Ich, Easy Rider und vibrierende Harleys

16.09.2011 - 08:50 Uhr
Hopper, Fonda und Nicholson in Easy Rider
Columbia Pictures
Hopper, Fonda und Nicholson in Easy Rider
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Easy Rider läutete das Zeitalter des New Hollywood ein. In dem Roadmovie von Dennis Hopper steckt aber so viel mehr als wahlweise schnöde Bikerromantik oder zügelloser Drogenkonsum. Deswegen bekommt Easy Rider heute mein Herz für Klassiker.

Mein Filmwissenschaftsstudium bringt es mit sich, dass ich besonders während der Vorlesungszeiten geradezu exzessiv damit beschäftigt bin, Filme zu schauen. Mit dieser Tätigkeit ziehe ich nicht selten Neid auf mich, denn ich kann ins Kino gehen und ohne schlechtes Gewissen sagen: „Ich mache was für die Uni.“ Aber ihr kennt das ja: In der Theorie klingt immer alles super, in der Praxis ist es gleich weniger genial, denn natürlich interessiert nicht jeder Film auf der Liste gleichermaßen. Irgendwann stand Easy Rider von Dennis Hopper auf der Tagesordnung. Ich hatte den Streifen noch nicht gesehen, irgendjemand hatte mir mal erzählt, er sei überschätzt. Ich fuhr also eher so semi-motiviert in die Mediathek, um mir das gute Stück auszuleihen, pflanzte mich in meinen Sessel – und wurde weggeblasen. Es ist absolut nötig, Easy Rider heute mein Herz für Klassiker zu schenken.

Warum ich Easy Rider mein Herz schenke
Zuerst einmal: die Musik! In Easy Rider gab es zum ersten Mal keinen eigens komponierten, sinfonischen Soundtrack. Peter Fonda verwendete einfach seine Lieblingssongs für die Rohfassung und haut uns die schönsten Rockhymnen um die Ohren: Born to Be Wild, Wasn’t born to follow, The Weight… Ich teile seinen Musikgeschmack, so viel ist sicher. Sicher ist außerdem, dass die musikalische Untermalung geradezu verstörend gut zur kargen amerikanischen Wüstenlandschaft passt, genau wie zu diesen Prachtexemplaren von Motorrädern. In seiner rauen Ursprünglichkeit und improvisiert wirkenden Direktheit vibriert Easy Rider in unseren Köpfen mit der gleichen erwartungsvollen Unnachgiebigkeit wie die mächtigen Harleys unter den ledergewandeten Bikern.

Warum auch andere Easy Rider lieben werden
Es sind nicht nur Motorradgang-Mitglieder und genussmittelaffine Altrocker, die Easy Rider etwas abgewinnen können. Selbst wer den freizügigen Lebensstil der Biker aus irgendwelchen schwer nachvollziehbaren Gründen ablehnt, kann sich immer noch auf die filmische Vorreiterrolle des Werkes konzentrieren und alle moralisch fragwürdigen Augenblicke mit hochgezogener Augenbraue großmütigst übersehen. Der experimentelle Autorenfilm war der Erste seiner Art, der ansehnliche Erfolge feierte und somit künftigen Altmeistern wie Martin Scorsese, Steven Spielberg, George Lucas und Francis Ford Coppola den Weg hin zum New Hollywood ebnete. Schon dafür müssen wir ihn lieben.

Warum Easy Rider einzigartig ist
Apropos experimenteller Autorenfilm: Wenn wir so wollen, können wir Easy Rider auch durchaus als Spielweise zweier zugedröhnter Filmemacher betrachten. Dennis Hopper schwebte ein Stil à la 2001: Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick vor, weshalb von seinen Experimenten mit mehrstündigen Fassungen einige gewagte Stilelemente in der endgültigen Version des Films verblieben. Wir sehen beispielsweise poetische Landschaftsaufnahmen und fast unerträglich langsame 360°-Schwenks, unterbrochen von flackernden Zwischenschnitten. Ihren fulminanten Höhepunkt finden die visuellen Wagstücke des Regisseurs in der psychedelischen Drogenszene mit zwei Prostituierten, nach der auch das Hirn des Zuschauers beim besten Willen nicht mehr einwandfrei rund läuft.

Warum Easy Rider die Jahrzehnte überdauert
„Ein Mann suchte Amerika, doch er konnte es nirgends mehr finden“, so lautet eine Werbezeile für Easy Rider und trifft damit die ganze Problematik wie den Nagel auf den Kopf. Der philosophische Jack Nicholson sinniert kurz vor seinem filmischen Tod über den amerikanischen Traum und was noch von seinen Idealen übrig geblieben ist. Resignierend kommt er zum Schluss: Die viel beschworene Freiheit macht den Leuten Angst, sie provoziert sie sogar. Mit dieser Feststellung beschreibt er nicht nur das Amerika der Sechziger Jahre, sondern liefert ein Bild der westlichen Gesellschaft, die sich in diesem Punkt seit einigen Jahrzehnten nicht grundlegend verändert hat.

Auch heute brauchen wir ganz offensichtlich noch eindrückliche Denkmäler wie Easy Rider, die uns von Zeit zu Zeit anschaulich an unsere eigentlichen Ideale erinnern.

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