Ich, Apocalypse Now, ein Surfbrett & der Dschungel

27.01.2012 - 15:01 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Martin Sheen in Apocalypse Now
Arthaus/Kinowelt
Martin Sheen in Apocalypse Now
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Die meisten Filmfans verehren den Regisseur Francis Ford Coppola für sein Mafia-Epos Der Pate. Mit Apocalypse Now hat der amerikanische Meister jedoch auch einen der beeindruckendsten (Anti-)Kriegsfilme aller Zeiten gedreht.

Mein Film ist kein Film. Mein Film handelt nicht von Vietnam, er ist Vietnam. Er zeigt, wie es wirklich war. Es war verrückt. Und die Art und Weise, wie wir ihn gedreht haben, ähnelt sehr der Art und Weise, wie sich die Amerikaner in Vietnam verhalten haben. Wir waren im Dschungel. Es gab zu viele von uns. Wir hatten zu viel Geld und zu viel Equipment. Und Schritt für Schritt wurden wir wahnsinnig.

Mit diesen legendären Worten beschrieb Regisseur Francis Ford Coppola 1979 während einer Pressekonferenz in Cannes seinen Wettbewerbsfilm Apocalypse Now. Und bessere Worte, um dieses filmische Meisterwerk zu beschreiben, gibt es wahrscheinlich nicht. Trotzdem werde ich an dieser Stelle versuchen zu erklären, warum ich gerade Coppolas Vietnamdrama heute mein Herz für Klassiker schenken möchte.

Warum ich Apocalypse Now mein Herz schenkte
Kriegsfilme haben mich bereits seit meiner frühen Jugend fasziniert. Nicht weil ich Kriege so toll und aufregend fand, sondern weil ich mich immer wieder gefragt habe, wie man es aushalten kann, in einer solchen Extremsituation zu leben bzw. zu überleben. Mir erschien es so absurd, dass sich die Menschheit immer wieder in Kriege stürzt und Situationen erzeugt, in denen sich weder Soldaten noch Zivilisten an irgendwelche Vorschriften oder Richlinien halten können. Krieg stellte ich mir als das größtmögliche Chaos vor und war deshalb des öfteren enttäuscht, wenn Filme durch ihre stringent erzählte Geschichte suggerierten, man könne in einer solchen Situation stets den Überblick behalten und nebenbei sei noch Zeit für große Heldentaten. Solche Actionfilme konnte ich nie mit meiner Vorstellung vom Krieg in Einklang bringen. Als ich mit ungefähr 16 Jahren das erste Mal Apocalypse Now sah, habe ich bei weitem nicht komplett verstanden, um was genau es hier eigentlich ging. Aber gerade dieser Fakt hat mich so an Coppolas Vietnams-Epos beeindruckt und mich seitdem immer wieder in den Dschungel zurückkehren lassen. Martin Sheen als abgehalfteter, alkoholkranker Captain Benjamin L. Willard, Robert Duvall als surfbegeisterter Lieutenant Colonel Bill Kilgore und Marlon Brando als dem Wahnsinn verfallenen Colonel Walter E. Kurtz; Verrückte soweit das Auge reicht. Dazu kommt eine Mission, die ähnlich sinnlos wie der ganze restliche Konflikt im Vietnam scheint. So verstörend und verwirrend war kein Kriegsfilm zuvor.

Warum auch andere Apocalypse Now lieben werden
Apocalypse Now ist ein Film, der gleich auf mehreren Ebenen unglaubliche Qualitäten bietet. Er ist sowohl Kriegsfilm, wie auch psycholigisches Drama und beeindruckt zusätzlich durch seine handwerklichen Qualitäten.

Apocalypse Now legt wie kein anderer Vietnamfilm offen, wie bizzar die Situation für junge Amerikaner gewesen sein muss, die ihre Heimat verlassen haben, um in einem völlig fremden Land für ein diffuses Ziel zu kämpfen. Denn genauso diffus, wie der Kampf gegen den Kommunismus in Südostasien ist der Auftrag der Hauptfigur Captain Willard, den ehemaligen Colonel Kurtz irgendwo im kambodschanischen Dschungel aufzuspüren. Die Bootsfahrt, die Willard und seine Mannschaft durch den vietnamesischen Dschungel antreten, gleicht demnach auch mehr einem verstörenden Drogentrip, als einer militärsichen Operation. Wer sich nicht für das Vietnamszenario interessiert, wird immer noch mit einzigartigen Performances von den drei großen Darstellern Duvall, Sheen und Brando belohnt. Coppola holte wirklich alles aus seinen Schauspielern heraus, die sich ihrerseits mit darstellerischen Leistungen revanchierten, die einem auch lange nach dem Abspann im Gedächtis bleiben. Zitate wie The Horror! The Horror! oder I love the smell of Napalm in the morning sind bereits so fest im kollektiven Gedächtnis verankert, dass man auch ruhig wissen sollte, woher sie denn nun eigentlich kommen.

Warum Apocalypse Now einzigartig ist
Für sich gesehen ist Apocalypse Now bereits ein äußerst faszinierender Film. An Brisanz gewinnt Francis Ford Coppolas Projekt allerdings noch einmal deutlich, durch die einer Odysee gleichenden Produktionsverhältnisse. Der Regisseur trieb sich ein ums andere Mal an den Rand des finaziellen Ruins (Coppola finanzierte einen Großteil des Films selbst) und benötigte insgesamt mehr als drei Jahre, um das Mammuthprojekt fertig zu stellen. Der unglaubliche Aufwand dieser völlig ausufernden Produktion ist dann aber in jeder Sekunde auf der Leinwand zu sehen. Der Dschungel, die Hubschrauber, das Feuer, die riesigen Sets, die Drogen; bei Apocalypse Now ist alles echt. In der sehr sehenswerten Dokumentation Reise ins Herz der Finsternis bekommt der Zuschauer zu bestaunen, wie unglaublich es eigentlich ist, dass dieser Film überhaupt exisitiert und auf welche beeindruckende Art und Weise er hergestellt wurde. Francis Ford Coppola markierte mit Apocalypse Now so etwas wie den Höhepunkt der New Hollywood-Bewegung, zu der auch Regisseure wie Martin Scorsese (Hexenkessel, Taxi Driver) oder William Friedkin (French Connection – Brennpunkt Brooklyn, Der Exorzist) gehörten. Irgendwo in einer Grauzone zwischen Studiosystem und privater Finanzierung arbeitete zu dieser Zeit große amerikanische Autorenfilmer an Werken, die sie vollständig nach ihren Vorstellungen kreieren konnten. Für einen Film in der Größe von Apocalypse Now scheint solch ein Vorgehen heute fast unvorstellbar.

Warum Apocalypse Now die Jahrzehnte überdauert
Obwohl die Geschichte von Apocalypse Now im Vietnamkrieg angesiedelt ist, hat Regisseur Francis Ford Coppola mit diesem Film gleichzeitig eine Allegorie für den Kriegszustand an sich geschaffen. Letztendlich ist es völlig egal, welcher Konflikt hier thematisiert wird. Die Aussage, dass der bewaffnete Kampf immer das Dunkelste im Menschen hervorbringt, ist raum- und zeitübergreifend. Die intensiven Bilder können durch die tolle Blu-ray-Fassung des Films heute außerdem wieder in ihrer vollen Brillianz genossen werden. Dank der digitalen Übertragung einer 70mm Kopie und aktueller HD Technik kann man die audio-visuelle Brillianz des Films jederzeit zu Hause auf dem Sofa genießen. Die Herstellung von Apocalypse Now liegt nun immerhin bereits über 30 Jahre zurück und trotzdem wirken die Bilder und Töne so, als kämen sie gerade frisch aus dem Dschungel. Jede Schweißperle, jede Rauschwade und jedes Zierpen ziehen einen immer tiefer in die surreale Atmosphäre des Films hinein. Deshalb dürfte auch für Cinephile in 20 Jahren jede der 202 Minuten der Redux-Fassung purer Genuss sein.

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