Regisseurin Maren Ade ist mit ihren zweiten Spielfilm in den Internationalen Wettbewerb der Berlinale geladen. Allein das ist schon ein großer Erfolg für die 33-jährige Filmemacherin. In einem Interview stellt sie sich Fragen zu ihrem Beziehungsfilm, der eine ganze Generation auf den Prüfstand stellt.
Es scheint, als würden Gitti und Chris für eine Generation moderner Beziehungen stehen, die auf keinen Fall angepasst sein möchte und permanent auf der Suche nach sich selbst ist. Können Sie uns etwas über die Idee zu diesem Stoff erzählen?
Es gab nicht nur die eine Idee. Es ging ein Prozess voraus; die Idee setzte sich nach und nach zusammen. Manche Elemente, die am Anfang unwichtig waren, wurden später stärker. Ich lasse mich beeinflussen, von den Menschen, die mir begegnen oder von dem, was mir passiert. Irgendwann wusste ich, dass ich einen Film über ein Paar machen möchte, aber das Thema stand nicht ganz am Anfang.
Ich wollte von einer Liebesbeziehung erzählen, die noch nicht lange andauert, in der es noch vieles auszukämpfen gibt und in der man noch Angst hat, sich zu offenbaren. Mich hat dieses verworrene, einzigartige Gebilde interessiert, das zwei Menschen ergeben, wenn sie eine Liebesbeziehung führen. Dieses chaotische Geflecht aus Sehnsüchten, Geheimnissen, Ansprüchen, Machtverhältnissen und Ritualen. Die Hauptfigur sollte das Paar sein und keine einzelne Person. Und ich wusste nach meinem letzten Film, dass ich mich in gewissen Punkten nicht wiederholen möchte. Einer dieser Punkte war, dass ich Hauptfiguren wollte, die mir soziologisch näher sind.
Also wollten Sie etwas Autobiografischeres machen?
Nein, aber ich wollte, dass meine Figuren einen ähnlichen Alltag oder ähnliche Berufe haben. Das ist natürlich nicht autobiografisch, aber es steckt zwangsläufig in diesem Film viel von mir. Ich habe ja nur meinen Kopf und meine Gefühle, aber ich bin nicht Gitti und auch nicht Chris. Trotzdem empfinde ich einen Film als etwas Privates, gerade weil das alles ausgedacht ist. Ich zeige, worüber ich nachdenke, was mich beschäftigt. Es interessiert mich auch nicht, die Realität nachzustellen. Der Film ist reine Fiktion. Die Geschichte hat vielleicht ihren Ursprung in der Wirklichkeit, aber ich suche gezielt nach einer dramaturgischen Dichte. Ich mag zum Beispiel eine gewisse Überhöhung. Wenn die Figuren Dinge tun, die im Alltag unwahrscheinlich sind. Wenn es aus dem Film und aus den Figuren heraus glaubhaft ist.
Dass ich das Paar dann in etwa mein Alter gegeben habe, schien mir logisch, und zwangsläufig tauchen dann auch “generationstypische” Themen auf. In der Entstehung haben mich mehr das Liebesthema und die grundsätzlichen Ängste und Sehnsüchte der beiden beschäftigt. Beide haben Angst, dass der Partner sie nicht für das liebt, was sie sind. Zudem sehnen sie sich selbst danach, anders sein zu können. Sie suchen sich neue Rollen, weil sie glauben, dem anderen so besser zu gefallen. Vielleicht auch weil sie denken, dass es gesellschaftlich richtiger ist, so zu sein. Gitti und Chris verirren sich gemeinsam und spüren am Ende auch ihre eigene Falschheit.
Ist es heute kompliziert, eine Frau zu sein?
Wenn man anfängt darüber nachzudenken, was man so sein soll, dann wird es immer kompliziert. Obwohl sie eine selbstbewusste, mutige Frau ist, gerät Gitti ja in große Unsicherheit, was ihre Person angeht. Sie beginnt überraschend, sich ihrem Freund anzupassen, um ihm zu gefallen. Ich habe vor Kurzem “Das goldene Notizbuch” von Doris Lessing gelesen, und das hat mich sehr berührt – dieser schmerzhafte Kampf, den die Hauptfigur führt, zwischen der Freiheit, die sie sich als Frau bewahren will, und dem Verlangen nach Männern und der emotionalen Abhängigkeit von ihnen. Das beschreibt für mich diesen Konflikt sehr genau. Ich glaube, dass Frauen anders lieben als Männer und darin sofort viel unfreier sind. Das widerspricht dann dem Bild, das man von sich als starke, selbstbestimmte Frau hat.
Gitti gerät für mich in diese Falle. Zum einen hat sie Angst, Chris zu verlieren, zum anderen folgt sie auch einer persönlichen Sehnsucht nach einer altmodischen Frauenrolle, die in ihr schlummert. Einem Wunsch nach Weichheit, Lieblichkeit, vielleicht sogar Fremdbestimmtheit. Dem gibt Gitti nach. Sie flüchtet sich in diese Rolle und merkt, wie viel sie an sich unterdrücken muss. Sie entfernt sich dabei weit von sich.
Quellen: Mit Material von Prokino