Wie die Cineteca Nacional in Mexiko Kinomomente perfektioniert

22.10.2017 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Inglourious Basterds
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Der schönste Kinomoment kann der erste Kinobesuch sein, oder ein Kuss im Kino. Jeder von uns hat eine besondere Erinnerung an ein Kinoerlebnis. Meine ist die Cineteca Nacional.

Im Rahmen der Aktion Deutschlands Lieblingskino 2017 veranstalten wir einen Schreibwettbewerb, bei dem wir euren liebsten Kinomoment suchen. Wie ihr dabei mitmachen könnt und was es zu gewinnen gibt, lest ihr hier.

Dabei werden nicht nur die Community, sondern auch Teile des moviepilot-Teams ihren liebsten Kinomoment beschreiben.

Für mich gibt es nicht den einen Kinomoment. Es ist die Cineteca Nacional an sich, die meine Liebe zum Kino entfacht hat und für eine prägende Kinozeit in meinem Leben steht. Die Cineteca Nacional hat ihre eigene Aura (so esoterisch es auch klingen mag), die ich bisher in keinem anderen Kino gefühlt habe, sie wurde zu einem meiner Lieblingsorte in Mexiko-Stadt. Dann und wann schaue ich noch immer, was dort im Programm läuft. Vor allem nach diesem Text habe ich wieder Sehnsucht nach Mexiko, Kino und salzigem Popcorn.

Mein Auslandssemester

Die Cineteca Nacional ist ein altehrwürdiges Kino in der Delegación (Stadtbezirk) Coyoacán im Süden von Mexiko-Stadt. Sie hat heute zehn Säle und eine Freilichtleinwand. Sie wurde 1974 eröffnet und ist bis heute eine Institution in der mexikanischen Kinolandschaft. Gegründet um nationale Filme zu bewahren, besitzt das Kino heute über 13.000 Filme aus aller Welt mit einem Schwerpunkt auf mexikanische Filme.

Während meines Auslandssemesters in Mexiko-Stadt war ich fast wöchentlich im Kino. Nicht nur in der Cineteca Nacional, sondern auch in kommerziellen Kinos wie Cinépolis oder Cinemexx. Dennoch waren mir die Säle in der Cineteca Nacional die liebsten. Filme wie Blue Velvet, Welt am Draht, The Neon Demon oder Friedhof der Könige habe ich dort gesehen. Die Cineteca Nacional symbolisiert für mich die perfekte Symbiose zwischen Arthaus, Klassikern und (mittel)großen Hollywood-Produktionen.

Das Viertel Coyoacán zählt zu den schönsten der Stadt und das Kino wurde zu meinem zweiten Zuhause, auch weil der Eintritt so günstig war. 2,50€ bezahlte ich als Student für den Eintritt, egal wie lange der Film war. So kam es, dass ich mir die 325 Minuten lange Fassung von Nymphomaniac I & II angeschaut habe. Es gab Retrospektiven von Regisseuren und einen wöchentlichen Zyklus, in dem Klassiker des Kinos auf großer Leinwand liefen - und das in einem Saal mit 750 Sitzplätzen. Die Cineteca hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Filme im Kino zu sehen. Erst letztens hatte ich ein Gespräch mit meinem Mitbewohner über den Unterschied: Filme im Kino oder daheim. Das Kino gewinnt fast immer. Mad Max: Fury Road etwa ist so ein Film, bei dem ich froh bin, ihn im Kino gesehen zu haben. Ich habe ihn mir noch einmal auf Blu-ray angeschaut, doch die Bilder entfalteten für mich nur auf der großen Leinwand ihre volle Wirkungskraft.

Der Ort an dem Geschichten erzählt werden

Die Cineteca ist ein Ort der Zusammenkunft, des Dialogs mit und über das Kino. Schon meine Mutter schaute in den 1980ern Filme in diesen Sälen, was meiner Beziehung zu dem Kino sofort eine persönliche Komponente beifügte.

Sherlock Jr.


Die Cineteca Nacional ist architektonisch wunderschön. Zwischen dem alten und dem neuen Gebäude ist ein kleiner Platz, der von einem von Dreiecken durchzogenen Aluminiumdach geschützt wird. Der Platz lädt zum Verweilen ein und repräsentiert für mich eine Stätte des Sehen und Gesehenwerdens. Es ist für mich ein Ort, an dem ich Leute beobachten und mir Geschichten zu den Personen ausdenken kann.

Mexiko lehrte mich, dass Film mehr ist als Unterhaltung. Er ist auch eine Kunstform. Doch dafür braucht es einen Rahmen, wie bei allen Künsten. Und das Kino gibt dem Film diesen Rahmen. Film ist mehr als Celluloid, welches durch Licht auf eine Leinwand geworfen wird. Es ist viel mehr. Der Film ist eine Welt, die zwar nicht die unsrige ist, die aber dennoch einen eigenen Realitätscharakter aufweist. Und die Dunkelheit des Kinosaals hilft uns dabei, in Filmen zu versinken. So pathetisch es auch klingen mag, für mich ist das Kino ein heiliger Ort. Vielleicht macht diese Metapher tatsächlich Sinn. Das Kino ist ein Unterhaltungstempel, in dem während der "Messe" eine andächtige Stille herrscht, die nicht von einem Mobiltelefon unterbrochen werden darf. Es gibt ein Gemeinschaftsgefühl, doch der Fokus des Individuums ist nach vorne gerichtet, auf die Leinwand. Natürlich ist das nicht bei jedem Film möglich, doch im Idealfall sollte es genau so sein. Die Cineteca Nacional in Mexiko perfektioniert und feiert solche heiligen Kinomomente.

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