28 Days Later - Zombies mit Bedeutung

25.07.2011 - 08:50 Uhr
Aktion Lieblingsfilm: 28 Days Later
20th Century Fox/ moviepilot
Aktion Lieblingsfilm: 28 Days Later
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In der Aktion Lieblingsfilm schreiben moviepilot User über ihre Lieblingsfilme. Diesmal erklärt ein User, warum Zombies nicht immer nur sinnloser Splatter sind.

28 Days Later ist nicht einer unter vielen banalen Zombie-Splattern. 28 Days Later hat Bedeutsamkeit!

“Es war draußen auf der Straße, es kam durch dein Fenster. Es war ein Virus, eine Infektion. Du brauchtest keinen Arzt, um das zu wissen. Es war das Blut. Oder irgendetwas IM Blut. Aber als sie versuchten, die Städte zu evakuieren, war es bereits zu spät. Die Infektion war überall.”

Hast du schon mal darüber nachgedacht, was ist, wenn du morgens aufwachst und wohl noch die einzig lebendige Person der Stadt bist? Kurbelst den Rolladen hoch und siehst durch deine mittlerweile verstaubten Fenster nichts als leere Straßen, keine Kondensstreifen am Himmel und hörst nichts, als das Geräusch einer umherfliegenden, leeren Alditüte? Der Kühlschrank gibt keine Kellogg’s Frosties mehr her, lediglich die letzten fünf Dosen Bohnensuppe des ganzen Landes schmücken die kühle Glasplatte. Du tröstet dich damit, dass es wenigstens noch Strom gibt. Was dieser allerdings noch bringt, fragst du dich, nachdem doch weder ein TV-Sender mehr ausstrahlt noch existiert, und deine Freunde sich schon längst in menschenfressende Bestien verwandelt haben.

“Pläne sind zwecklos. Mehr als zu überleben ist nicht drin.”

Danny Bolyes Endzeit-Dystopie verleiht einem das „von der Gesellschaft allein und im Stich gelassen“- Gefühl, ganz besonders zu Beginn des Films in zehn bedeutenden und ebenso ruhigen, wie aufwühlenden Minuten, die ein emotionales und gedankliches Einfühlen in die Endzeitsgeschichte perfekt erlauben.

Er erwacht aus dem Koma, das Morgenlicht bricht brutal durch die Scheiben. Als er aufsteht, weiß er, was hier schief läuft, denn seltsamerweise schien er wohl der einzige Patient hier zu sein. Und noch ahnt er nicht, dass er sogar einer der einzigen Lebendigen der ganzen Stadt ist. Er irrt durch London und sucht irgendjemanden. Irgendjemanden, der ihm sagen kann, ob die Welt untergegangen war. London war nur noch eine Ruine infizierter Tollwütiger. Aber nie war eine Ruine so beängstigend, denn sie war einst seine Heimatstadt. Die damals von tausenden Fahrzeugen befahrenen Hauptstraßen waren übersät mit Müll, Plastiktüten flogen umher, leere Cola-Dosen lagen trostlos herum. Allerdings schienen sie auf nichts mehr zu warten. Als haben seit Wochen keine Menschen mehr jene Bürgersteige betreten. Er sucht Unterschlupft in der nahe gelegenen Kirche. Doch selbst dort herrscht nun der Teufel.

Was ich meine ist, dass Danny Boyle es schaffte, mit seinem Film so gekonnt in den Zuschauer einzudringen und mit wahnsinnig gewaltigen Bildern das Gefühl zu verschaffen, als habe man ein derart grässliches Endzeits-Phänomen selbst miterlebt. Und das mit sympathischen, durchdachten Charakteren, mit denen sich wohl jeder identifizieren kann.

„Was ich während der vier Wochen der Epidemie sah, war: Menschen töten Menschen. Genauso wie ich es in den vier Wochen vor der Epidemie sah, und in denen davor, und in denen davor.“

Ganz klar konnte einfach nicht auf horrende und sehr verstörende Szenen verzichtet werden, denn 28 Days Later ist für mich nicht zuletzt der furchterregendste Horrorfilm seit langen. Ob es nun nur allein die schaurigen Schreie der Infizierten sind, die bangenden Minuten gefangen im Tunnel aufgrund einer Reifenpanne, währenddessen jene Schreie und Schatten der Infizierten schon zu hören und sehen sind, der Aufstand gegen die Männer vom Militär oder allein die erschreckend schaurige Atmosphäre des leeren Londons. Aber nicht das macht ihm zu dem, was er ist, sondern durch seine Geschichte, die er erzählt, oder vielmehr die Art und Weise, wie er sie erzählt. Die grässliche, schaurige Brutalität hätte absolut keine so überwältigende Wirkung, wenn 28 Days Later nicht so emotional und psychisch tief greifen würde, und andersrum genauso. Hinzu kommt, dass Boyles Meisterwerk keine Halloween-Zombie-Geschichte präsentiert, sondern realistisch – so weit dies möglich war – und menschlich nachvollziehbar darstellt, auch wenn die ethischen Grenzen schon bald überschritten sind. Denn genau das ist es, was 28 Days Later möchte: den alles andere als puritanischen “Alltag” eines Lebens in einer Epidemie. Moralische Grenzen überschreiten. Der starre Kampf ums eigene Überleben. Über Leichen gehen – diesmal beinahe wörtlich genommen.

„Hör zu: Wenn jemand infiziert wird hat man zwischen 10 und 20 Sekunden Zeit um ihn zu töten. Es mag dein Bruder, deine Schwester oder dein bester Freund sein, es macht keinen Unterschied.“

Die Bildgewaltigkeit und der ergreifende Score von John Murphy schaffen eine bewegende Atmosphäre. Nicht nur, dass diese von düster, schaurig, grauenhaft auf bedrückend, aussichtslos und deprimierend wechselt, sondern auch immer wieder auf hoffnungsvoll und optimistisch wie in den Szenen auf dem Weg nach Manchester, auf dem sie die zwar seelenlose, aber völlig friedliche Natur hier draußen und „gesunde“ Pferde beobachten, was im heftigen Kontrast zum Rest der Welt steht und es hier beinahe wie das Paradies wirkt. Und nur einige Minuten später sieht man an Jims Alptraum, wie sehr die furchtbare Seuche auf die Psyche drückt. In keinem anderen derartig packenden Film – besonders in der Horrorfilm-Abteilung – gibt es ein vergleichbares, tief unter die Haut gehendes Gefühls- und Emotionsspektakel zu sehen und vor allem zu fühlen. Wie der Film einen mit einem “Was wäre, wenn …”-Gefühl fängt, verlässt er einen mit einem “Was wäre, wenn es SO wäre …”-Gefühl und spielt einen weiteren verlorenen Soundtrack ein. Und nach bleibt ein bedrückend nachdenkliches Gefühl, was denn nun wäre, wenn es so wäre, wie es in jenem Film war.


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