Seit letzter Woche ist Christopher Nolans Kriegsfilm Dunkirk fürs Heimkino erhältlich. Die Versionen auf Blu-ray und Ultra HD Blu-ray warten mit einer Extra-Disc auf, die in fast zwei Stunden einen ausführlichen Blick hinter die Kulissen wirft. Neben Überlegungen zum Geist von Dunkirk und zu Nolans Absicht, das Überleben der Soldaten als Thriller à la Hitchcock zu zeigen, bei dem die Zuschauer alles aus erster Hand erleben, befassen sich die Extras vor allem mit den logistischen und technischen Aspekten, um diese Kombination umzusetzen. Denn auch bei Dunkirk blieb Nolan seiner Linie treu und setzte sich und seinen Mitarbeitern das Ziel, so viel wie möglich "in camera" zu drehen, also möglichst wenig im Nachhinein per Computer einzufügen. In beeindruckender Länge und Breite schildern und demonstrieren Nolan und andere Produktionsbeteiligte wie seine Frau und Produzentin Emma Thomas, Kameramann Hoyte Van Hoytema oder Szenenbildner Nathan Crowley, welcher Aufwand betrieben wurde, um den CGI-Einsatz auf ein Minimum zu beschränken.
Christopher Nolan ging es eigener Aussage zufolge beim Einsatz echter Flugzeuge und echter Schiffe in Dunkirk nicht um einen Realismus im Sinne historische Faktentreue bis zur letzten Schraube, die zudem durch computergenerierte Gefährte viel einfacher umzusetzen wäre. Stattdessen vermittle der Einsatz echter Kampfflugzeuge und Schlachtschiffe ein Gefühl der fassbaren Realität, wie es großflächiger CGI-Einsatz schlicht nicht bieten könne. So kamen zwar aus Gründen der Verfügbarkeit und Praktikabilität teils andere Flugzeug- und Schiffstypen zum Einsatz. Dadurch konnten aber Flugzeugszenen tatsächlich mit an die Flugzeuge geschraubter IMAX-Kamera in der Luft gedreht werden, Schiffsszenen auf dem wogenden Meer, wobei hier Kameramann Hoyte Van Hoytema die wegen ihrem leiseren Betrieb für Dialogszenen besser geeignete 65-mm-Kamera schulterte ("Little bit of physical pain ... nothing wrong with that!", so Van Hoytema über diese besondere Herausforderung.)
Wie der Film aufgeteilt in Land, Luft und See, führen die Featurettes von Dunkirk aber nicht nur zu großen, sondern auch zu kleinen Aha-Momenten. So sehen wir einerseits "echte" Bombenexplosionen am Strand, die auf jeden Fall so echt für die Darsteller wirkten, dass sie ihre Reaktionen kaum vortäuschen mussten. Zusätzlich zu den verängstigten Hauptdarstellern und zahlreichen Statisten gibt es im Hintergrund aber auch jede Menge nichtmenschliche Soldaten. Diese stammen aber nicht etwa aus dem PC, sondern sind wortwörtliche Pappkameraden, in Lebensgröße ausgedruckte und nachbearbeitete Fotos, die auf Maschendraht aufgeklebt wurden.
In Sachen Luftkampf erlebt der Zuschauer, dass Szenen wie jene, in der Tom Hardy von Außen im Cockpit zu sehen ist, wie er auf der anderen Seite ein Flugzeug vorbeifliegen sieht, tatsächlich so in der Luft gedreht wurden, oder dass auch über Mark Rylance' Boot echte Flugzeuge donnerten, was zu entsprechend beeindruckten Reaktionen der Darsteller der Bootsbesatzung führte. Wir erfahren auch, dass zwar nicht alle Cockpitszenen mit Tom Hardy im Flug gedreht werden konnten, die anderen aber nicht etwa im Studio entstanden, sondern in einem auf einer Klippe über dem Ozean postierten Nachbau (dem echten Licht wegen), der unter anderem von Nolan selbst per Muskelkraft in die nötigen Bewegungen versetzt wurde.
Überhaupt zeigen zahllose Bewegtbilder und Fotos den Regisseur immer mittendrin im Geschehen, sei es im Neoprenanzug im Meer oder in einem Flugzeug, um die Luftkampfszenen tatsächlich in der Luft zu planen. Wurde mal nicht auf dem Meer vor Dunkirk gedreht, dann auf einem vermeintlich ruhigeren Binnensee, der sich aber als noch viel tosender entpuppte, oder in einem Studio-Wassertank, der Nolan und Co. nach den vorangegangenen Strapazen dann schon fast zu nett erschien. Hier kam statt einem von mehreren kompletten Schiffen wie in den Szenen in freier Natur ein Mehrzweck-Nachbau in kleinerem Maßstab zum Einsatz, der aus einer Perspektive wie ein Schiffstyp, aus einer anderen wie ein anderer aussah. Filmeditor Lee Smith schildert dann auch die Herausforderung, die nicht nicht nur zu Lande, zu Wasser und in der Luft, sondern auch an unterschiedlichen Drehorten entstandenen Aufnahmen zu einem nahtlosen Ganzen zusammenzufügen.
Das ist aber nur ein kleiner Teil dessen, was die Extras über die Produktion von Dunkirk erzählen. Sie lassen ebenso einige Veteranen zu Wort kommen wie Besitzer der "Little Ships", die für die Nachstellung der damaligen Rettungsaktion zum Einsatz kamen, dazu Darsteller wie Kenneth Branagh, Harry Styles oder Fionn Whitehead. Die Featurettes klären über die Bedeutung von Christopher Nolans Uhr für den Soundtrack auf, demonstrieren die Widerstandsfähigkeit einer IMAX-Kamera, geben einen Einblick in die Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion einer Landungsbrücke und einiges mehr. Was leider nicht gezeigt wird, ist, an welchen Stellen dann doch auf Computerhilfe zurückgegriffen wurde, und was dies zum Gesamteindruck beiträgt. Abgesehen davon gilt aber: Wen Dunkirk ohnehin schon gepackt hat, der dürfte ihn nach dem Konsum der Blu-ray-Extras noch einmal mit ganz anderen Augen sehen.
Was haltet ihr von dem Aufwand, den Christopher Nolan für Dunkirk getrieben hat?