Die Star Wars-Filme brauchen dringend eine Pause

08.02.2018 - 09:15 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Bereit für mehr Abenteuer: Star Wars
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Bereit für mehr Abenteuer: Star Wars
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Die eine Star Wars-Trilogie ist noch nicht beendet, da kündigt Disney gleich eine Star Wars-Reihe der Game of Thrones-Macher David Benioff und D.B. Weiss an.

Über vier Milliarden Dollar kostete Disney der Kauf von Lucasfilm, und in den letzten Tagen haben wir die bisher penetrantesten Versuche erlebt, die Investition für das Maus-Haus rentabel zu gestalten. Montagnacht erschien der erste Trailer für Solo: A Star Wars Story und damit der Marketing-Startschuss für den nächsten Star Wars-Film, obwohl Star Wars 8: Die letzten Jedi noch in den Kinos läuft. Einen Tag später legte Lucasfilm mit der Bekanntgabe einer neuen Filmreihe der beiden Game of Thrones-Showrunner David Benioff und D.B. Weiss nach und versprach im selben Atemzug "ein paar" neue Star Wars-Serien für den geplanten Streaming-Dienst von Disney. Penetrant und profitabel waren die jährlichen Star Wars-Filme seit Episode 7 natürlich ebenso. Doch die Art und Weise, wie die Problem-Produktion Han Solo ins Kino geprügelt wird, sowie die Ankündigungswut neuer Star Wars-Reihen ohne begleitende Konzepte erreichen eine neue Ebene. Zunächst mag die Strategie der gezielten Beinahe-Sättigung eines unersättlichen Publikums an die Marvel-Filme erinnern, die ebenfalls unter dem Disney-Banner entstehen. Nehme ich die porgförmige Brille ab, liegen - und das ist kein leichtfertiger Vergleich, glaubt mir - die Gepflogenheiten bei Warner und DC näher.

Zunächst einmal sei klargestellt, dass sich Beschwerden über zu viele Star Wars-Filme aus den Fingerspitzen einer Filmredakteurin fadenscheinig anhören dürften. Star Wars ist Traffic-Brot-und-Butter (bzw. Mettbrötchen), wie es nur selten auftaucht. Ausgehend von den Zahlen - und da liegt moviepilot, abgesehen von ein paar Milliarden Dollar Umsatz, Lucasfilm gar nicht so fern - kann es nicht genug Star Wars geben. Kinobetreibern, die sich Disneys rigiden Vorgaben beugen, dürfte es ähnlich gehen. Star Wars ist gut fürs Geschäft - nicht nur von Disney. Aber ist das Geschäft auch gut für Star Wars?

Zwei Filmreihen, Spin-offs, Serien und vieles mehr

Halten wir fest, was da kommen möge: Weniger als ein halbes Jahr nach Star Wars 8: Die letzten Jedi startet Solo: A Star Wars Story im Mai 2018. Dann folgt eine Pause (immerhin) bis zum Start von Star Wars 9 im Dezember 2019. David Benioff und D.B. Weiss werden im selben Jahr die Arbeit an Game of Thrones beenden und laut der Meldung von vorgestern mit ihrer Star Wars-Filmreihe anfangen, über die es kaum Informationen gibt. Beide sollen als Autoren und Produzenten die inhaltliche Richtung vorgeben, über die Regie ist noch nichts bekannt. Diese Filmreihe ist aber nicht zu verwechseln mit jener von Die letzten Jedi-Regisseur Rian Johnson, die im November letzten Jahres angekündigt wurde (übrigens ebenfalls fast zeitgleich mit einer Live-Action-Serie). Johnson wird das Trilogie-Schema des Franchise fortsetzen, bei der neuen Reihe die Skywalker-Saga aller Voraussicht nach hinter sich lassen. Davon unabhängig sind weiterhin Spin-offs über Obi-Wan Kenobi sowie - weniger konkret - Yoda und Boba Fett im Gespräch, die allerdings nicht offiziell terminiert wurden.

Diese Ankündigungen erfolgten in einer der turbulentesten Phasen von Lucasfilms Star Wars-Erneuerung. Vergangenes Jahr wurden die ursprünglichen Regisseure des Han Solo-Films gefeuert und durch Ron Howard ersetzt. Außerdem wurde Colin Trevorrow als Regisseur von Episode 9 durch J.J. Abrams ersetzt. Die letzten Jedi konnte finanziell zwar die Milliarden-Grenze überschreiten und gilt allgemein als großer Erfolg, pendelt sich aber mit seinen 1,3 Milliarden Dollar Einspiel näher am Spin-off Rogue One: A Star Wars Story ein, als es Disney lieb sein dürfte. Schuld daran ist unter anderem China. Im zweitgrößten Filmmarkt der Welt verliert die Reihe von Teil zu Teil an Boden.

Das unschlagbare finanzielle Argument für den Star Wars-Overkill

Ende Dezember wurde vermeldet, dass die neuen Star Wars-Filme den Kaufpreis von Lucasfilm bereits eingespielt haben, was auf dem Papier stimmt. Die 4 Milliarden Dollar wurden überschritten. Diese Milliarden gehen indes nicht alle an Disney. Rentabel ist der Kauf hinsichtlich seiner Kino-Auswertung noch nicht, auch weil das Update der anderen großen Lucasfilm-Marke, Indiana Jones, sich weiter hinzieht. Solang kein Brody: An Indiana Jones Story oder Ravenwood: Origins angekündigt wird, liegen die 4 Milliarden und natürlich alle darüber hinaus zu erzielenden Profite auf den Schultern der Star Wars-Filme und -Serien. Hier findet sich der größte Unterschied zu den vorangegangen Einkaufstouren bei Pixar und Marvel. Beide Disney-Töchter beinhalten und produzieren eine Vielzahl an Marken. Lucasfilm ist zur Zeit gleichbedeutend mit Star Wars.

Bei Mashable  wird nun angemahnt, Lucasfilm solle doch zu seinen Wurzeln zurückkehren und Neues schaffen, eine Forderung, die in der gegenwärtigen US-Kinolandschaft dem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Tatsächlich eröffnet dieser Hinweis die Frage nach Selbstverständnis und Erbe der Firma nach der Ära George Lucas. Beschränkt sich Lucasfilm ähnlich wie Eon Productions (James Bond) auf die Verwaltung einer Marke und wird dementsprechend alle sechs Jahre dem schwankenden Interesse unterworfen sein, Reboots inklusive? Oder entwickelt sie sich zurück zur Produktionsstätte, die tief in der bestehenden Popkultur verankerte Marken wie Star Wars oder Indiana Jones kreiert?

Meine Besorgnis um die Zukunft eines Unternehmens wie Lucasfilm hält sich in Grenzen. Zuallererst schreibt hier die Zuschauerin, die durch Rian Johnsons Star Wars 8 eine neue Leidenschaft für die Reihe entwickelt hat, wie sie seit dem Kinobesuch bei Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung nicht mehr zu spüren war. Aus dieser Perspektive ist die Star Wars-Übersättigung schon mit der Aussicht auf den Han Solo-Film erreicht, der so kurz nach der letzten Episode erscheint. Auch weil die Spin-offs auf denselben Figuren und Ereignissen herumreiten, die uns seit den 70er Jahren begleiten. Kaum ist Han Solo gestorben, wird er wieder ins Kino geschleift. Das genervte Grummeln von Harrison Ford müssen wir uns bei dem Sternenabenteuer wohl dazudenken. Wir können froh sein, dass noch kein Film über Luke Skywalkers Kinderstreiche auf Tatooine angekündigt wurde.

Was ist Star Wars ohne das Warten auf Star Wars?

Nun ist die Aussicht auf Dekaden jährlicher Star Wars-Filme nicht neu, wir stecken mittendrin. Im Grunde erleben wir gerade die Light-Version der Marvel Cinematic Universe-Strategie. Ein Blick auf die MCU-Zahlen zeigt, dass die Zuschauer zwei bis drei Filme pro Jahr annehmen, wenn nicht gar sehnsüchtig verschlingen. Des Teufels Advokat würde entgegenhalten, dass die Maximierung des Star Wars-Outputs sogar den pulpigen Ursprüngen der Reihe entgegenkommt. Doch der Kult um Star Wars hätte sich wohl schwerlich entfaltet, hätte George Lucas die Filme Jahr für Jahr bis in die frühen 90er Jahre gedreht. Bei aller Planung für 9 Teile, bevor der erste überhaupt gedreht wurde, führte Lucas' Arbeitsansatz letztlich zu Drei-Jahres-Pausen innerhalb der ersten Trilogie. 19 Jahre später wurde dies bei den Prequels beibehalten.

Die Fan-Kultur um Star Wars wurde bis vor ein paar Jahren nicht mit Online-Petitionen assoziiert, sondern vor allem auch kostümierten Schlangen. Schlangen von Zuschauern, die auf Einlass in Krieg der Sterne warteten, die Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung oder Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger sehen wollten. Das Warten gehörte zum Übergangsritus in die weit, weit entfernte Galaxie, es speiste die Vorfreude und suggerierte ein Abenteuer, wie es nirgendwo anders zu erleben sein würde. Es unterschied Star Wars von anderen Franchises des frühen und späteren Blockbuster-Zeitalters, etwa der Superman-Reihe oder den Batman-Filmen. Die wurden bis zur Unkenntlichkeit ausgewalzt, bevor die Reboot-Schleife einsetzte.

Zur Zeit überwiegen die Witze, Hinz und Kunz erhielten ihren eigenen Star Wars-Film, was sicher auch an der Art der Bekanntgabe lag, die uns erst einmal das Personal in den Rachen schmeißt und nicht mit einer nachvollziehbaren Strategie nach Episode 9 den Appetit weckt. Das ähnelt weniger einer Marvelisierung von Star Wars als den reflexhaften Marktreaktionen aus der Warner/DC-Ecke. Die eineinhalbjährige Pause zwischen Solo und Episode 9 kann also nicht früh genug kommen, nur bezweifle ich, dass sie lang genug sein wird, um wieder diese alte Sehnsucht nach den gelben Buchstaben auf Sternengrund zu wecken. Die Furcht um ein Sternenepos, bei dem David Benioff und D.B. Weiss nicht auf eine Romanvorlage zurückgreifen können, zersetzt schon jetzt meine Hoffnungen für ihren Beitrag zum Star Wars-Universum. Aber das ist Stoff für einen anderen Artikel ...

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