Auf der Berlinale wandern wir im Kino durch Orte, an denen wir nie gewesen sind und wahrscheinlich auch nie sein werden: Die Sümpfe von Louisiana, das Shanghai der 1940er Jahre, der wunderschöne Urlaubsstrand in Iran, das Bühnenbild einer Pekinger Oper oder ein Supermarkt in Montevideo. Selten gibt es in 10 Tagen derart viel an Welt, an verschiedener Kultur, an Unterschieden und Gemeinsamkeiten zu sehen. Das macht das Festival zu etwas Besonderem und jeder Film, der im Wettbewerb läuft, zeigt uns eine dieser Welten.
So auch das Drama Katalin Varga. Die Hauptfigur des Films gab ihm seinen Titel. Ihr Mann wirft sie hinaus, als er erfährt, dass er nicht der Vater des Sohnes Orbán ist. So macht sich Katalin (Hilda Péter) auf den Weg, den leiblichen Vater zu finden. Unter dem Vorwand, die kranke Oma zu besuchen, brechen Mutter und Sohn zu einer Reise durch die Karpaten auf. Für Katalin bedeutet dies eine Rückkehr an einen Ort, zu dem sie nie im Leben wieder zurück wollte, der für im¬mer mit der Erinnerung an ein Verbrechen verknüpft ist, dem sie elf Jahre zuvor zum Opfer fiel. Damals wurde Katalin hier von zwei Männern überfallen. Als sie in einem nahegelegenen Dorf einen ihrer Angreifer wiedererkennt, beginnt Katalin mit dem Ahnungslosen einen Flirt und bringt ihren Peiniger um. Sie beschließt, ihren Rachezug fortzusetzen…
Über den Regisseur Peter Strickland ist so gut wie nichts bekannt: Bei Katalin Varga handelt es sich um seinen Debütfilm. Der Filmemacher, Jahrgang 1973, ist Brite und begann als Amateur beim Theater zu arbeiten. Seit Mitte der 190er Jahre dreht er Kurzfilme; 1997 war er mit einem Kurzfilm zu Gast auf der Berlinale.
Und wie wird sein Film von den Kritikern angenommen. Wolfgang Höbel vom Spiegel ist irgendwie ratlos. “Die Hauptrolle in Peter Strickland s Film spielt keine der Personen, sondern die Berglandschaft der Karpaten, in der sie sich bewegen. Finstere Wälder, wogende Getreidefelder, Bäche und Hügel sind hier oft so schroff aneinandermontiert, als hätte auch der Cutter des Films ein Hackebeil benutzt. Die Wendungen der Handlung sind gleichfalls roh und kantig und überraschend, von der Tonspur dröhnt es bedrohlich wie in einem bösen Märchen. Bei allen Mängeln in der Feinmotorik aber entwickelt der Film eine grimmige Wucht, von der man abgebrüht sagen kann, dass sie osteuropäisch, oder hochtrabend, dass sie biblisch ist.”