Die Nachricht von Satoru Iwatas Tod traf die Welt unvorbereitet, erreichte aber gerade deshalb viele Herzen und hinterlässt den japanischen Traditionsentwickler Nintendo mit einer Lücke, die sich wohl nur sehr schwer schließen lässt. Eine Krebserkrankung an der Galle hat Iwata mit nur 55 Jahren aus dem Leben gerissen, aber trotz seines geringen Alters hat der Präsident von Nintendo ein Vermächtnis hinterlassen, von dem die Firma wohl noch lange zehren wird.
Traditionen folgen & Innovationen finden
Schon 1983, kurz nach dem Abschluss seines Studiums, betrat Iwata die Videospielbranche und sollte sie bis zu seinem Tod nicht mehr verlassen. Bei HAL Laboratory, dem berühmten Partnerstudio von Nintendo, arbeitete er bereits vor seiner Zeit bei Nintendo an Franchises wie Kirby , Pokémon oder auch Super Smash Bros. und es ist auch seine Vergangenheit als Entwickler, Designer und passionierter Spieler, die ihm später dabei helfen sollte, den größten Videospielhersteller in Japan zu übernehmen.
Im Jahre 2002 folgte Iwata als insgesamt vierter Nintendo-Präsident auf Hiroshi Yamauchi, der Nintendo schon seit 1949 leitete, und wurde damit zum ersten Nintendo-Chef, der nicht durch Verwandschaft oder Heirat mit der Yamauchi-Familie verbunden war. Und er hätte wohl kaum einen ärgeren Zeitpunkt finden können, um die Geschäfte zu übernehmen, denn kurz nach der Jahrtausendwende sah sich Nintendo in einer abgeschlagenen Position und tat sich schwer, mit Sony und Microsoft zu konkurrieren.
Nintendo sei zu exklusiv und müsse sich mehr Spielern öffnen — das war das Leitmotiv, mit dem Iwata die schwierige Stelle antrat und Nintendo zu einem zweiten Frühling verhalf. Mit der Nintendo DS-Familie revitalisierte Iwata die einstmals starke Handheld-Sparte bei Nintendo und die familienfreundliche Nintendo Wii konnte nicht nur die schwache Performance des Gamecube vergessen machen, sondern sorgte 2006 sogar zu einer Verdopplung des Marktwerts von Nintendo an der Börse.
Den Spaß nicht vergessen
Am stärksten war der Einfluss von Iwata aber nicht auf die finanziellen Erfolge von Nintendo, sondern auf das Image des Entwicklers. Anstatt zwanghaft an den alten Tagen festzuhalten, etablierte Iwata den Konzern als einen Hersteller, der Wert auf Freundlichkeit und Zugänglichkeit legt und sich abseits von Sony und Microsoft positioniert. Nintendo war plötzlich irgendwie anders, irgendwie seltsam und gerade deshalb so sympathisch. Oft wurde die Andersartigkeit von Nintendo als Weltfremdheit missverstanden, zu stark ist die Suggestion, dass die Konkurrenz den "wahren Weg" verfolgt.
Erst vor einer Woche hat mein Kollege Daniel Ziegener nach Worten gesucht, um seine Liebe und seine Faszination für das neue Nintendo zu beschreiben . Satoru Iwata hat einen großen Teil dazu beigetragen, einen Zugang zu Videospielen zu finden, der Technikhunger, Marketingwahnsinn und falsche Seriösität hinter sich lässt. Videospiele dürfen schließlich auch einfach nur Spaß machen.
Es mag sein, dass Nintendo vielleicht etwas zu konservativ ist. Es mag sein, dass Nintendo manchmal an den Interessen vieler Spieler vorbei denkt. Es mag aber vor allem auch sein, dass das genau der Weg ist, den Nintendo weitergehen sollte. Videospiele sind für alle da und deswegen auch für Spieler, die noch nicht wissen, ob sie Videospiele mögen und die nicht wissen, wie "echte Spiele" auszusehen haben. Dieser Dienst ist von unschätzbaren Wert und Iwata hat die Weichen gestellt.
Auch das Vermächtnis von Iwata, Nintendos Absichten auch den Mobile-Markt zu betreten und eigene Spiele für Smartphones zu entwickeln, folgt dem Leitmotiv, dass Iwata am Anfang seiner Amtszeit vorgegeben hat. Viele verstehen es nicht, viele wollen es nicht, aber noch viel mehr werden es zu schätzen wissen.
Und genau darum geht es.