Money Monster oder warum George Clooney niemals tanzen sollte

13.05.2016 - 09:45 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
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In Cannes wurde Money Monster, der neue Film von Jodie Foster mit George Clooney und Julia Roberts vorgestellt, ein kurzweiliges Thriller-Drama, das seinen eigenen kritischen Ansprüchen nicht gerecht wird.

Ich habe George Clooney tanzen sehen und damit brannten sich die ersten Bilder mit George Clooney in meine Erinnerung, die ich sofort wieder löschen möchte. In ihrer neuen Regiearbeit Money Monster unterzieht uns Jodie Foster gleich zu Beginn einem Härtetest der Fremdscham, wenn sie Clooneys Moderator Lee Gates irgendwelche undefinierbaren Hip-Hop-artigen Zuckungen vollziehen lässt, um seine Zuschauer zu Kauf oder Verkauf von Aktien zu animieren. Clooney, der auch an seinen besten Tagen einen Gang hinlegt, als würden seine Gelenke durch eine holländische Mühle aus dem 17. Jahrhundert angetrieben[1], geht wie immer mit einem ausgesprochenen schauspielerischen Gaudi ans Werk. Er verkauft diesen Lee Gates mit derartigem Enthusiasmus, dass ich Clooney ohne Weiteres Aktien von IBIS im Wert von 60.000 Dollar abkaufen würde. Um den kleinen Mann, der vom großen bösen Raubkapitalisten hinters Licht geführt wird, geht es nämlich in Money Monster, der beim Festival Cannes guten Grundes außer Konkurrenz läuft. Wenn allerdings eine Figur mit so viel Nachdruck der Erbärmlichkeit preisgeben wird - der Schnitt zur nächsten Szene auf dem Klo ist eine echte "Erleichterung" - dann verheißt das wenig Gutes, weder für einen "Medien-" noch einen "Finanzthriller".

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Irgendwo dazwischen pendelt sich schließlich das Drehbuch von Jamie Linden, Alan DiFiore und Jim Kouf ein. Money Monster heißt die Sendung von George Clooneys Lee Gates und wer noch nie gesehen hat, wie Jim Cramer in seiner Sendung Mad Money ausgerastet ist, wird das TV-Monster für überzogen halten. Mit hochrotem Kopf schrie Cramer auf die Kamera ein, damit Zuschauer im ganzen Land die Deals des Jahrhunderts aus der Luft griffen. Als die Immobilienblase in den USA platzte und die Finanzkrise 2007/2008 einleitete, wurden Leute wie Cramer mit verantwortlich gemacht. Genau hier setzt das fiktive Szenario von Money Monster an. Lastwagenfahrer Kyle Budwell (Jack O'Connell) schleicht sich ins Studio von FNN (nicht CNN, nicht FOX, FNN!), im Gepäck eine Waffe und eine Bombendrohung. Mitten in der Live-Sendung droht Kyle Moderator Lee mit dem Tod, falls die Übertragung unterbrochen wird. Sein Ziel: Er will eine Erklärung, warum ihm nach einem Investment-Tipp für eine Anlage der Firma IBIS seine gesamten Ersparnisse verloren gingen - ein Tipp von Lee. Im Kontrollraum führt Patty Fenn (Julia Roberts) die Inszenierung souverän weiter. Schon bald sieht die ganze Welt dem Spektakel zu, während die Polizei, wie in jedem Film mit Verhandlungssache in einer Mad City, die Stürmung plant.

Das Kabelfernsehen gilt gemeinhin als Geißel des amerikanischen Journalismus. 24-Stunden-Sender wie CNN, MSNBC oder FOX News sind schließlich per definitionem gezwungen, ihre ganztägige Sendezeit irgendwie zu füllen. Das führt dann dazu, dass ein Wolf Blitzer stunden- und tagelang Computeranimationen zum Verschwinden des Malaysia Airlines-Flugs MH370 dirigiert, wobei Fakten in diesem pausenlosen Zyklus der Berichterstattung sehr schnell von Spekulationen verdrängt werden. Die Quoten verlangen es. Jim Cramer ist eine Ausgeburt des Kabelfernsehens und viele Beobachter führen die Popularität des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump darauf zurück, dass diese Sender unverhältnismäßig lang an seinen massentauglichen Lippen hängen (Clooney äußerst selbstgewiss in der Pressekonferenz: "There's not gonna be a president Trump."). Lee Gates soll nun auch so ein TV-Fritze sein, narzisstisch, privat vereinsamt und ohne Bewusstsein für die menschlichen Konsequenzen seiner "Show". Zu den gelungeneren Aspekten von Money Monster zählt deswegen das Spiel mit der Inszenierung innerhalb der Inszenierung. Kyle mag mit seiner Knarre die Aufmerksamkeit im Studio auf sich ziehen, die Profis hinter der Kamera improvisieren jedoch schnell und reißen die Gewalt über das zu sehende und damit die zu sendende "Geschichte" jedoch schnell wieder an sich. Wenn ein Schatten auf dem Gesicht des Geiselnehmers liegt, dann muss er eben einen halben Meter weiter links stehen.

In die Medienkritik mischen sich mit Walt Camby (Dominic West) ein paar Pikser gegen die mangelnde Moral im Finanzsektor, in dem sich auf Kosten Tausender anonymer Anleger blindlings bereichert wird. Was sicherlich ein löbliches Anliegen ist. Jack O'Connell steht der "kleine Mann" ja im Gesicht geschrieben. Trotz der durchaus unerwarteten Demontage seiner Figur lässt einen seine ehrliche Wut mit Kyles Anliegen sympathisieren. Im Vergleich zu Money Monster lernt man jedoch Adam McKays oscarprämierten The Big Short schätzen. Stehen beide Filme doch dem selben Rätsel gegenüber: Wie ein System aufschlüsseln, das seine eigene Komplexität und damit Undurchschaubarkeit derart in seiner Außendarstellung forciert? Anders gesagt: Wie das Finanztransaktionsgeschwafel erklären, das sowieso niemanden interessiert, weil es niemanden interessieren soll? Die Michael Lewis-Adption The Big Short trat die Flucht nach vorn an und gab sich als unterhaltsamer Explainer in Spielfilmlänge. In Money Monster hingegen werden alle erzählerischen Waffen gestreckt, sobald sich eine systemische Perspektive aufdrängt. Dann wartet mit Wests IBIS-Chef Camby ein zunehmend eindimensionaler Sündenbock, ein menschlicher Glitch im System. Man müsse endlich Fragen stellen, wird in Money Monster immer wieder gefordert, aber dem Film fehlen Mut und Wille zu antworten.

Als Finanzkrimi wirkt Money Monster mit seiner einfachen, weil personell festzunagelnden Lösung schon vor dem Kinostart überholt. Zwischen den vielen widersprüchlichen, lehrreichen oder aufgebrachten Auseinandersetzungen mit der Finanzkrise, etwa Company Men, Inside Job, Der große Crash - Margin Call, 99 Homes - Stadt ohne Gewissen oder The Big Short, hat Money Monster nichts zu suchen. Als Medienkritik oder gar -satire fehlt dem Cannes-Beitrag von Jodie Foster hingegen die Konsequenz eines Mad City, Network oder Wag the Dog. Die reale Absurdität des 24-Stunden-Nachrichten-Fernsehens lässt sich schließlich schwerlich toppen. Wenn die Hollywood-Darlings George Clooney und Julia Roberts die Medienmenschen spielen, werden Dissonanzen zudem bereits im Casting-Prozess ausgemerzt. Im Drehbuch von Money Monster wird anfänglich genau auf diese hingewirkt, wenn bewusst gängige Momenten des Pathos gebrochen werden. Je weiter sich Money Monster allerdings von seinem Studio entfernt, desto generischer gerät das Geschehen. Immerhin: George Clooney tanzt nicht noch einmal.

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[1] Zu seiner Entschuldigung: irgendwas mit Sportverletzung[1.2].

[1.2] Ich weiß zu viel über Fernsehärzte.

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