ARD schaltet WM-Kampf für miesen Actionfilm ab

02.11.2013 - 08:33 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
ARD schaltet WM-Kampf ab für Hollywood Streifen
Kinowelt/moviepilot
ARD schaltet WM-Kampf ab für Hollywood Streifen
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Heute zeigen wir Solidarität mit den Sportfans, denn was die ARD ihnen zumutete, könnte ebenso gut uns Cineasten treffen. Die Rede ist von einem Übertragungsabbruch eines Live-Events. Aus der langen Nacht des Boxens wurde die Nacht der langen Gesichter.

Eigentlich reagiere ich auf jegliche Sportmeldungen mit einem Schuterzucken, das unmissverständlich ausdrückt “Lass mich in Ruhe damit”. Sport und Film können vielleicht manche gleichermaßen begeistern, mein Herz schlägt jedoch nur für eines der beiden. Als mir aber zu Ohren kam, was sich die ARD (mal wieder) zu Schulden kommen ließ, da überkam mich nicht nur Mitleid mit den Sportfans in Deutschland, die letztes Wochenende von der Nacht von Samstag auf Sonntag wach geblieben sind, um einem für sie wichtigen Sportevent beizuwohnen. Eine Million Boxfans verfolgten die WM-Titelkampfübertragung, die aber mitten im Gefecht abgewürgt wurde, um mit einem zweitklassigen Actionfilm – ganz nach Programm – weiter zu fahren.

Allein der Gedanke, dass während meiner geliebten Oscarnacht (oder bei einem ähnlichen Event wie der weltweit und live übertragenen Doctor Who Celebration) plötzlich der Stecker gezogen wird und stattdessen eine alte, zweitklassige Sportübertragung aufgetischt wird, bringt mein Puls auf 180. In solchen Momenten sind Sport- und Filmfans Brüder im Geiste und vereint durch den Frust. Ein Aufreger der Woche über einen peinlichen Vorfall, der so nur den Öffentlich-Rechtlichen passieren konnte.

Nacht der langen Gesichter
Die ARD warb bereits seit Wochen für ihre lange Nacht des Boxens. Erst sollte ein Boxkampf aus Oldenburg übertragen werden, wo Ex-Weltmeister Arthur Abraham und der Supermittelgewichtler Giovanni de Carolis aufeinandertrafen. Danach war die Umschaltung nach Atlantic City (USA) geplant, zum WM-Kampf der International Boxing Federation. Die amerikanische Legende Bernard Hopkins (der älteste Weltmeister in der Geschichte des Boxens) verteidigte dort seinen Titel im Halbschwergewicht gegen den 18 Jahre jüngeren Karo Murat aus dem Berliner Sauerland Boxteam. (via) Entsprechend groß war das Interesse aus Deutschland. Ungefähr eine Million Zuschauer schalteten ein, um zu sehen, ob Murat den Titelverteidiger auf die Bretter schickt.

Das Sportevent der ARD schien also der erwartete Erfolg zu werden, auch an Spannung fehlte es nicht. Außenseiter Murat setzte Abraham fünf Runden lang zu – bis in der sechsten Runde wenige Minuten nach vier Uhr die Lichter für alle ARD-Zuschauer ausgingen. Ohne jegliche Vorwarnung oder Kommentar wurde der Boxkampf aus- und eine Warnung “Diese Sendung ist für Zuschauer unter 18 Jahren nicht geeignet” eingeblendet, was sich natürlich nicht auf den Kampf, sondern den darauf folgenden Actionfilm bezog. Die Boxfans erwartete statt der zweiten Hälfte ihres Sportevents nun Cannonball, ein zweiklassiges B-Actionmovie mit David Carradine, nicht zu verwechseln mit dem herrlichen Nonsens auf vier Rädern Auf dem Highway ist die Hölle los mit Burt Reynolds.

Gehorsamer ARD-Verantwortlicher ohne Herz für Sportfans
Gemäß einer Mitarbeiterin aus der ARD-Zentrale war die Abschaltung das Werk des Verantwortlichen, der in der Boxnacht Dienst hatte. Er hatte einerseits die Anweisung, um 4 Uhr den Actionfilm zu senden, gleichzeitig wurde ihm aber aus den USA mitgeteilt, dass der Boxkampf in Atlantic City mit erheblicher Verspätung beginnen würde. Eine schwierige Entscheidung musste getroffen werden. Einer Million Zuschauern den Hahn abdrehen, zu Gunsten eines Film, der bereits einprogrammiert wurde, aber kaum jemand sehen sollte – oder den voreingestellten Ablauf abändern, den Boxkampf somit weitersenden, sich aber Anweisungen widersetzen? Am Ende gewann der Gehorsam die Oberhand und David Carradine wurde auf die ARD-Zuschauer losgelassen.

Die ARD hatte ein Dutzend Mitarbeiter bestehend aus Moderatoren, Reportern, Kameraleuten, Technikern etc. für fünf Tage nach Altantic City geflogen, um das Sportevent zu übertragen. Auf Kosten der Gebührenzahler, versteht sich. Am Ende sollten aber keine sechs volle Runden ihren Weg nach Deutschland finden. Man kann sich somit vorstellen, dass am Sonntagmorgen auch die ARD-Chefetage “not amused” gewesen sein durfte ob diesem neuesten Fettnäpfchen.

Immerhin, die Boxfans konnten am Sonntagnachmittag in der MDR-Mediathek den Kampf nachholen (eine Wiederholung eines Live-Events, dessen Ergebnis man längst im Radio gespoilert bekommen hatte. Großartig…) und die ARD entschuldigte sich mit den Worten: “Den ungeplanten Abbruch der Übertragung bedauern wir sehr und entschuldigen uns dafür bei unseren Zuschauern. Soweit es sich bis zum jetzigen Zeitpunkt recherchieren lässt, waren Probleme in der Kommunikation die Ursache.”

Glorreiche Zukunft
Es würde mich nicht wundern, wenn sich der Verantwortliche mit der Aktion für eine Beförderung empfohlen hätte. Die Uhren in den öffentlich-rechtlichen Anstalten ticken bekanntlich anders. Vielleicht sind die Gremien und Betriebsräte genau nach solchen vielversprechenden Kandidaten auf der Suche? Sollte ähnliches bei kommenden Veranstaltungen auftreten (etwa Fußballmeisterschaften), wissen wir Bescheid. Und auch aus welcher Richtung die Shitstorm-Tsunami anrollen wird.

Sollte es nach diesem “Missgeschick” mit der Fernsehkarriere doch nicht klappen, darf sich der ARD-Verantworltiche zumindest auf eine glorreiche Karriere in der Bundeswehr freuen. Nach zahlreichen Klagen über Missstände vonseiten aufmüpfiger Soldaten ist die Bundeswehr mehr denn je auf disziplinierten Nachwuchs angewiesen. Soldaten, die wissen, wie man das Maul hält und Befehle befolgen. Wegtreten!

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