Patton – Rebell in Uniform von Regisseur Franklin J. Schaffner wurde in den USA 1970 veröffentlicht. Die Anti-Vietnam-Bewegung befand sich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt und ausgerechnet jetzt sollte die Geschichte einer der schillerndsten Figuren des Zweiten Weltkriegs in die Kinos kommen. Das Timing schien denkbar schlecht für einen Film über George S. Patton, den General der amerikanischen Armee, der sowohl durch seine militärischen Erfolge, wie auch auf Grund seiner umstrittenen pesönlichen Ansichten und Ausfälle während des zweiten Weltkrieges zu einer großen Berühmtheit wurde. Dass Patton bei der Oscarverleihung im nächsten Jahr von der traditionell eher links gerichteten Academy ganze sieben mal ausgzeichnet wurde (u.a als Bester Film) dürfte daran liegen, dass das Werk viel mehr ein hervorragend inszeniertes Biopic ist, anstatt ein klassischer (Anti-)Kriegsfilm zu sein. Vielleicht ist aber auch gerade diese Ansiedlung zwischen den Genres der Grund dafür, dass Patton bei den heutigen Filmfans nicht so stark präsent ist, wie er es eigentlich verdient hätte. Mal sehen, ob ich mit meinem Herz für Klassiker daran etwas ändern kann.
Warum ich Patton mein Herz schenkte
Für ein gutes Biopic bin ich immer zu haben. Die Betrachtung des Innenlebens besonders schillernder und bekannter Persönlichkeiten hat sich in der Filmgeschichte immer wieder als hervorragender Stoff erwiesen, um die faszinierendesten Geschichten zu erzählen. Dabei ist es niemals leicht, den Mittelweg zu finden zwischen der Sicht, die die jeweilige Person auf sich selbst hatte und dem Bild, welches Dritte vom jeweiligen Subjekt zeichnen. Patton wandert für mich perfekt auf diesem schmalen Grat zwischen Subjektivität und Objektivität. Das Drehbuch von Edmund H. North und Francis Ford Coppola lässt den Zuschauer den zweiten Weltkrieg aus der Sicht des kampfbegeisterten Generals erleben, kommt jedoch ohne aufgesetzt wirkende innere Monolge aus. Stattdessen wird Patton als Person dargestellt, die sowieo viele ihrer Gedanken nach außen trägt, die sich immer wieder selbst inszeniert und vielleicht irgendwann nicht mehr zwischen Schauspiel und Wirklichkeit zu unterscheiden weiß. Der Höhepunkt seiner zahlreichen Vorträge über den Krieg und dessen Eigenschaften bekommen wir gleich zu Anfang des Films zu sehen. In einer leidenschaftlichen Rede auf einer großen Bühne, in deren Hintergrund eine riesige amerikanische Flagge trohnt, wird in nur wenigen Minuten Pattons komplettes Selbstverständnis offen gelegt. Diese perfekte Eröffnungssequenz lässt uns ohne große Umschweife in die Story hinein springen. Mein Herz hatte ich an Patton also bereits nach den ersten Minuten verloren.
Warum auch andere Patton lieben werden
Kann jemand weder mit biographischen Filmen noch mit Geschichten zum Thema Krieg etwas anfangen, so wird er Patton doch am wahrscheinlichsten für die hervorragende Performance von George C. Scott lieben. In fast jeder Sekunde des knapp 3-stündigen Werks ist Scott im Bild und jede dieser Sekunden trägt dazu bei die widersprüchliche Figur des Generals näher zu ergründen. Der Hauptdarsteller arbeitet dabei vor allem mit seiner rauhen, kratzigen Stimme. Aber auch Haltung, Gestik und Mimik lässt uns keine Sekunde daran zweifeln, dass hier ein Mann vor uns steht, der sein ganzes Leben nichts anderes war, als ein professioneller Soldat. Neben der schauspielerischen Leistung stechen auch die wahnsinnig pompösen Requisiten ins Auge, durch die sich die Hauptfigur ständig bewegt. Oftmals wirken Pattons Unterkünfte eher wie antike Paläste und unterstreichen damit, dessen Glauben an die Reinkarnation. Franklin J. Schaffners Werk ist somit auf schauspielerischer wie auch auf ein dekorativer Ebene ein Augenschmaus.
Warum Patton einzigartig ist
Patton ist nicht unbedingt einzigartig, aber das amerikanische Kino der 70er Jahre ist es definitiv und Franklin J. Schaffners Film ist ein wichtiger Teil von diesem. Technisch sind die Filme dieser faszinierenden Periode der Filmgeschichte bereits auf einem sehr hohen Niveau und obwohl die Studios viel Geld in ihre Produktionen fließen lassen, kommt der künstlerische Anspruch in dieser Zeit nur selten zu kurz. So können wir in Patton bereits Ansätze von dem sehen, was sich später zum so genannten New Hollywood Kino entwickelt hat, einer Phase in der Anspruch und Unterhaltung sich so gut wie selten die Wage gehalten haben. Hinzu kommt, dass Patton in einer Zeit entstanden ist, in der Effekte aus dem Computer noch weit entfernte Zukunftsmusik waren. Wenn dies bedeutet, dass ich dafür echte Panzer, echte Explosionen, echte Landschaften und echte Menschenmassen zu sehen bekomme, kann ich aber gut und gerne auf die neuesten Errungenschaften der Technik verzichten. Ähnlich wie einige Jahre später in der Materialschlacht Apocalypse Now machen die stets greifbaren Requisiten und Schauplätze in Patton einen großen Teil der Authenzität des Films aus.
Warum Patton die Jahrzehnte überdauert
Ganz sicher bin ich mir nicht, ob Patton auch in einigen Jahrzehnten noch als großer Klassiker gefeiert wird. Dafür wird er fälschlicherweise zu oft als Kriegsfilm bezeichnet, wodurch sein Ansehen von Filmen mit einem deutlich höheren Bekanntheitsgrad wie Die Brücke am Kwai, Apocalypse Now, Platoon oder Der Soldat James Ryan überschattet wird. Stattdessen sollten wir den Oscargewinner von 1971 viel öfter als sehr gelungene biographische Arbeit darstellen, die auf Grund des hervorragenden Skripts, der beindruckenden Bilder sowie der überzeugenden Darsteller auch heute noch zeitgemäß wirkt. Ein wenig erinnerte mich Patton nämlich bei meiner letzten Sichtung an solch hoch moderne Biopics wie The Social Network oder Die Kunst zu gewinnen – Moneyball aus der Feder von Aaron Sorkin, die ebenfalls einen tiefen Blick auf ihre Figuren zulassen, ohne den Zuschauer zu sehr in eine bestimmte Richtung drängen zu wollen. Auch Patton zeigt, ähnlich wie die genannten Werke, einen Mann, der mit voller Leidenschaft einer bestimmten Profession nachgeht, über die er sich voll und ganz identifiziert. Welchem Film es also gelingt, nach über 40 Jahren noch solch einen frischen Eindruck zu machen, für den dürften auch die nächsten Jahrzehnte kein Problem darstellen.