund anbelangt. Hinter der Höflichkeit der Eltern verbirgt sich Arroganz und soziale Ablehnung. Das ist es ja, was ihn in der Szene am Mittagstisch so in Rage versetzt. Zu Recht.

Ist Bushido s Leitmotiv heute Sex, Drugs und Rapmusik?

Bernd Eichinger: Mir sagt er, dass er inzwischen gegen Drogen ist. Und auch gegen Alkohol. Das glaube ich ihm.

Bushido steht wegen seines Images oft im Kreuzfeuer der Medien…

Bernd Eichinger: Zunächst ist Bushido ein hervorragender Musiker und Künstler. Außerdem ist er ein absoluter Profi. Gerade im Musikgeschäft ist es aber auch unerlässlich, ein bestimmtes Image aufzubauen. Egal ob das Michael Jackson war oder ob das Künstler wie Madonna, Lady GaGa, Tokio Hotel und selbst Heino sind.

Wie schaffen die das?

Bernd Eichinger: Die stylen sich, damit sie sich von allen anderen absetzen. Niemand läuft im echten Leben mit einer Matte rum wie der Leadsänger von Tokio Hotel. Da funktioniert vieles über Äußerlichkeiten, in Bushido s Fall geht das aber auch über das Verbale. Mit seiner Wortwahl in Liedern und Interviews erzeugt er viele Kontroversen. Bushido versteht es, die Panik-Knöpfe der Gesellschaft zu drücken und die Bürger zu Empörungsorgasmen zu bringen. Dabei erfahren wir nicht nur etwas über Bushido, sondern vor allem etwas über die Ängste unserer Gesellschaft.

Sein autobiografisches Buch „Bushido“ hat sich seit September 2008 über 180.000 mal verkauft. War das der Grund, warum Sie einen Film mit Bushido drehen wollten?

Bernd Eichinger: Nein. So etwas spielt vielleicht eine Rolle bei einem Megaseller wie Die Päpstin mit vier Millionen verkauften Exemplaren allein in Deutschland.

Wie sind Sie dann zu diesem Projekt gekommen?

Bernd Eichinger: Christian Becker, mit dem ich den Film zusammen produziert habe, brachte die Idee zur Constantin. So lernte ich das Projekt kennen. Dann war ich in Los Angeles und schrieb ein Drehbuch, das auf der „Schweigeminute“ von Siegfried Lenz basierte. Uli Edel sollte das verfilmen. Dann wurde unsere geplante Hauptdarstellerin schwanger. Also war klar, dass wir den Film im Jahr 2009 nicht drehen konnten.

Und da kam Ihnen Bushido in den Sinn?

Bernd Eichinger: Richtig. Also rief ich in Deutschland an und fragte wie weit das Projekt gediehen sei. Ich sagte sinngemäß: Wenn ihr wollt, kümmere ich mich um das Projekt. Uli Edel könnte Regie machen und ich könnte sofort das Drehbuch schreiben und wir würden ab Juli drehen. So ist es dann auch passiert.

Wie kam Uli Edel ins Boot?

Bernd Eichinger: Uli Edel s Söhne sind 21 und 22 Jahre alt und hören zu Hause in Los Angeles nur Rap. Natürlich schwarzen Rap, weil sie ja in Amerika wohnen. Wir sind in Los Angeles praktisch Nachbarn und so sprachen wir einen Tag lang über das Projekt. Dann sagte Uli: „Klar, lass uns das machen.“ Vielleicht sahen wir beide darin auch einen Ausflug in eine völlig andere Welt nach dem monströsen Unternehmen Der Baader Meinhof Komplex.

Uli Edel und Sie sind doppelt so alt wie der Protagonist Bushido und dreimal so alt wie seine Fans. Fürchteten Sie keinen Generationskonflikt?

Bernd Eichinger: Unsere Arbeit hält jung. Mir gefällt Bushido s Musik. Wäre das nicht so, hätte ich den Film nicht gemacht.

Welche Musik hat Ihre Jugend geprägt?

Bernd Eichinger: Wir sind in den frühen 60igern mit Musik groß geworden, für die unsere Eltern überhaupt kein Verständnis hatten. Die dachten, das ist der Untergang des Abendlandes. Durch die Musik beispielsweise der „Beatles“, der , „Stones“, der „Who“, der „Kinks“, brach von England kommend eine Revolution aus. Wir hörten die Musik nicht nur, diese Musik gehörte uns. Es war ganz wichtig, dass die Eltern sich darüber aufregten. Umso mehr war das die alleinige Musik der Jugend und unsere totale Verweigerung gegenüber dem Establishment.

Folgt der Rap heute ähnlichen Gesetzen?

Bernd Eichinger: Vermutlich ja. Die heutige Popmusik ist kompatibel für jeden. Ich höre im Prinzip dieselbe Musik wie meine Tochter und die noch jüngere Generation. Rap ist extremer und dadurch provozierender. Das macht ihn für Jugendliche interessant. Bei Bushido kommt ins Spiel, wie damals in den 60igern, dass die Eltern seine Musik für bedrohlich halten. Er redet von Sex oder Drogen, wird von Kritikern als frauenfeindlich und schwulenfeindlich tituliert. Das ist letztendlich die gleiche Kontroverse.

Wann haben Sie Bushido persönlich kennengelernt?

Bernd Eichinger: Wir haben uns im Januar 2009 beim Deutschen Filmball in München getroffen. Da saß er bei uns am Tisch und ich habe an dem Abend mit ihm über den Film gesprochen. Was er sich davon erhofft, Was für ihn wichtig ist, etc. Damals wussten wir beide noch nicht, dass wir den Film wenige Monate später gemeinsam machen werden.

Warum erzählt der Film nicht eins zu eins Bushido s Biografie?

Bernd Eichinger: Dann wäre das ein Biopic und das wäre langweilig. Wenn ein Biopic überhaupt gelingt, ist es bestenfalls ein Fernsehfilm. Ich will andere Filme gar nicht schlecht reden. Die jeweiligen Darsteller haben einen super Job gemacht, egal ob Jessica Schwarz in Romy oder Heike Makatsch in Hilde. Aber das ist ein undankbarer und schwerer Job, weil die meisten Biopics nach einer klassischen „Und dann“-Dramaturgie aufgebaut sind.

Worin äußert sich die?

Bernd Eichinger: Ein gutes Beispiel sind viele Mozart-Biografien: Schon als fünfjähriges Wunderkind gibt er Konzerte, dann schreibt er die erste Operette, dann die erste Oper, dann die „Zauberflöte“, dann das Requiem und dann ist er tot. So will ich keine Filme machen. Wie es viel besser geht, hat uns Peter Shaffer vorgemacht, der Mozarts Leben erst für die Bühne und dann für den Film Amadeus aufschrieb. Er konnte Mozart entschlüsseln, indem er die Lebensgeschichte aus Sicht von Salieri zeigt.

Was ist der Vorteil?

Bernd Eichinger: So kommt ein dramaturgischer Ansatz hinein. Salieris künstlerisches Talent ist groß genug, um zu erkennen, dass Mozart ein Genie ist. Weil aber sein eigenes Talent zu gering ist, um Musik von Mozarts Qualität zu komponieren, will er ihn bekämpfen. Durch diesen genialen Trick hat Shaffer das Problem geknackt.

Wie haben Sie das Problem in Bushido s Fall geknackt?

Bernd Eichinger: Indem ich sein Leben nicht erzähle, sondern mich nur davon inspirieren lasse. Der Film ist aufgebaut als Reise. Wir folgen Bushido auf einer Konzerttournee. Angestoßen durch bestimmte Ereignisse kommen Erinnerungen an die Kindheit, die Jugend und die jüngere Vergangenheit, wie assoziative Fetzen in ihm hoch. So wird diese Reise auch eine Reise durch die Zeit.

War von Anfang an klar, dass Bushido sich streckenweise selbst spielen wird?

Bernd Eichinger: Ja, denn wenn wir ihn von jemand anderem hätten nachspielen lassen, wäre das der sicherste Weg gewesen, um das Projekt in den Sand zu setzen. Dass er sich nicht als Teenager spielen kann, ist klar. Aber ab jener Phase, in der er zu Bushido wird, den wir alle kennen, spielt er sich selbst. Das muss einfach so sein.

Warum kommentiert Bushido aus dem Off sein eigenes Leben?

Bernd Eichinger: Diese Reflektion ist ein ganz wesentliches Element der Filmerzählung. Er tritt aus sich heraus und betrachtet sich von außen wie eine zweite Person.

Wie groß ist aus der Sicht des Produzenten das Risiko, wichtige Rollen mit ungelernten Schauspielern zu besetzen?

Bernd Eichinger: Sehr groß. Zum Glück bringt Bushido, genau wie seine Rapper-Freunde wie z.B. Fler, Nyze und Kay One Erfahrung im Bereich von Performance mit.

Beim Der Baader Meinhof Komplex haben Sie darauf geachtet, dass in allen Szenen sogar die Zahl der abgefeuerten Schüsse historisch verbürgt ist. Bei Zeiten ändern Dich haben Sie sich Freiheiten gegönnt. Wie hat Bushido das aufgenommen?

Bernd Eichinger: Der Der Baader Meinhof Komplex ist ein authentischer Film, der durch das Authentische überhaupt erst seine Daseinsberechtigung hat. Dagegen ist der Film Zeiten ändern Dich als Märchen mit wahrem Hintergrund erzählt. . Sein Buch, das er 2008 veröffentlicht hat, war ja auch keine Biografie der Fakten, sondern eine Biografie der Befindlichkeiten und Anekdoten. Bushido sieht das genauso.

Wie viel Einfluss hat Bushido auf das Drehbuch genommen?

Bernd Eichinger: Ich bin mit ihm das Drehbuch Seite für Seite durchgegangen, weil ich nicht wollte, dass später beim Drehen Diskussionen aufkommen. Die Er hat kaum Änderungswünsche geäußert, höchstens mal, wenn es um das Thema Familie ging. Da versteht er keinen Spaß. Insgesamt war die Arbeit mit ihm ausgesprochen konstruktiv.

Wie haben Sie die Fakten für das Drehbuch recherchiert?

Bernd Eichinger: Ich habe mir seine Musik angehört und viele seiner Auftritte bei Preisverleihungen angesehen. Wie benimmt er sich? Bei wem bedankt er sich? Vieles erfährt man auch aus seinen Interviews bei „Kerner“ oder „3nach9“. Und als ich eines nachts nicht weiterkam, habe ich mindestens zwei Tage lang alles angeschaut, was ich bei youtube über ihn finden konnte. Das ist eine Menge. Wenn man es richtig liest, enthält auch sein Buch viele interessante Einblicke.

Zeiten ändern Dich ist Ihr vierter gemeinsamer Film mit Regisseur Uli Edel. Gibt es Parallelen zwischen allen Projekten?

Bernd Eichinger: Fragen Sie mal den Uli! Vielleicht fällt ihm jetzt wieder was ein. (lacht) Unsere letzten drei Filme Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Letzte Ausfahrt Brooklyn und Der Baader Meinhof Komplex hat er als Trilogie der Gewalt bezeichnet.

Bernd Eichinger – Soundtrack of my Life

Welches Kinderlied haben Sie früher oft gesungen?

Bernd Eichinger: "Der Mond ist aufgegangen“

Wie hieß Ihre Band und welche Lieder/welches Instrument haben Sie gespielt?

Bernd Eichinger: Die Band hieß „The Fighters“, ich war Head Singer und Gitarrist. Wir haben 60er Rock gespielt, also The Kinks, Chuck Berry, Beatles, The Who, Stones, etc. …

Was war die erste Schallplatte, die Sie gekauft haben?

Bernd Eichinger: „I want to hold your hand“ von den Beatles.

Was war das erste Konzert, das Sie besucht haben?

Bernd Eichinger: Mein eigenes.

Was war das beste Konzert, das sie jemals besucht haben?

Bernd Eichinger: Pink Floyd, Madison Square Garden, Mitte der 80iger.

Welches Lied steht stellvertretend für Ihre Jugend?

Bernd Eichinger: „Do you feel like I do?“ von Peter Frampton und “Louisiana” von Randy Newman.

Welcher Film hat den besten Soundtrack aller Zeiten? Bitte mit Begründung.

Bernd Eichinger: Spiel mir das Lied vom Tod (Regie: Sergio Leone, Musik: Ennio Morricone), Der dritte Mann (Regie: Carol Reed, Musik: Anton Karas) und Der Pate (Regie: Francis Ford Coppola, Musik: Nino Rota) – alle 3 Soundtracks haben Musikgeschichte geschrieben und bleiben Teil unseres kollektiven Gedächtnis’ über Generationen.

Mit Material von Constantin

Zeiten ändern Dich startet heute, am 04. Februar 2010 in den deutschen Kinos. In welchem Kino eine Vorstellung für euch läuft, erfahrt ihr hier.

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