Diskussion zur Blog-Film-Kultur geht weiter

17.08.2008 - 13:19 Uhr
Das gute alte Schreiben
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Das Maschineschreiben zersetzt das unabhängige Urteil des Kritikers.

Diesen Text schickte uns Uli Gellermann, der auf Rationgalerie über Vieles nachdenkt und vorläuft.

NEHMT JUPP SCH. DIE SCHREIBMASCHINE AB
Das Maschineschreiben zersetzt das unabhängige Urteil des Kritikers

Damals hatte es angefangen, als der noch junge Jupp Sch., der seine Kritiken, nach Väter Sitte, immer mit der Hand schrieb, eine blitzende Maschine in einem Schaufenster sah. Jupp schaute sich um, ob ihn auch keiner sah als er den Laden betrat, um das glänzende, ultramoderne Ding zu kaufen. Zu Hause angekommen, berührten seine schwitzenden Hände zärtlich die schwarzen Taste. Doch halt: Erst mussten die Vorhänge zugezogen werden. Denn in der Zunft der Filmkritiker, zu der Jupp Sch. gehörte, wußte jedermann: Nur mit der eigenen Hand, mit einer goldenen Feder, war ein unabhängiges Urteil über Filme möglich.

Es war schon schwierig genug, von des Gehirns Gedanken zu einem echten Fellini zum Beispiel, über die Muskeln und Sehnen der Hand, den Geist der Kritik auf das Papier zu bannen. Jedes weitere Gerät, das galt in der Zunft als Gesetz, würde die Essenz der Kritik verwischen, würde sich zwischen die erhabenen Gedanken der Großkritiker und den geringen Verstand der Rezipienten drängen und zu einer vulgären Demokratisierung führen. Jeder dem eine Schreibmaschine zu eigen wäre, hätte in seiner Einfältigkeit und mittels einer Matrize jedem Leser seine unmaßgebliche Meinung aufdrängen können! Doch Jupp war den geheimnisvollen Tasten und Hebeln, dem technischen Geruch des Farbbandes und dem leisen Klingeln, wenn der Wagen das Ende seines Weges erreichte, völlig verfallen,

Seit jener Zeit fertigt J. Sch. immer noch seine “meinungsschwachen”, von “intellektuellem Unvermögen” und dem “gesprochenen Wort” ähnlichen Elaborate im Dunklen seines verhängten Büros auf der Maschine (alle Zitate sind aus einem Artikel von Josef Schnelle in der “Berliner Zeitung” vom 14. 08. 08 gegen die Filmkritik im Internet). Um sein mechanisches Verbrechen an der Filmkritik, seinen instinktlosen Bruch mit der Tradition und der Kultur des Handschriftlichen zu verbergen, greift er jetzt mit Getöse jene Kollegen an, die Ihre Kritiken sogar über das Internet verbreiten.

Dieses Tarnmanöver wird J. Sch. nichts nutzen: Von ihm stammt der erste Tabubruch. Seit jener Zeit, als Jupp Sch. Hand und Feder gegen den kalten Automaten ausgetauscht hatte, begann der intellektuelle Niedergang der Filmkritik. Und er hält an. Ein eindeutiger Beweis ist Schnelles Artikel in der Berliner Zeitung. Eins ist sicher, die Filmkritik ist nur zu retten, wenn dem Jupp Sch. endlich die Schreibmaschine abgenommen wird.

Uli Gellermann
Rationgalerie

Die anderen Texte zur Diskussion gibt es hier:
von Oliver: Blogger zerstören die Filmkritik!
von Ines: Brauchen wir eine Online- und Blog-Filmkritik?
von Josef Schnelle: Artikel in der Berliner Zeitung

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