Eigenartiges Feelgood-Movie

30.04.2009 - 08:45 Uhr
Ob ihr wollt oder nicht!
3L Filmverleih
Ob ihr wollt oder nicht!
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Regisseur Ben Verbong über seinen Film Ob ihr wollt oder nicht! mit Senta Berger

Im Interview spricht der niederländische Filmemacher Ben Verbong über seinen Film Ob ihr wollt oder nicht sowie das Sams, Familienfilme und Sterbehilfe.

War es schwierig für Sie, die im Kern sehr tragische Geschichte von Ob ihr wollt oder nicht mit dieser sanften Ironie anzureichern?
Das war tatsächlich nicht einfach. Ironie in Film ist sowieso schwierig und hat oft mit persönlichem Geschmack zu tun. Es geht hier um eine sehr ernste Geschichte, die leicht daher kommen sollte. Ich bezeichne Ob ihr wollt oder nicht gern als “sehr eigenartiges Feelgood-Movie”. Es geht um diese Familie, die seit sechs Jahren nicht wirklich zusammen war und aufgrund dieses auslösenden Ereignisses wieder zusammen findet. Man kommt mit schwerem Herzen, aber trotzdem mit einer positiven Haltung aus dem Film, hoffe ich. Ich bin der Meinung, dass man eine Tragödie oder ein Drama, mit einer gewissen Leichtigkeit und eine
Komödie ernsthaft inszenieren muss.

In Deutschland kennt man Sie durch Das Sams oder Herr Bello vornehmlich als Regisseur von Familienfilmen. Worin bestand Ihre Motivation, jetzt einen völlig anderen deutschen Film zu inszenieren?
Was die meisten Leute in Deutschland nicht wissen, ist, dass ich in Holland bereits andere Kinofilme gemacht habe als die, die ich in Deutschland inszeniert habe: darunter waren historische Stoffe, erotische Stoffe, Thriller. Als Das Sams damals ganz zufällig auf mich zukam, hat mich die verrückte, absurde, ironische Seite der Geschichte sehr interessiert, weil ich bisher mit so etwas noch nicht gearbeitet hatte. Für Ironie braucht man meiner Meinung nach eine gewisse Lebenserfahrung, aber auch eine gewisse Lebenshaltung. Und die muss man dann auch noch in einem Film bzw. in Filmsprache und in zwischenmenschliche Beziehungen umsetzen können, was man erst kann wenn man das Regiefach besser beherrscht. Nach vier erfolgreichen Familienfilmen, war für mich in dem Genre keine Herausforderung mehr da. Ich wollte wieder zurück zu den Filmen mit ernsteren Themen.

Wie haben Sie Ihren Schauspielern diese relativ schweren Themen wie Familienkonflikte, nahender Tod und schließlich auch Sterbehilfe nahegebracht?
Jeder einzelne von ihnen hat bereits eine sehr große emotionale Tiefe mitgebracht. Und die jungen Frauen sind um die dreißig, da hat man schon gewisseErfahrungen aus dem persönlichen Umfeld und emotionales Gepäck dabei. Darüber hinaus habe ich im Vorbereitungsprozess auf diesen Film am eigenen Leibe erfahren müssen, was es bedeutet, seine Schwester zu verlieren. Darum kam ich nicht nur mit einem theoretischen Wissen, sondern mit einer tiefgreifenden emotionalen Erfahrung an den Set. Bei der Arbeit mit einem solchen Thema ist Ehrlichkeit eines der wichtigsten Elemente. Nur so kann man vermeiden, dass man ins Kitschige abgleitet. Mein Streben war es, die wahrhaftigen Gefühle und die große Emotionalität zu finden. Ich habe außerdem beim Casting darauf geachtet, dass alle Schauspieler Theatererfahrung hatten. Bei meinen Inszenierungen fürs Theater In Holland habe ich gespürt wie viel tiefer man bei denen greifen kann. Theaterschauspieler haben keine Angst, ´sich fallen zu lassen´. Das hat mir bei der Arbeit an diesem Film sehr geholfen.

War die Arbeit an Ob ihr wollt oder nicht! für Sie eher Aufarbeitung oder eher Ablenkung Ihrer eigenen Familiengeschichte?
Es war schon eine Aufarbeitung. Ich habe verschiedene Elemente meiner Schwester und ihrer Geschichte in das Buch und in die Inszenierung mit einfliessen lassen. Das war für mich persönlich wichtig und hat den Film mit gestaltet. Ich habe diesen Film darum auch meiner Schwester gewidmet. Das war das einzige, was ich noch für sie tun konnte. Ich bin mir übrigens sicher, dass die Ironie von Ob ihr wollt oder nicht! meiner Schwester sehr gefallen hätte. Sie hatte einen sehr ausgeprägten Sinn für Humor, auch und speziell in so einer Geschichte.

Das Thema Sterbehilfe ist in Deutschland derzeit immer wieder aktuell. Wie stehen Sie persönlich dazu? Ist der Schluss von Ob ihr wollt oder nicht! gar ein gesellschaftspolitisches Statement?
Auf jeden Fall. Aber um es ganz klar zu sagen: Das war nicht der Anlass für diesen Film. Zum Thema Sterbehilfe muss ich vorweg schicken, dass man ja oft den Eindruck hat, in Holland könne man sich – salopp gesagt – an jeder Ecke umbringen. Das ist natürlich absoluter Blödsinn. Diese Entscheidung wird sehr sorgfältig geprüft, ist mit vielen Hürden verbunden, und der Prozess wird ständig begleitet. Mein Vater war 87 und wollte Euthanasie verüben, aber die Ärzte haben es ihm verweigert. Es ist also nicht einfach, in Holland Euthanasie zu verüben. Im Gegensatz zu dem, was in der Öffentlichkeit in Deutschland oft behauptet wird. Aber in Holland hat jeder die Freiheit, darüber zu denken wie er möchte. Anders als in vielen anderen Ländern.

Ich finde grundsätzlich, dass man in dieser Hinsicht jede Meinung respektieren sollte. Wenn jemand also die Möglichkeit zurückweist, ist das völlig in Ordnung. Allerdings sollte meiner Meinung nach jedem auch die Freiheit gelassen werden, sein Leben so zu gestalten und auch zu beenden wie er möchte. Darum habe ich den Schluss des Films auch so gewählt. Was Lauras Vater tut, ist natürlich verboten, dafür würde er verhaftet werden. Aber das ist mein Statement für jene Freiheit, von der ich spreche. Ich wünsche mir, dass der Zuschauer sich wieder bewusst wird, dass wir alle sterben werden und dass er beim rausgehen froh ist, dass er noch lebt und demnach das Leben wieder oder noch mehr genießt als vor dem Film.

(Mit Material von 3L Filmverleih)

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