Tatort - Machtlos in einem 90-minütigen Verhör

06.01.2013 - 21:45 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Tatort - Machtlos
RBB/ARD
Tatort - Machtlos
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Der neue Tatort aus Berlin könnte die Fangemeinde spalten. Die einen werden wegdösen oder -schalten, andere die realistische Ausführung in den Himmel heben. Ein gelungenes Experiment war Tatort – Machtlos meiner Meinung nach nicht, ein sehenswertes wenigstens teilweise.

So risikoreich wie in Tatort: Machtlos zeigt sich das Berliner Tatort -Team selten. Ritter (Dominic Raacke) gibt sich geradezu zölibatär und selbst die Seitenhiebe gegen Stark (Boris Aljinovic) treten in den Hintergrund. Betont sachlich und extrem professionell geht ihr Entführungsfall vonstatten, der für private Sperenzchen keine Zeit lässt. In ausgedehnten Verhörszenen kämpfen sie um das Leben des kleinen Benjamin. Dass die Spannung unter der ausladenden Redundanz erstickt, fällt weniger stark ins Gewicht als der plumpe Finanzkrisenkommentar, der immer wieder zum Vorschein kommt.

Lokalkolorit: Der übliche Berlin-Tatort verliert sich gern in der rudimentären Skyline der Hauptstadt oder schweift von einer Touristen-Attraktion zur nächsten. Ganz anders fällt Tatort – Machtlos aus, der im Grunde in jeder beliebigen Stadt gedreht werden könnte. Zwar spielt sich eine entscheidende Sequenz am Alexanderplatz ab. Das Gros der Laufzeit fristen wir in nichtssagenden Räumen, versinken im Grau (Verhör) oder Schwarz (Lagebesprechung). Aber das war es dann schon.

Plot: Benjamin Steiner wird aus der Wohnung des praktischerweise in einem schalldichten Raum herumliegenden Musiklehrers entführt. Tage vergehen, bis sich der Täter meldet. Der verschenkt nach der Geldübergabe am Alex die Scheinchen an Bedürftige und lässt sich widerstandslos festnehmen. Sein Name: Uwe Braun (Edgar Selge), sein Motiv: unklar. Ausführliche Untersuchungen und endlose Befragungen enthüllen, dass Benjamins Vater, ein Bänker, ihn vor Jahren mit in den Ruin getrieben hat. Werden Ritter und Stark Braun dazu bringen, das Versteck des Jungen zu verraten, bevor dieser verdurstet?

Unterhaltung: Aber natürlich. Genau hier liegt eine der Falltüren dieses Krimis verborgen, aber dazu später mehr. Tatort – Machtlos wird seinem Titel in so gut wie jeder Hinsicht gerecht. Das erste Drittel spielt sich größtenteils in der Villa der Steiners ab, und besteht vor allem aus einem: Warten. Das zermürbende Gefühl, einem Fremden ausgeliefert zu sein, setzt sich dann in den Verhören mit Braun fort. Immer wieder stellen Ritter und Stark dieselben Fragen, immer wieder hagelt es ähnliche Antworten. So zerknittert wie Braun und die Ermittler fühlt sich bald auch der Zuschauer. Als Brauns Anwalt sowie sein Sohn (Jakob Walser, auch im realen Leben Selges Sprössling) auf der Bildfläche erscheinen, kommt Leben in die triste Bude. Die meiste Zeit aber ist es einzig Selges Mimik, sein zweifelnder oder verbohrter Blick, die kleinen, kaum merklichen Regungen, die das leidenschaftslos Äußere des Krimis durchbricht.

Tiefgang: Die Berliner bleiben gebannt von der Finanzkrise. Dabei fügen Brauns Niedergang zu Händen gieriger Bänker sowie seine kapitalismuskritischen Tiraden dem Thema nichts hinzu, was nicht schon im Berliner Tatort: Alles hat seinen Preis gesagt wurde. Dass Braun, der Gute, der zu den falschen Mitteln greift, früher oder später einknickt, steht mit Auftreten seines Anwalts außer Frage. Der verpasst ihm schließlich einen charakterlichen (Ent-)Führerschein. Zuviel Information zerstört allerdings das Mysterium. Was bleibt an diesem Tatort aus Berlin? Einige gut gespielte Einzelszenen, zwei angestrengt zurückhaltende Kommissare und eine diffuse Moral von Reichen, die auch ihren Teil beitragen müssen. Oder sowas in der Art.

Mord des Sonntags: Hätten wir hier nicht Schauspieler vom Format Edgar Tauber, äh, Selge und Lena Stolze, wäre bei diesem Tatort um ein Haar die Lebenszeit brutal draufgegangen.

Zitat des Sonntags: “Es ist erstaunlich, wie oft sie die selben Fragen stellen können.”

Für mich war Tatort – Machtlos ein im Großen und Ganzen gescheitertes Experiment. Wie hat er euch gefallen?

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