Paul Verhoeven - Der große Hollywood-Provokateur

18.07.2018 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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Durch sämtliche Genres hat sich Paul Verhoeven schon bewegt, um dabei stets ordentlich Staub aufzuwirbeln. Zu seinem 80. Geburtstag blicken wir auf die Karriere des großen Hollywood-Provokateurs zurück.

In einem Interview von 2016 mit Indie Wire  gab Paul Verhoeven 10 Tipps, wie Filmemacher im Geschäft auch außerhalb von Hollywood bestehen können. Die Ratschläge könnten kaum typischer für den Karriereweg des niederländischen Regisseurs sein. Laut Verhoeven soll ein Filmemacher beispielsweise niemals den gleichen Film noch einmal drehen, für das Publikum immer Fragen offen lassen, sich selbst nicht zu ernst nehmen und sexuelles Verhalten ergründen. Verhoevens 10. und letzter Tipp kann schließlich als ultimativer Ratschlag und zugleich Zugang zum künstlerischen Schaffen des Niederländers gedeutet werden: Begib dich auf die dunkle Seite. Heute feiert Paul Verhoeven seinen 80. Geburtstag, was wir als Anlass nehmen wollen, um auf die Karriere eines Filmemachers zurückzublicken, der die dunkle Seite in seinen Werken nie gescheut hat.

Der unbekanntere Karrierebeginn von Paul Verhoeven

Bereits in den letzten Jahren seines Mathematik- und Physik-Studiums an der Universität Leiden nahm Paul Verhoeven zusätzlich an Kursen der niederländischen Filmakademie teil. Anschließend drehte er erste Kurzfilme und Dokumentationen, die ihn in seinem Vorhaben bestätigten, eine Karriere als Filmregisseur einzuschlagen. In mehrfacher Zusammenarbeit mit dem deutschen Kameramann Jost Vacano drehte Verhoeven ab den 1970er-Jahren seine ersten Spielfilme, die im Gegensatz zu den späteren Werken wohl nur seinen großen Fans bekannt sind.

In Filmen wie Türkische Früchte, Das Mädchen Keetje Tippel oder Spetters - knallhart und romantisch widmete sich Paul Verhoeven schon in der Frühphase seiner Karriere jenen Themen, die sich wie ein roter Faden durch sein nachfolgendes Schaffen ziehen sollten. Stets geht es dem Regisseur darin um die Verbindung von Sexualität und Körperlichkeit sowie ein Abhängigkeitsverhältnis, das meist bis zum körperlichen Missbrauch führt. Dabei zeigte sich Verhoeven schon früh als wagemutiger, kompromissloser Provokateur, der schwierigen Themen und Bildern niemals aus dem Weg ging, sondern sie in Form von Freizügigkeit oder Anstößigkeit in den Kontext der für ihn wichtigen Geschichte einbettete.

Paul Verhoevens Gang nach Hollywood

Da ihm in seinem Heimatland aufgrund seiner Filme zunehmend eine Welle der entrüsteten Ablehnung entgegenschlug, beschloss Paul Verhoeven zu Beginn der 1980er-Jahre, nach Los Angeles zu ziehen und seine Karriere in Hollywood fortzusetzen. Hier drehte er Filme wie das dreckige Mittelalter-Abenteuer Fleisch & Blut, das der Regisseur mit deutlich höherem Budget inszenieren konnte, ohne seinen markanten Stil spürbar vernachlässigen zu müssen. Ab 1987 folgte schließlich die Phase in Verhoevens Karriere, in der bis zum neuen Millennium seine populärsten Filme entstanden sind, welche regelmäßig ausgiebige Diskussionen auslösten.

Die Meilensteine in der Karriere von Paul Verhoeven

Mit RoboCop und Die totale Erinnerung - Total Recall schuf Paul Verhoeven 1987 und 1990 zwei Science-Fiction-Filme, die sich ebenso brachial wie hintersinnig mit Themen wie der zunehmenden Technisierung staatlicher Institutionen, massiver Polizeigewalt und dem wahnhaften Realitätsverlust aufgrund von zwanghafter medialer Berieselung auseinandersetzen. Gezielt arbeitete Verhoeven hierbei mit den Strukturen simpler B-Movies und setzte auf herbe Gewaltspitzen, die bisweilen Splatter-Niveau erreichten, um das Publikum auf subversive Art mit dem zu bombardieren, was der Regisseur gleichzeitig scharf kritisiert.

Nicht minder aufregend gestaltet sich Paul Verhoevens Karriere in Hinblick auf den in vielerlei Hinsicht schweißtreibenden Erotikthriller Basic Instinct und die grelle Showgeschäft-Satire Showgirls. Während Basic Instinct den Beinüberschlag von Sharon Stone als ikonisches Bild im popkulturellen Bewusstsein verankerte und sich generell als kühn inszenierter Triumph erwies, der mit stereotypischen Rollenbildern jonglierte und eine streng voyeuristische, männliche Perspektive vorführte, wurde Showgirls als wesentlich problematischer aufgefasst. Eine erneute Dekonstruktion des oberflächlichen, chauvinistischen Blickwinkels auf das glitzernde Showgeschäft wollten oder konnten viele Zuschauer zwischen all den entblößten Brüsten, verschwitzten Körpern und erotischen Tanzeinlagen nicht mehr erkennen.

Der Rückzug von Paul Verhoeven aus Hollywood

Showgirls machte Paul Verhoeven in den Augen zahlreicher Zuschauer und Kritiker zum Gespött und bescherte ihm ganze 6 Goldene Himbeeren bei der Preisverleihung für die schlechtesten Filme des Jahres. Verhoeven zeigte sich sportlich und kam tatsächlich persönlich zur Verleihung, um die Negativ-Auszeichnungen entgegenzunehmen. Trotzdem ließ ihn dieses gewaltige Echo des Spotts alles andere als unberührt. Im Jahr 1997 begab sich der Regisseur noch einmal in das Science-Fiction-Genre zurück und inszenierte mit Starship Troopers einen Film, der wie von Verhoeven nicht anders gewohnt einen äußerst schmalen Grat zwischen Kritik und Glorifizierung beschreitet.

Anfangs überwiegend als plumpe Propaganda aufgefasst, die Methoden des US-Militärs verherrlicht, kam Starship Troopers erst nach Jahren der Status eines zunächst falsch aufgefassten Geniestreichs zu. Auch wenn Verhoeven ganz bewusst auf eine faschistische Ästhetik im Stile von Leni Riefenstahl verweist, will der Regisseur den gnadenlosen Science-Fiction-Actionfilm vielmehr als Kritik an einem totalitären System verstanden wissen. Indem Verhoeven sein Anliegen abermals in eine täuschende Oberfläche aus plumper Unterhaltung hüllte, behauptete er sich weiterhin als Filmemacher innerhalb Hollywoods, der das System längst von innen heraus infiltriert und gegen sich selbst gewendet hat. Nach seinem darauffolgenden Science-Fiction-Thriller Hollow Man, der erneut größtenteils negativ aufgenommen wurde, kehrte Verhoeven dem amerikanischen Filmsystem jedoch endgültig den Rücken zu und begab sich in seine Heimat zurück.

Die Durststrecke von Paul Verhoeven bis zum großen Comeback

Zurück in den Niederlanden drehte Paul Verhoeven den Weltkriegsspionage-Thriller Black Book und das Experiment Tricked - Macht. Sex. Lügen., welches ursprünglich nur aus einem vierseitigen Drehbuch bestand und von Online-Nutzern mit eigenen Ideen erweitert wurde. Beides Filme, die zumindest seine Fans mehr oder weniger zufriedenstellten, auch wenn eine Art Comeback des Regisseurs als großer Wunsch weiterhin im Raum stand. Spätestens 2016 bewies Verhoeven allerdings, dass mit ihm auch im höheren Alter noch zwingend zu rechnen ist.

Die französisch-deutsche Koproduktion Elle mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle zeigte den Regisseur in Höchstform. In der Geschichte einer Frau, die als Opfer einer Vergewaltigung moralische Erwartungshaltungen vollkommen durchkreuzt, indem sie ihr eigenes Schicksal mit offensiver, irritierender Lust dazu nutzt, um aus der typischen Opferrolle auszubrechen, findet sich all das wieder, was den Regisseur schon immer ausgezeichnet hat. Zum 80. Geburtstag wünschen wir Paul Verhoeven daher alles Gute und hoffen, dass er sich seinen provokanten Biss weiterhin bewahrt.

Was haltet ihr von Paul Verhoeven?

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