Ein jüdisches Filmfestival in Berlin entbehrt keinster Notwendigkeit. In den ehrwürdigen Berliner Arsenal-Kinos am Potsdamer Platz sowie im Filmmuseum Potsdam sind die neusten Streifen jüdischer Filmemacher zu besichtigen. Alle Menschen sind dazu eingeladen, unabhängig von Herkunft, Persönlichkeit und Religion. Einen Orientierungspunkt zu dieser Prämisse gab am 25. April der Eröffnungsfilm Das verrückte Liebesleben des Simon Eskenazy von Jean-Jacques Zilbermann, eine verzwickte Komödie über einen berühmten homosexuellen Klezmer-Musiker, der in einem One-Night-Stand mit einem muslimischen Transvestiten zusammengerät, was zu allerhand heiklen Dingen führt.
Millionen für Sozialarbeiter, nichts mehr für den jüdischen Film?
Jüdische Klezmermusik erfreut sich hierzulande schon seit langer Zeit großer Beliebtheit. Das Jewish Film Festival in Berlin ist landesweit jedoch das einzige seiner Art. Es musste in diesem Jahr sogar eine Lösung für einen gestrichenen Förderbetrag aus dem Hauptstadtkulturfond finden, dem die Förderung der jüdischen Filmkultur wahrscheinlich weniger wichtig ist als Berliner Sozialprojekte. Die 6-stellige Summe wurde durch private Fördergelder ausgeglichen. Laudator Alfred Biolek würdigte in der Eröffnungsrede die Förderer.
Filmkunst einer Lebenswelt
Das Festival stellt über das Medium Film dar, was modernes Judentum bedeutet, so die Festivalveranstalter. Das Festival versteht sich seit seiner Gründung 1995 als internationales Forum für den jüdischen Film. Die interessantesten Beiträge jüdischer Filmemacher sollen jedes Jahr nach Berlin geholt werden und zeigen, wie das Judentum aus aller Welt sich versteht und nach Außen präsentiert. Die Zuschauer erfahren, wie Juden in allen Ländern leben, was sie verbindet und was sie trennt und wie sich ihr heutiges Selbstverständis gestaltet. Die Filme laufen fast immer unsynchronisiert mit englischen oder deutschen Untertiteln.
Ist doch alles meschugge
Viele der 23 auf dem Festival präsentierten Filme haben eines gemeinsam: den speziellen jüdischen Witz und Humor. Der stellt alle Tragik dieser Welt doch immer wieder auf den Kopf. Der Eröffnungsfilm Das verrückte Liebesleben des Simon Eskenazy von (Jean-Jacques Zilbermann) kommt als jüdischer Ein Käfig voller Narren daher mit seiner ultrakomischen, politisch schier unmöglichen Kombination. Weitere Filmhöhepunkte in diesem Jahr sind: Five Hours from Paris von Leon Prudovsky, eine Liebeserklärung an den Beruf des Taxifahrers. Der Film Room and a Half von Andrej Khrzhanowski verknüpft Animationsfilm mit realer Erzählweise zu einer Biografie des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Josef Brodsky. Die russische Stadt St. Petersburg erfährt in diesem Film eine selten poetische und freundliche Darstellung und Alisa Freyndlikh, bekannt aus Andrei Tarkowski s Stalker ist hier zu sehen, was noch seltener ist. Room and a half und Five Hours from Paris wurden bereits beim International Jewish Filmfestival in Haifa ausgezeichnet. Beide Filme sollen den Beginn einer engen Zusammenarbeit beider Festivals markieren.
Zu dem total witzigen Eröffnungsfilm gab es leider nur einen Trailer auf Französisch zu finden. Bestimmt gibt er aber dennoch einen ersten Einblick in den Film:
Dafür gibt es aber einen englischen Trailer zu Five Hours from Paris, und zwar hier:
Den Trailer zu “Room and a Half” gibt es hier:
Neben allem Spaß und allem Ernst ist eines wichtig: die Filme müssen von einem nicht-jüdischen Publikum verstanden werden. Und das tun sie. Noch bis zum 6. Mai gibt es auf dem 16. Jüdischen Filmfestival Berlin rund zwei Dutzend Filme zu sehen, darunter zwölf Deutschlandpremieren und zwei Uraufführungen. Zur Internetpräsenz des Festival geht es hier.
Und umfangreiche Infos zu aktuellen Berliner Filmfestivals findest du hier.