Ich habe ein Jahr lang dem DC-Universum beim Sterben zugesehen und es hat mir das Herz gebrochen

23.12.2023 - 13:00 UhrVor 4 Monaten aktualisiert
Nach 10 Jahren ist das DCEU einfach vorbei
Warner Bros.
Nach 10 Jahren ist das DCEU einfach vorbei
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2023 hätte für das DCEU eines der besten Jahre werden können. Stattdessen habe ich zwölf Monate lang einer vierteiligen Grablegung beigewohnt, die von Station zu Station schlimmer wurde

Vor zehn Jahren startete mit Man of Steel nicht nur ein neuer Superman-Film im Kino. Warner Bros. und das Comic-Haus DC wollten nach dem Vorbild des Marvel Cinematic Universe ihr eigenes Film-Universum schaffen, in dem bekannte Superheld:innen wie Wonder Woman und Batman aufeinander treffen. Eine Dekade später steht fest: Das DC Extended Universe (DCEU) ist gescheitert und hat keine Zukunft mehr.

Anfang des Jahres stellten Regisseur James Gunn und Produzent Peter Safran ihre Pläne für ein umfangreiches DC-Reboot vor. Zehn Filme und Serien stehen bereits fest, darunter auch ein neues Superman-Abenteuer. Das Absurde: Zum damaligen Zeitpunkt war eine beachtliche Anzahl an DC-Filmen aus der aktuellen Ära noch gar nicht erschienen. Ein Jahr lang habe ich daraufhin dem Franchise beim Sterben zugeschaut.

Das DCEU stirbt – und prügelt in seinem letzten Jahr so viele Filme wie noch nie zuvor ins Kino

Die Geschichte des DCEU ist extrem chaotisch. Wo bei Marvel – zumindest auf den ersten Blick – alles glattlief, entpuppten sich DCs Gehversuche als ein einziges Stolpern. Schon der zweite Film, Batman v Superman: Dawn of Justice, sollte vollbringen, was Marvel nach fünf Kinofilmen und langjähriger Vorarbeit mit den Avengers auf die Beine gestellt hat. Unzählige Projekte wurden angekündigt und wieder abgesagt .

Shazam! Fury of the Gods

Im Grunde hat sich das DCEU mit jedem Film neu erfunden, was schlussendlich darin gipfelte, dass ein Film, Justice League, in zwei komplett verschiedenen Versionen existiert und parallel weitere DC-Reihen wie Joker und The Batman gestartet wurden. Die hatten gar nichts mit dem Franchise-Kern zu tun und leben auch jetzt, trotz großem Neustart, fröhlich und ohne Anbindung an ein Cinematic Universe weiter.

Das DCEU umfasst 14 Filme, wenn wir den Snyder-Cut von Justice League außen vor lassen, der von Warner sowieso nicht zum Kanon gezählt wird. Vier dieser 14 Filme sind erst dieses Jahr erschienen. Also fast ein Drittel des gesamten Franchise. In einem Jahr. Fulminantes Finale? Fehlanzeige. Das Quartett Shazam! Fury of the Gods, The Flash, Blue Beetle und Aquaman: Lost Kingdom ist ein Trauerspiel.

Keiner der Filme wurde so veröffentlicht wie ursprünglich geplant. Shazam 2 rutschte in der Pandemie hin und her, Aquaman 2 musste mehrere Runden an Reshoots über sich ergehen lassen und Blue Beetle wechselte vom Streaming ins Kino. Und dann wäre da noch The Flash, der mehr Zeit in der Produktionshölle verbracht hat als irgendein anderes DC-Projekt, das in den vergangenen Jahren die große Leinwand eroberte.

Von der hinreißenden Chaos-Energie des DCEU ist nur noch ein Haufen mutloser Filme übriggeblieben

Trotz oder gerade aufgrund dieses Durcheinanders habe ich das DCEU sehr liebgewonnen. Nicht zuletzt setzte es den immer gleichförmiger gewordenen MCU-Filmen jede Menge Ecken und Kanten entgegen. Manchmal eine Katastrophe, manchmal ein Wunder. Suicide Squad und The Suicide Squad bringen diese Chaos-Energie perfekt auf den Punkt. Für ein Blockbuster-Franchise war das DCEU erfrischend unberechenbar.

The Flash

Umso enttäuschender gestaltete sich der letzte Jahrgang. Bereits Shazam! Fury of the Gods hatte alles vergessen, was seinen Vorgänger ausgezeichnet hat. Verschwunden war die weihnachtliche Familiengeschichte, die den Film angenehm vom Einerlei des Superhelden-Kinos abgehoben hat. Die Fortsetzung ist zu dem austauschbaren Bombast geworden, den der erste Teil geschickt umschiffte.

Shazam! Fury of the Gods schloss nahtlos an die Black Adam-Niederlage von 2022 an und wartete mit einer ähnlich planlosen Post-Credit-Szene auf. Kehrt Henry Cavill als Superman zurück? Definitiv nicht! Aber was ist mit Zachary Levi als Shazam? Hm, ja, vielleicht, vielleicht auch nicht. Der Sarg des DCEU wurde im Januar offiziell versiegelt und trotzdem kam jedes Projekt mit haltlosen Versprechungen ums Eck.

Das frustrierendste Erlebnis in dieser Hinsicht war The Flash. Ein DC-Abenteuer, das gleichzeitig Rückblick, Vorschau und Bestandsaufnahme sein wollte. Vier Batman, drei Superman und viele weitere Cameos: Nostalgie-Kino der schlimmsten Sorte, obwohl Multiversums-Geschichten so viele erzählerische und filmische Möglichkeiten bieten, wie dieses Jahr Spider-Man: Across the Spider-Verse eindrucksvoll bewiesen hat.

Selbst das Multiversum konnte dem zerbrochenen DCEU keinen würdevollen Abgang bereiten

Wenn es einen Film gibt, der den Übergang von einem Universum ins nächste irgendwie elegant lösen kann, dann The Flash mit seiner Flashpoint-Story – das war zumindest lange Zeit der naive Gedanke in meinem Kopf. Bis ich am Ende aus dem Kino kam und gemerkt habe, dass der einzige wirklich aufregende Moment die Rückkehr von George Clooney war. Ein Cliffhanger, der niemals ein Nachspiel haben wird.

Blue Beetle

Shazam entdeckt ein Götterreich, Flash das Multiversum. Mit Blue Beetle wurde ein völlig neuer Superheld eingeführt, von dem wir in Zukunft noch viel mehr sehen werden, oder? Immerhin ist Blue Beetle laut Gunn der erste Superheld des neuen DC-Universums, das eigentlich erst mit Superman: Legacy 2025 im Kino beginnt, obwohl genau genommen schon 2024 mit Creature Commandos im TV der Startschuss fällt.

Seht ihr das Problem? Ein klarer Schnitt ist nicht zu erkennen. Die verbliebenen DCEU-Filme wurden so lieblos auf die Leinwand gewuchtet wie lange kein Franchise mehr. Ein Flop folgte auf den nächsten. Selbst Aquaman: Lost Kingdom, der den bis dato erfolgreichsten DC-Film fortsetzt, wird die Zahlen nicht mehr vergolden können. Hauptdarsteller Jason Momoa streicht vor Kinostart die Segel.

"Es sieht nicht gut aus", kommentierte der Aquaman-Star die Frage nach einer weiteren Rückkehr gegenüber Entertainment Tonight . Aktuell kommen die vier DC-Filme 2023 zusammen auf ein Einspielergebnis von 530 Millionen US-Dollar – und das bei einem Budget von 430 Millionen US-Dollar (ohne Marketingkosten). Um profitabel zu sein, muss ein Blockbuster aber das Zwei- bis Dreifache seiner Kosten einspielen. In keiner Box-Office-Rechnung lässt sich hier ein Gewinn entdecken.

Das einst widerspenstige DCEU stößt beim großen Blockbuster-Begräbnis nur auf Gleichgültigkeit

Nicht nur finanziell war das Finale ein Desaster: DC hatte vier der größten Filme des Jahres und es fällt schwer, auch nur bei einem der Titel einen popkulturellen Fußabdruck auszumachen. Ein vollständiges Line-up an Blockbustern, das in Vergessenheit geraten ist, bevor es sich überhaupt entfalten konnte. Erinnert ihr euch noch, als Filme wie der ruppige Batman v Superman gar nicht mehr aus dem Diskurs verschwinden wollten?

Aquaman: Lost Kingdom

Helen Mirren, Lucy Liu und West Side Story-Star Rachel Zegler konnten Shazam! Fury of the Gods nicht vor der Bedeutungslosigkeit bewahren, während Blue Beetle schneller aus den Kinos verschwand, als sein Wechsel dorthin diskutiert wurde. Michael Keatons Batman-Comeback in The Flash scheiterte an dem Punkt, an dem Batgirl im Giftschrank landete, obwohl er zwischenzeitlich sogar der Haupt-Batman des DCEU war.

Bleibt noch der durchaus vergnügliche Aquaman-Wahnsinn, der sich mit abgefahrener Unterwasser-Action vom Rest des Franchise abhebt. Als letzter DCEU-Film wirkt er jedoch verloren im Blockbuster-Ozean. Kein anderes Cinematic Universe hat so sehr mit seinem (nicht) vorhandenen Masterplan gehadert. Jetzt endet alles, ohne den Hauch einer berührenden Abschiedsgeste. Eigentlich stimmig, aber auch enttäuschend.

Am Anfang des Jahres wirkte das Aus des DCEU wie ein Verlust. Nach der zerfahrenen, lustlosen Finalrunde bin ich dem Ende jedoch überraschend gleichgültig gestimmt. Natürlich habe ich mich direkt in die erste Aquaman-Vorstellung gesetzt, aber das hatte nichts mehr mit dem DCEU-Körper zu tun, der mich einst faszinierte. Ein letzter Kinogang, um einen Abschluss zu finden, aber es gab gar keinen Anhaltspunkt dafür.

Es hat wirklich keinen Spaß gemacht, dem quälend langsamen und gleichzeitig so offensichtlichen Tod eines Franchise beizuwohnen.

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