Agnolo Bronzino (1503-1572) war ein florentiner Maler und hauptsächlich als angesehener Porträtmaler bekannt, besonderen Ruhm erreichten neben seinen Porträts der Familie Medici auch seine Altarbilder religiösen Inhalts wie Die Beweinung des toten Christus oder auch seine Darstellung des Amor in dem Bild Allegorie der Liebe. Aus letzterem Gemälde sollte 400 Jahre später ein so scheinbar unbedeutendes Detail wie ein Fuß wahrhaft weltweiten Kultstatus erlangen.
Kommen wir nun zu etwas völlig anderem.
Eine kleine Stadt im Herzen Deutschlands, mitten in den wilden 1990er Jahren. Ein ätzender Teenager feiert soeben einen der größten Erfolge im Kampf gegen Eltern und den noch ätzenderen kleinen Bruder. Eigenes Zimmer mit eigenem Kabelfernsehanschluß… Wie das?
Eine Komikertruppe aus dem England der Vergangenheit erschien in wöchentlichem Rhythmus als Wiederholung auf irgendeinem dritten Programm und das recht spät am Abend, also gab es nur zwei Möglichkeiten: der Teenager bekommt in sein Refugium die entsprechenden Mittel für den Empfang oder der Familienfernsehabend wird moderiert von Leuten wie John Cleese, Michael Palin und Eric Idle.
Diese zweite Option schien dem Vater nicht sonderlich erstrebenswert, schließlich sollte es zur damaligen Zeit noch fast zehn Jahre dauern, bis sich der Film- und Fernsehgeschmack des Parentalduos auch an subversivere Humordinge als den grandiosen Louis de Funès herantraute.
Prompt machte sich der handwerklich begabte Vater auf, durchbohrte eine Wand, legte ein Kabel und der Teenager war glücklich.
Zwei Folgen von Monty Python’s Flying Circus setzten meinen Willen durch, denn dieser ätzende Teenager war ich. Noch jetzt trauere ich den Zeiten nach, da perfekt inszenierter Nonsens meine Wünsche erfüllen konnte, heute brauche ich für eine Gehaltserhöhung schon verfängliche Bilder meines Chefs.
Die Pythons von damals hätten vielleicht sogar solche Bilder auf Lager gehabt, oder Terry Gilliam hätte aus ein paar Comicschnipseln welche verfertigt. So wie er immer geniale Minicartoons erschuf, herrlich sinnfrei, aber ebenso herrlich böse.
Überhaupt ist es die Art, wie hier scheinbare und reale Unsinnigkeit zelebriert wird. Wer sonst kann Gags ohne Pointe enden lassen und trotzdem verdientes Gelächter ernten? Gut, mit der ersten Hälfte haben mindestens 70% der aktuellen Comedyserien auch kein Problem, aber erst die zweite Hälfte unterscheidet Gewinner von Verlierern.
Wie oft bei aktuellen Filmen oder Serien wünschte ich mir, dieser Ritter mit dem rohen, gerupften Huhn käme herein und würde jemanden mit eben diesem Huhn schlagen, einfach aus Prinzip, oder weil der Gag zu schwach war.
Hier allerdings zündet wunderbarer Nonsens quasi ständig und vor allem immer noch, egal, ob schon länger verblichene norwegische(!) Papageien, die angeblich nur schlafen, Holzfäller, die der heterosexuellen Liebe abhold zu sein schienen, immer wieder unerwartete Auftritte der spanischen Inquisition oder überaus tödliche Witze, die ich hier nur mit aller Vorsicht erwähne, um niemanden zu verletzen.
‘We interrupt this program to annoy you and make things generally irritating.’
Weil diese Combo des abstrusen Humors einfach vor nichts halt machte und bis heute, über 40 Jahre nach Erscheinen ihrer Show zwar oft kopiert, aber nie erreicht wurde, dann möchte und muss ich dieser Truppe huldigen.
Nicht nur für den Circus, sondern auch für ihre Filme, ihren satirischen Humor, dafür, dass man sich berechtigt und ohne politisch korrektes schlechtes Gewissen ein wenig elitär fühlen kann, wenn man ihre Späße kennt. Hier und heute mehr denn je, da Humor gerne als etwas verstanden wird, das Mario Barth, Die dreisten Drei – Die Comedy WG oder Horst Schlämmer – Isch kandidiere! verkörpern.
Mein Zwerchfell spannt sich noch immer erwartungsvoll, wenn ich Namen wie Graham Chapman, John Cleese, Eric Idle, Terry Jones, Terry Gilliam oder Michael Palin lese oder höre. Es gibt viele Serien, die ich liebe, einige womöglich sogar noch mehr als diese, aber Monty Python’s Flying Circus wird für mich immer etwas ganz Spezielles sein und deshalb erweise ich diesem Format hier meine Ehre.
Nicht um des olympischen Gedankens Willen, auch wenn Olympia dieses Jahr zufällig England heimsucht, nicht für Geld, obwohl ich nichts gegen ein Topf voll Gold hätte, nicht für das Anwerben neuer virtueller Freunde, sondern aus zwei Dingen:
um auch Nichtkennern dieser Truppe einen Eindruck ihrer Wirkung zu geben und (und das ist wohl noch wichtiger) um mich im gleißenden Licht meiner Arroganz zu sonnen, wenn ich mitleidig daran denke, dass es noch immer Leute gibt, die mit diesem Humor so gar nichts anfangen können und sich stattdessen Anke Engelke reinziehen.
Mit diesem Bekenntnis beende ich meine kleine Ode auf die Erfinder der Bezeichnung ‘Spam’.
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