Die privilegierte Ahnungslosigkeit der Stars

05.10.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Matt Damon und Kollegen
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Matt Damon und Kollegen
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Innerhalb von wenigen Wochen hat sich Matt Damon zwei Mal äußerst zweifelhaft zur Diversität in Hollywood geäußert: Einmal erklärte er einer schwarzen Produzentin, wie Diversität im Film zu verankern wäre (nämlich maximal im Schauspiel), dann wiederum implizierte er, es wäre besser, wenn sich seine homosexuellen KollegInnen nicht outen würden. Dabei ist er nicht zwingend homophob oder rassistisch. Vielmehr ist er sich seiner eigenen Privilegien überhaupt nicht bewusst und repliziert unbedacht, was Hollywood ihm seit Jahrzehnten vorlebt.

Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber Team America hat es mir ein bisschen versaut mit Matt Damon. Denn immer wenn ich seinen Namen lese oder höre, muss ich an das hier denken:

Dabei habe ich mich immer gefragt, warum man in diesem Film Damon als ein bisschen dämlich darstellt. Immerhin hat er sich die letzten Jahre zu einem der Key-Player heraufgearbeitet und ist quasi nicht mehr wegzudenken. Kurzum, es kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass Damon in Hollywood zur Schauspieler-Elite  gehört. Und mit ein bisschen Glück kann er nächstes Jahr vielleicht sogar einen weiteren Oscar für seine Darstellung in Der Marsianer - Rettet Mark Watney abstauben, die, so unter uns, wirklich hervorragend ist.

Inzwischen habe ich aber eine Ahnung, warum er in Team America so dargestellt wurde. Nicht, dass Damon dumm wäre. Aber er ist sich seiner eigenen, hochgradig privilegierten Situation nicht so ganz bewusst und hat dadurch keinerlei Ahnung oder Gespür für seine Umgebung und die Existenzkämpfe derer, die nicht reich, weiß, männlich, hetero und gebildet sind. Aber beginnen wir von vorn:

Matt Damon und sein Bro Ben Affleck haben eine gemeinsame Show namens Project Greenlight. Es ist eine Casting Show für Newcomer-Regisseure, die, wenn sie gewinnen, ihren ersten Langfilm produzieren dürfen. Dieses Jahr wäre das eine Komödie namens "Not Another Pretty Woman".

Die Juroren bestehen aus Affleck, Damon, den Farrelly-Brüdern und diversen anderen Executives. Eine davon ist Effie Brown. Brown ist eine erfolgreiche Filmproduzentin (Dear White People) und innerhalb des komplett weißen Juroren-Panels die einzige schwarze Frau. Sie ist quasi ihre eigene Diversity-Quote. Und sie hatte eine wichtige Anmerkung zur die Auswahl des Gewinner-Regisseurs und des zur Debatte stehenden Drehbuchs. Denn die einzige nicht-weiße Frau, die in diesem Drehbuch vorkommt, ist Harmony, eine Prostituierte, die von ihrem Zuhälter geschlagen wird.

Browns Einwand ist nicht einmal der, dass es eigenartig ist, dass es a) nur eine schwarze Frau gibt, die b) eine Prostituierte spielt, die c) geschlagen wird und das d) in einer Komödie. Ihr Einwand ist, dass man bei der Wahl des Gewinners auch darauf achten sollte, dass diese/r auch jemand ist, der/die eine Sensibilität für das Diversitätsproblem des Drehbuchs hat. Also jemand, dem klar ist, wie eigenartig und schwierig die Figur Harmony ist und dass sie als einziger nicht-weißer Charakter im ganzen Film eine Prostituierte ist, die geschlagen wird. Eigentlich logisch, oder? Es wäre schon besser, wenn der Regisseur das Feingefühl und Bewusstsein für das hat, was er da dreht. Man würde ja Michael Bay jetzt auch nicht Schindlers Liste drehen lassen.

Matt Damon sieht das allerdings anders. Genauer gesagt sieht er es genau so, wie die Filmindustrie, in der er arbeitet und deren höchst konservativen Ideen er unbedacht repliziert. Denn für ihn funktionieren sie ja sehr gut. Damon ist es daher völlig egal, wer der Regisseur ist, der den Film macht - Hauptsache der/die Beste gewinnt. Nun würde ich behaupten, dass zu diesem "Besten" eben auch gehört, dass man sich als Filmemacher den sozialen, gesellschaftlichen und politischen Implikationen seines Filmes bewusst ist. Sprich, dass man ein Gespür für Diversity hat und auch seine eigenen Erfahrungen mit einbringt. Oder wenigstens Menschen im Team hat, die sich auskennen. So wie Kip S. Thorne bei Interstellar beratend zur Verfügung stand, weil Christopher Nolan eben nicht so viel Ahnung vom Weltraum hat und man mit seiner Hilfe klar stellen wollte, dass Matt Damon auf seinem Planeten möglichst realistisch rumhüpft.

Für Damon ist Diversität aber kein so relevantes Thema, dass er Expertentum oder gar nur eine Sensibilität für das Thema innerhalb der Crew für wichtig hält. Diversität ist für ihn erst relevant, wenn es um die Auswahl der SchauspielerInnen geht. Sprich, es reicht, wenn man aufpasst, dass die Figur der schwarzen, geschlagenen Prostituierten auch schwarz ist. Und das muss man schon als einen Sieg werten, den z.B. Transgender-Charaktere, so manche homosexuelle Figuren oder andere ethnische Minoritäten noch nicht komplett errungen haben.

Das Ergebnis solchen Denkens sieht man im Kino recht oft. Es hat sogar einen Namen: Token Black Guy  (Der Quoten-Schwarze).

So gesehen macht Effie Browns pure Anwesenheit sie quasi zur Token Black Woman.

Das Problem an dieser Sache ist, dass eine schwarze (homosexuelle, transgender, behinderte etc.) Figur in einem Film noch lange keine Diversität ist. Per Definition dieses Wortes geht es nämlich um die Abbildung der V i e l f a l t unserer Gesellschaft. Das heißt eben, dass man nicht nur einen Token irgendwo reinschreibt  und somit etwas abbildet, sondern dass man Menschen vieler Art teilhaben lässt. Dazu müssen sie erstmal grundsätzlich an allen Stellen des filmischen Prozesses die Chance haben überhaupt anwesend zu sein. Das ist in Hollywood aber ganz und gar nicht der Fall. Diversität ernst nehmen bedeutet, dass Vielfalt in jedem Schritt mitgedacht und nicht als Ausnahme betrachtet wird. Zum Beispiel indem man nicht automatisch Figuren mit weißen SchauspielerInnen besetzt. Es bedeutet eben, wie Brown anmerkt, zu hinterfragen, wie man so eine Figur, wie diese, die hier zur Debatte steht, so eine Szene und überhaupt den gesamten Film mit einem Bewusstsein für Vielfalt produzieren kann.

Damon hat dieses Bewusstsein nicht, sonst wäre ihm auch aufgefallen, wie unglaublich unangemessen es ist, einer schwarzen Frau, die tagtäglich mit ihrem Recht auf Präsenz, Repräsentanz und Anerkennung zu kämpfen hat, mal eben zu erklären, wie das mit Diversität zu funktionieren hat. Denn er tut nichts anderes, als das zu replizieren, was die Gesellschaft und die Filmindustrie auch tut: Ihr dürft doch jetzt schon im Film eine kleine Nebenrolle als Hure haben, was wollt ihr denn noch mehr? Ja, was zur Hölle, jetzt darf Effie Brown doch schon in seinem Panel sitzen, was macht die jetzt den Mund auf und will noch mehr?

Mehr noch, Damon bemerkt auch nicht, dass er den Augenblick hätte nutzen können, um ein Stück weit eine Lanze zu brechen für ein neues, inklusiveres Denken in Hollywood, in dem Diversität nicht bedeutet, hier und da mal eine Minorität in die Masse zu streuen. Er hätte seine Privilegien nutzen, ja sogar ein bisschen teilen können...

Aber das ist noch lange nicht alles...

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