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Enter the Void, im wahrsten Sinne!

11.11.2017 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Enter the Void
Capelight
Enter the Void
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Dieser Artikel ist ein Community-Beitrag, der im Rahmen unseres Schreibwettbewerbs Mein liebster Kinomoment entstanden ist.

Mein liebster Kinomoment ist auch gleichzeitig mein kuriosester Kinomoment.

Ich sag es gleich dass die Geschichte nicht ganz Jugendfrei ist aber ich versuche es Familientauglich zu beschreiben.

Es ist das Jahr 2009 und Regisseur Gaspar Noé hat sein neusten Geniestreich Enter the Void in die Kinos gebracht oder zumindest wollten wenigstens ein paar vereinzelte Lichtspielhäuser seinen Extended Cut zeigen und eines davon war glücklicherweise das „Berger Kino“ in der gleichnamigen Berger Straße in Frankfurt. Da ich absoluter Fan von Noé´s vorherigen Werken bin konnte ich mir das nicht entgehen lassen.

Der Wermutstropfen war aber das er nur unter der Woche um ca. 22:00 lief was bei einem 3 Stunden Film nicht ganz Arbeitnehmerfreundlich ist, da ich auch noch eine längere An/Abreise habe.

Egal, sag ich mir, sowas sieht man nur 1x in seinem Leben auf der großen Leinwand und darum nehme ich den Stress und Augenringe gern in Kauf. Mein guter Freund hat Gott sei Dank auch einen an der Klatsche was Filme angeht und willigt ein mitzufahren.

Das Berger Kino ist klein und gemütlich, die Innenausstattung ist schon etwas verlebt und alles mit rotem Samt ausgekleidet was ein leichtes Varieté Feeling aufkommen lässt.

1998 war ich schon einmal hier und habe nur gute Erinnerungen an den Laden, da ich Fear and Loathing in Las Vegas, einen meiner Lieblingsfilme, hier erleben durfte. (anscheinend unterbewusst mein Kino für Drogenfilmer aller Art)

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Der Kinosaal umfasst etwa 150 Sitze und war etwa mit 40-50 Leuten besetzt. Wir setzten uns in die Mitte der vorletzten Reihe und warteten gespannt dass es losgeht.

Wer Enter the Void nicht kennt sollte wissen das es ein 3 stündiger Drogenrausch über eine Nachtoderfahrung mit jeder Menge grafischem Sex, in psychedelisch knalligen Neonfarben, ohne viel Dialog, mit einer Kamera die ständig in Bewegung ist und über Tokio kreist. Kurz: Es ist ein wunderschöner aber anstrengender Film der Aufmerksamkeit verlangt.

https://38.media.tumblr.com/c0c42e991ef14c84d943ea5e1023cbee/tumblr_mtjn93NPXF1qdwtfyo1_500.gif

Wir hatten einen langen Tag und es schon war schon nach Mitternacht als die Augenlieder langsam schwerer wurden, da ging hinter uns die Saaltür auf und durch das grelle Licht erkannte ich ein offenkundig betrunkenes Pärchen was sich brabbelnd herein schaukelte.

Ich drehte mich nochmal um als die zwei sich in die Ecker der letzten Reihe hinter uns bugsierten.

Völlig Wertfrei muss ich sagen, das man sofort erkannte dass sie eine Prostituierte war und der Typ bei ihr war der Max Mustermann der Zuhälter, also nenn ich ihn ab jetzt Lutz Ludemann.

Stämmiger Typ mit Bomberjacke, Glatze, faltiger Stiernacken und fettem Silber Ohrring, ein wandelndes Ludenklischee.

Nach ein paar Minuten hörte das Getuschel auf und die zwei aßen genüsslich eine Wassermelone … … ... dachte ich zumindest erst, es hörte sich auf jeden Fall so an. Da bekommt das Wort Kopfkino gleich mehrere Bedeutungen.

Kurze Zeit später fängt die ganze Sitzreihe auf einmal rhythmisch an zu Wackeln, immer im selben Takt, ich schaute nur meinen Kumpel und wir mussten laut loslachen, schüttelten den Kopf, dabei immer im selben Takt wippend, währen natürlich auf der Leinwand auch nur gepoppt wurde und nackte Leiber miteinander verschmolzen. Einfach schräg das ganze Szenario irgendwie. Aber hey zumindest hat uns das wieder wach gemacht!

Gut für uns, besser für die arme Bordsteinschwalbe und peinlich für Lutz Ludemann war das Ganze in wenigen Minuten schon wieder vorbei, die zwei zogen sich wieder an und trabten raus. Bin mir nicht mal sicher ob das noch jemand im Saal mitbekommen hatte da wir ganz hinten am nächsten dran saßen und alle anderen gut verteilt, fast wie im Kleingarten Verein, ordnungsgemäß und mit reichlich persönlichen Abstand zum nächsten Sitznachbarn.


Mein liebster Kinomoment kommt aber noch! Das hier war eher eine Art Kontrastmittel zu dem was danach passierte.

Der Film lief dann noch eine gute Stunde, ich war wieder fit, der Geist wieder aufnahmefähig und bin hellauf begeistert was ich da auf der Leinwand erleben durfte. Ein optischer Augenschmaus par excellence und ein wahrer Meisterstreich.

Doch dann als der Abspann lief und das Licht anging, stand keiner auf, es waren bestimmt noch 30 Menschen im Kino verteilt und der erste dreht sich herum und fragt:

„Na wie hat er euch gefallen?“ und es entsteht eine Unterhaltung im ganzen Raum, über alle Sitzreihen hinweg über das gerade gesehene.

Ich war völlig perplex und freudig überrascht da ich sowas aus den großen Cinemaxplexen die man sonst besucht einfach nicht kenne. So war es spät, wir waren müde aber die Konversation über das gerade gesehene war so erfrischend schön und befriedigend das ich das gerammel von davor völlig vergessen hatte, es kam auch nie auf von jemand anderem im Saal.

Diese Unterhaltung von und mit Kinobegeisterten die sich auch so spät noch unter der Woche in dem kleinen Etablissement versammelt haben um ihrer Leidenschaft zu frönen war so großartig und Herz erwärmend das es mich nie wieder losgelassen hat. Der Schmuddel-Vorfall hätte auch locker das ganze Erlebnis an dem Abend ruinieren können oder zumindest einen faden Beigeschmack hinterlassen können aber so war ich am Ende unter gleichgesinnten die es zu einem Erlebnis mit schönem Ende gemacht haben, meinem liebsten Kinomoment.

Lutz Ludemann haben wir beim raus gehen direkt vorm Eingang dann aber wieder gesehen, an einen Einsatzfahrzeug der Polizei gelehnt von 3 Polizisten umringt. Waren wohl also doch nicht die einzigen die es mitbekommen haben.

P.S: Mein witzigster Kinomoment war in „The Hills have Eyes 2“ als 2 Mädels sich im Saal geirrt haben und bei der Mutantenvergewaltigung am Anfang panisch raus rennen wollten und vor der geschlossenen Notausgangtür geschrien haben: „Wir wollen raus, lasst uns raus!“ , hat perfekt gepasst zu dem gezeigten auf der Leinwand und der Saal hat gebebt vor Lachen.


***

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Sponsoren. Hier erfährst du alles zum Prozedere des Schreibwettbewerbs und den Preisen. Eine Übersicht aller Texte des Schreibwettbewerbs findest du hier.

Denk daran: Stimme ab für Deutschlands Lieblingskino 2017!

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