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Liebe auf den ersten Blick

11.11.2017 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Warner Bros.
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Dieser Artikel ist ein Community-Beitrag, der im Rahmen unseres Schreibwettbewerbs Mein liebster Kinomoment entstanden ist.

Es ist ein verschneiter Nachmittag. Die wenigen Sonnenstrahlen umspielen verzückt die weichen Schneeflocken, welche tänzerisch gen Boden schreiten. Ein schöner Moment. Ich atme ein. Es fühlt sich alles so richtig an. Ich erspähe mein Ziel. Das Kino.

Wie immer bin ich etwas zu früh dran. Ich stand da, atmete den Moment und ahnte nicht, dass bald eine Verstrickung winziger Zufälle mein Leben verändern würde. So geschah es, dass von der nahegelegenen Straße Sirenengeheul ertönte… Instinktiv drehe ich mich schnell um. Ich drehe mich zu schnell um. Die Schneeflocken, die eben noch auf meiner Nase spielten, bringen mich mit vereinten Kräften zu Fall. Mist.

Da erhebt sich hinter mir ein kleines süßes Lachen. Ich stehe schnell auf und sehe eine Gestalt auf mich zukommen… Es ist eine Frau so wunderschön wie ein Sonnenaufgang in der Toskana. Sie schaut mich lächelnd an. Mein Kopf zerbricht schier vor Impulsen. „Warum kommt sie gerade jetzt? Soll ich wegrennen? Ob ich einfach so tun kann, als wäre nichts passiert?“… BOOM. Alle Gedanken vereinen sich zu einer Art Supernova und verwandeln mein Gehirn in ein graues Etwas aus Nichts. Sie spricht mich an. Keine Ahnung, was sie sagt. Keine Ahnung, wer ich bin. Ich blicke in ihre grün-braunen Augen und versinke darin…

Scheinbar gefangen in einer Odyssee durch die Tiefen ihrer Iris bin ich dazu verdammt, als kognitives Toastbrot ewig hier zu verweilen. Dann endlich regen sich meine Neuronen…ich kehre langsam zurück in diese Welt und erwidere ihre Worte. Ein Gespräch entsteht und ich fange an, die Idee „Liebe auf den ersten Blick“ nicht mehr abzulehnen. Wir unterhalten uns angeregt für ein paar Minuten. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Mist. Ich muss los, die Trailer. Ich biete der hübschen Frau an, mich zu begleiten. Sie verneint, da sie noch auf Leute wartet. Eine Spur von Enttäuschung spiegelt sich in ihren atemberaubenden Augen.

Ich eile hinein, suche meinen Platz und das Licht verdunkelt sich. „Puh …noch geschafft“ denke ich. „Schön… Die lädst du definitiv mal zum Essen ein. Am besten ruf… … Shit!!! HANDYNUMMER!!!“ … … ... Ich blicke wehmütig zur Tür…Was ein scheiß Tag.

Doch der Faden der zufälligen Verstrickungen ist noch nicht gerissen. Die hübsche Frau betritt mit einer Gruppe den Kinosaal. Meine Synapsen entzünden ein Feuerwerk, welches ein beeindruckendes Crescendo erfährt, als sie sich neben mich setzt. Ich richte einen kurzen Blick gen Himmel und murmle „Respekt“ in den undefinierten Raum. „Was ein Zufall“ wende ich mich an die hübsche Frau. Sie lächelt. Nun heißt es Ruhe bewahren, cool bleiben. Der Vorspann beginnt…

Plötzlich bewegt sich eine Hand. Fingerspitzen berühren sich sanft. Umschmeichelnde winzige Bewegungen sorgen für ein leichtes Kribbeln im Bauchraum und werden erwidert. In Zeitlupe wird die Berührung intensiviert. Im Schneckengang wandert eine Hand von den Fingern, über den Arm zur Schulter und endet schließlich auf der Wange. Unablässig bemüht, durch zärtliches Tangieren das Bauchraumkribbeln zu verstärken. Eine verführerische Berührung... Blickkontakt… Ewigkeiten vergehen. Dann beißt sich die hübsche Frau kaum merklich auf die Lippe. Das ist das Zeichen! In perfekter Synchronität verringert man die Distanz mit wachsender Vorfreude. Lippen treffen sich, Zungenspitzen berühren sich sanft und beginnen ihren feuchten Tanz. Diese simple Berührung löst einen gigantischen Sturm aus. Der Synapsenfasching wird in jeder einzelnen Nervenzelle zelebriert. Die Leidenschaft, die beide Körper immer mehr durchströmt, sorgt dafür, dass sich die stärker frequentierte Atmung ab und an in ein kaum hörbares Stöhnen verwandelt.

Ich bin in höchster Form erregt. Antonio Banderas hat mich mit seiner Präsenz in einen solch festen Bann gezogen, dass nur mein rechter Augenwickel peripher registriert, wie sich die hübsche Frau und ihr anderer Nachbar immer weiter ineinander verschrauben… Dank Pedro Almodóvar wurde ich in eine verstörende Welt entführt, aus der ich erst langsam erwache, als der Saal schon fast leer ist.

In Gedanken versunken schlendere ich aus dem Kino und diskutiere mit mir die eben gesehen Bilder, während ich mir meine Zigarette danach anzünde, meinen Mantel zuziehe und den Rauch in den kalten Abendhimmel blase. Nach einem langen Spaziergang kehre ich gemach zurück in die Haut, in der ich wohne, und werde von dem Teil meines Gehirns, das periphere Eindrücke speichert, an die hübsche Frau erinnert und über die Geschehnisse um sie informiert. Fragen schieben sich in mein Aufmerksamkeitsfeld. „Habe ich meine große Liebe ziehen lassen? Was ist passiert, dass ich mich nicht gerade mit ihr durch die Bettlacken wühle?

Noch bevor mein Gehirn diese Fragen ausformuliert, habe ich sie mir schon beantwortet. Ich habe meine große Liebe nicht ziehen lassen, ich war 2 Stunden mit ungeteilter Aufmerksamkeit bei ihr. Ich hatte gerade verdammt guten mentalen Sex mit diesem spanischen Schatz. In diesem Moment habe ich etwas erstmalig wirklich verstanden. Ich bin keiner, der mal ins Kino geht, um die Zeit zu vertreiben. Ich bin nicht im Kino, weil ich Filme mag. Ich mag Filme nicht, ich liebe sie. Und das Kino ist unser Ehebett. Hier kann ich ungeteilte Zeit mit meiner Liebe verbringen. Hier kann ich ohne Ablenkung zuhören und versuchen zu verstehen, was sie mir sagen will. Ich will hier nicht rumknutschen oder mit anderen reden, hier will ich einfach nur … sein. Aus meiner Romanze mit Filmen wurde an diesem Tag eine ernstzunehmende Beziehung. Das ist nicht nur Liebe auf den ersten Blick… Jeder Blick ist pure Liebe.

***

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Sponsoren. Hier erfährst du alles zum Prozedere des Schreibwettbewerbs und den Preisen. Eine Übersicht aller Texte des Schreibwettbewerbs findest du hier.

Denk daran: Stimme ab für Deutschlands Lieblingskino 2017!

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