Afghanistan-Film findet keinen Sendeplatz

20.10.2008 - 16:14 Uhr
Willkommen zu Hause
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ARD verschob Sendetermin von Willkommen zu Hause – Kein Bedarf?

Deutsche Filme über die aktuelle Lage im Afghanistan sind rar. Das ist sicherlich schade, denn schließlich mehren sich seit dem Beginn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan die Stimmen, dass dort eben doch ein Krieg geführt wird und kein bloßer Friedenseinsatz. Auf der anderen Seite scheint die Kinolandschaft, vor allem eben auch die US-Kinolandschaft, momentan interessierter am Irakkrieg als an der mindestens ebenso misslichen Lage am Hindukusch. Die Romanverfilmung Drachenläufer, Von Löwen und Lämmern oder Der Krieg des Charlie Wilson stehen, was US-Filme über Afghanistan angeht, als Leuchttürme ziemlich allein. Noch weitaus karger stellt sich die Situation im deutschen Fernsehen und Kino dar. Wer kennt schließlich einen deutschen Spielfilm, der sich mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan befasst?

Dokumentationen bilden eine Ausnahme, sind jedoch im Verhältnis zur Bedeutung der deutschen Position in diesem Konflikt ebenso untervertreten – vor allem in letzter Zeit. Die ARD strahlte 2007 so die Dokumentation Sie finden keinen Frieden über die posttraumatischen Belastungsstörungen von Afghanistan-Heimkehrern aus. Aber fesselnde Dokumentationen, wie Operation Afghanistan, eine sechsteilige Doku über die Strapazen dieses Einsatzes für die Soldaten, sind wohl den wenigsten bekannt. Nacht vor Augen, ein Debütfilm von Brigitte Bertele, der den diesjährigen First Choice Award gewann, wurde auch auf der Berlinale gefeiert, der Kinostart am 9. Oktober ging jedoch an den meisten Kinogängern vorüber, zumal er kaum Spielstätten fand.

Nun verschob die ARD auch den Sendetermin für den deutschen Spielfilm Willkommen zu Hause, der sich mit dem Afghanistan"krieg", Afghanistan"einsatz", dem Afghanistan"dilemma" befasst (selbst die politisch korrekte Bezeichnung schmeckt bitter). Der vom Südwestrundfunk produzierte Film, der sehr erfolgreich auf dem Münchner Filmfest lief, soll statt in diesem Monat erst am 21. Januar 2009 gezeigt werden. Warum? Laut dem Focus spielten bei dieser Entscheidung vielmehr pragmatische als ideologische Gründe eine Rolle. Der Mittwochabend gilt traditionell als perfekter Spielfilmsendeplatz in der ARD, jedoch kommen der Ausstrahlung von Willkommen zu Hause zwei Events entgegen, für die sich das deutsche Publikum anscheinend eher erwärmt: Ein Uefa-Cup-Spiel der deutschen Mannschaft und die US-Präsidentschaftswahl. Dass bis zum 21. Januar 2009 mehr als nur zwei Mittwoche vergangen sein werden, macht die Verschiebung noch ärgerlicher. Manfred Hattendorf, Leiter der SWR-Fernsehfilm-Redaktion äußerte sich verhalten: “Da sind wir in unglückliche Mühlen geraten. Aber einen politischen Hintergrund gibt es für die Änderung nicht”

Willkommen zu Hause ist tatsächlich ein brisanter Film. Ob die Argumente der ARD tatsächlich einschlagend genug sind, müssen wir wohl selbst abwägen. Der Film handelt vom Soldaten Ben (Ken Duken), der nach einem Afghanistaneinsatz traumatisiert in sein Heimatdorf in der Pfalz zurückkehrt. Ulrike Folkerts , bekannt aus dem Tatort, spielt die Ärztin, mit deren Hilfe Ben die schrecklichen Erlebnisse am Hindukusch aufzuarbeiten versucht.

Noch zu Beginn des Afghanistaneinsatzes traute sich da die ARD mehr und strahlte den umstrittenen Dokumentarfilm des irischen Filmemachers Jamie Doran aus. Für den gewährten Sendetermin für Das Massaker von Afghanistan erhielt der öffentlich-rechtliche Sender sogar noch eine öffentliche Schelte von den USA (nachzulesen im Spiegel). Damals hatte der Einsatz jedoch auch gerade erst begonnen; im siebten Jahr der Bundeswehrstationierung am Hindukusch leiden wir aber wohl entweder am Interesse der Zuschauer oder der Medien.

Erst heute geschah wieder ein Selbstmordattentat in Afghanistan, bei dem nach derzeitigen Erkentnnissen zwei Bundeswehrsoldaten und fünf Kinder starben. Bleibt zu hoffen, dass dieser “Krieg” – nennen wir es einmal beim Wort – in Zukunft auch in den deutschen visuellen Medien gebührend – und kritisch – thematisiert wird – nicht erst zum 10. Jahrestag 2012.

Weitere Informationen:

ARD verschiebt TV-Film über Afghanistan-Heimkehrer, Artikel in der Berliner Morgenpost

Radiointerview mit einem Bundeswehrsoldaten im Afghanistan im Hessischen Rundfunk

Das Afghanistan Filmfestival in Köln

Tote kann man nicht aufrechnen, Artikel im Spiegel über die Massaker in Afghanistan

Kommentare zum heutigen Anschlag in Afghanistan in der Zeit

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