Die Gebührensau wird durchs Dorf getrieben

21.07.2009 - 13:21 Uhr
Aktuelle Kampagne der Gebühreneinzugszentrale (GEZ)
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Aktuelle Kampagne der Gebühreneinzugszentrale (GEZ)
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Das bewährte Sommerlochthema “Die Öffentlich-Rechtlichen und unsere Gebühren” wird mal wieder aus der Versenkung gezerrt. Ändern wird sich vermutlich auch diesmal nichts. Eine Bestandsaufnahme.

Am Wochenende hatte die Redaktion der Bildzeitung – es ist ja Sommerloch – nichts Neues zu Erzählen, und so regten sie sich ein bisschen darüber auf, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender gerade auch nichts Neues zu erzählen haben: “alter Kram”, “verstaubte Langeweile”, “Gammel-TV”, 1442 Minuten Wiederholung am vergangenen Wochenende, und für sowas zahlen wir Gebühren. Skandal! Ein Bundespolitiker aus der zweiten Reihe, der seinen Senf dazugab, war auch schnell gefunden. “In einer solchen Situation sollte auch der Gebührenzahler Sommerpause machen! Eine Alternative wäre, dass ARD und ZDF verstärkt Kultur- und Dokumentationssendungen ausstrahlen” zitiert die Bild Philip Mißfelder (CDU). Das fanden dann plötzlich auch alle anderen online-Medien und Agenturen ganz wichtig und einen halben Tag später bringt eine google-Suche nach “1442 Minuten”, “Wiederholungen” und “Gebühren” schon über 15.000 Treffer.

Eine Meldung im eigentlichen Sinne ist das natürlich nicht. Einmal entkleidet vom üblichen Boulevard- und Politikersprech bleibt nichts übrig, was wichtig oder auch nur ein neuer Gedanke wäre. Das Problem am öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist nicht, dass ARD und ZDF sechs bis acht Wochen lang wie alle anderen auch ihr Programm auf Sparflamme fahren, sondern dass sie auch den Rest des Jahres wenig bis gar nichts tun, sich von ihren privaten Mitbewerbern abzuheben.

Vor einem guten Dreivierteljahr erregte Marcel Reich-Ranicki Aufsehen mit seiner Ablehnung des deutschen Fernsehpreises:

Und gleichgültig, ob Reich-Ranicki ein sympathischer Zeigenosse ist, und ob es ausgerechnet ihm zustand, diese Kritik zu üben: Es war gut, dass einmal jemand aus der Runde der Alles-Gutfinder ausscherte und in die endorphingeschwängerte Luft die Frage rief, was der ganze Blödsinn eigentlich sollte. Umso alberner allerdings das Herumgeeiere in der einstündigen Diskussion “Aus aktuellem Anlass” eine Woche später, wo Thomas Gottschalk als Reich-Ranickis Gesprächspartner im Prinzip nur ein Argument im Angebot hatte: Ja natürlich, bei den Privaten, da sei irgendwie Hopfen und Malz verloren, da regiere nun mal die Quote, die Öffentlich-Rechtlichen hingegen würden doch ein schönes und anspruchsvolles Programm für alle machen. Und genau das ist einfach eine bodenlose Beschönigung der Tatsachen.

In einem Essay für die Bundeszentrale für politische Bildung schrieb der Medienjournalist Stefan Niggemeier in diesem Frühjahr: “Es ist nicht so, dass es den öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstaltern in Deutschland an Profil mangelte. Die ARD zum Beispiel ist der deutsche Seifenopern-Sender. Sie zeigt mehr Daily Soaps als jeder andere (…) Das ZDF ist auch der Kanal, in dem Verona Pooth und Dieter Bohlen regelmäßig Auskunft über ihre Leben geben (…) und mit ihren Freitags- und Sonntags-Fernsehfilmen dominieren sie die Süßstoffproduktion in Deutschland.” Und so sieht es nun einmal aus. Während in der öffentlichen Debatte und vor allem beim regelmäßigen Polit-Poker um die nächste Gebührenerhöhung Schlagworte wie “Bildungsauftrag” oder “Programmvielfalt” die Wichtigkeit der ersten bis dritten Programme beschwören sollen, zeigt ein Blick auf die öffentlich-rechtliche Realität, dass auch hier im wesentlichen der Quote nachgerannt wird. Als 2003 die erste Staffel von “Deutschland sucht den Superstar” auf RTL zu Ende ging, fiel dem ZDF nichts besseres ein, als eine Kopie mit Ralph Siegel zu produzieren. Noch Fragen?

Wenn die Privaten niveaulosen Schrott versenden, weil “der Zuschauer es nunmal so will”, könnten die Betroffenen das ärgerlich finden oder amüsant. In jedem Fall aber haben sie die Freiheit zu senden, was sie wollen, so lange sie Firmen finden, die das ganze durch Werbeschaltung finanzieren (oder genug Idioten, die nachts um halb drei mit einem Anruf zweitausend Euro gewinnen wollen). Rundfunkanstalten aber, die durch Pflichtabgaben finanziert werden und dies mit ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag begründen, müssen sich die Frage gefallen lassen, welchen Wert ihre Programme eigentlich über die Quote hinaus haben. Es kann nicht oft genug gefragt werden, was genau die Öffentlich-Rechtlichen eigentlich zur Fernsehlandschaft beizutragen haben, was die Privaten nicht leisten können. Es muss ja nicht zwangsläufig trockenes Bildungsfernsehen sein. Auch Formen von Unterhaltung, die mangels Massentauglichkeit im Privatfernsehen nicht stattfinden, hatten lange Zeit ihre Heimat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, wurden aber in den letzten Jahren immer rücksichtsloser gecancelt, wenn die Quoten nicht stimmten. Fragen danach gehen die Verantwortlichen bei ARD und ZDF in aller Regel aus dem Weg.

Statt mit Qualität und Inhalten zu punkten, wird gegen die Privaten gewettert und statt zu fragen, was die Aufgabe öffentlich-rechtlicher Medien im Online-Zeitalter sein könnte, weiten die Verantwortlichen einfach mal schnell die Gebührenpflicht auf internetfähige PCs aus. Schon seit über einem Jahr zahlen ehrliche Internetnutzer neben den Anschluss- und Trafficgebühren ihres Providers auch für die theoretische Möglichkeit, ein extrem verkrüppeltes öffentlich-rechtliches Programmangebot im Netz zu nutzen. Nur eine weitere Absurdität im schon von Haus aus reichlich bizarren Gebührensystem. Bekanntlich zahlen wir Gebühren in dem Moment, wo wir “ein Rundfunkgerät bereithalten”. Das bedeutet, auch wer einen alten rauschenden Schwarzweißfernseher ungenutzt im Keller stehen hat, ist zum Bezahlen der Gebühren verpflichtet.

Dass dies auch passiert, soll die berüchtigte Gebühreneinzugszentrale (GEZ) sicherstellen. Die aufwendigen Kampagnen, mit denen sie in Kinos, Zeitschriften, im Netz und an Bushaltestellen fragt, ob der Zuschauer denn “schon GEZahlt” habe, werden selbstverständlich ebenfalls letztlich aus den gesetzlichen Rundfunkgebühren bezahlt – von dem Geld, das irgendwann mal für Bildungsauftrag und Programmvielfalt bestimmt war. Ebenso die Gehälter der um die 1000 armen Schweine, die bundesweit von Tür zu Tür rennen, um Schwarzseher zu überführen. Laut Medienberichten (u. a. 2004 im Spiegel) arbeiten die Außendienstler der GEZ unter übelsten Bedingungen. Wie die meisten Haustür-Drücker werden sie nach Provision bezahlt, sind also auf möglichst viele Neuanmeldungen angewiesen. Da ist es fast verständlich, dass so mancher “Gebührenfahnder” dann und wann auch mal seine Kompetenzen überschreitet. Die enden eigentlich an der Haus- bzw. Wohnungstür. Es ist jedoch keine Seltenheit, dass Außendienstmitarbeiter sich unter fadenscheinigen Vorwänden Zutritt zur Wohnung beschaffen oder vollkommen haltlos mit der Polizei drohen.

Ihr deswegen recht angeschlagenes Image pflegt die GEZ auf ganz eigene Weise: Im August 2007 wurde die Beraterseite Akademie.de wegen der Wortwahl in einzelnen Artikeln kostenpflichtig abgemahnt. Die Betreiber der Seite sollten sich verpflichten, eine Liste von insgesamt dreißig Begriffen nicht mehr zu verwenden und stattdessen in korrektem GEZ-Deutsch zu formulieren. So sollten Gebühren, die von der GEZ eingezogen werden, nicht mehr “GEZ-Gebühren” heißen, sondern “gesetzliche Rundfunkgebühren” und ein Brief, der von der GEZ kommt, nicht mehr “GEZ-Brief” sondern “Informationsschreiben der GEZ und/oder Schreiben, mit dessen Hilfe der gesetzliche Auskunftsanspruch des § 4 Abs. 5 RGebStV geltend gemacht wird”.

Gesprächsbedarf rund um die öffentlich-rechtlichen Medien besteht also durchaus. Es wäre wünschenswert, dass dieses Thema übers Sommerloch hinaus seine Aufmerksamkeit behielte.

Was meint die Moviepilot-Community? Brauchen wir ein öffentlich-rechtliches Fernsehen? Und wenn ja, wozu?

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