[Ich hab das auch auf Englisch auf meinem Blog veröffentlicht.
https://cinematticsite.wordpress.com/2020/04/07/community/]
Jetzt, da diese sträflich vernachlässigte Sitcom endlich auf einer Streamingplattform, nämlich Netflix, verfügbar ist, hoffe ich, den Leser dieses Textes mit meiner Liebe für diese Serie, die gleichermaßen ein Kritiker- wie Fanliebling ist, anzustecken, indem ich erkläre, warum sie mir so sehr am Herzen liegt.
Fangen wir mit einem einfachen Argument an, um dich zu überzeugen: Du magst Rick and Morty? Was viele nicht wissen, ist, dass dieses verrückte Genie mit den Namen Dan Harmon vor Rick and Morty Community erschaffen hat. Und Community ist ähnlich kreativ und manchmal ebenso absurd, wenn auch weniger abgedreht und vulgär.
Noch nie hab ich eine Serie gesehen, egal ob Sitcom oder sonstige Genres, von der ich von so vielen einzelnen Episoden so detailliert und selbstbewusst sagen kann, worum es geht. Aus dem Stegreif könnte ich die Mehrheit der Episoden der Staffel 1-3 aufzählen und nicht nur erinnern, dass das die eine Folge ist, in der sie eine schulweite Runde “Der Boden ist Lava” spielen (ja, das ist wirklich eine Folge. Ich weiß, ziemlich cool, hm?!), sondern auch den Kontext erinnern und was mit den Charakteren geschieht. Denn letzteres steckt im Herzen dieser Serie, die zum Wegschmeißen komisch ist: Man lacht nicht nur über die zahlreichen und hervorragenden Witze, es ist auch eine berührende Geschichte über die titelgebende Gemeinschaft und die Individuen, aus der sie besteht.
Also, was ist das für eine Serie und wer ist besagte ‘Community’?
Community spielt am Greendale Community College, ein ziemlich schäbiges Community College (das ist ein billigeres College, das oft als schlechtere Hochschule angesehen wird, weil sie oft mit Studienabbrechern, gescheiterten Karrieren und lascheren Zulassungsbestimmungen assoziiert wird). Es überrascht kaum, dass die Gruppe, der das Publikum folgt, ein bunt gemischter Haufen aus Außenseitern und schrulligen Persönlichkeiten ist, die nicht die gewöhnlichen Protagonisten darstellt. Seltener überrascht es nicht, dass Greendale eine heruntergekommene Hochschule mit einem absurd inkompetenten Dekan ist; man kann Kurse belegen, die so absurd sind, wie man es sich nur vorstellen kann. Und es wäre ein leichtes, sich über diesen Ort lustig zu machen – und Community teilt gehörig gegen diese sonderbare Institution aus – aber die Kunst ist es, daraus auch einen Ort zu machen, der sympathisch ist und an dem man gerne mehrere Staffeln verbringen würde. Diese Serie schafft es, den schmalen Grat zwischen humorvoller Eigenwahrnehmung und einem inspirierenden warmen Gefühl von einem Zuhause, das die Schule ausstrahlt, zu wandern. Es ist das Setting, um interessante Geschichten von diesen Charakteren zu erzählen, die alle eine zweite Chance suchen, nachdem sie alle in irgendeiner Weise ihr Leben vergeigt haben. Und welche Schule wäre dafür besser geeeignet, es noch mal mit einem höheren Bildungsabschluss und beruflichem Erfolg zu versuchen, als diese stümperhafte Hochschule, die es irgendwie schafft, erstrebenswert zu wirken, indem sie ein Gefühl von – na? – Gemeinschaft erzeugt.
Unsere Gruppe von Hauptcharakteren hat ihre Anfänge als Spanisch-Lerngruppe, die nur so zusammenkam, weil Abed, ein Über-Nerd mit Asperger, Jeffs “Lerngruppe”, die er verwenden will, um an die hübsche Blondine aus dem Spanischkurs, Britta, ranzukommen, für bare Münze nimmt. Jeff ist ein narzisstischer Minimalist und muss einen Jura-Abschluss nachholen, nachdem er jahrelang als Hochstapler als Anwalt tätigt war. Die Gruppe umfasst auch den ehemaligen High-School-Star-Quarterback Troy, dessen Stipendium durch eine Verletzung gestrichen wurde, und Annie, eine Kandidatin auf die Jahrgangsbeste, deren frühere Pillenabhängigkeit sie ihr Stipendium und ihre Jungfräulichkeit gekostet hat (Zitat). Die Lerngruppe wird vervollständigt von Shirley Bennett, eine geschiedene Frau mittleren Alters, und dem unfassbar unangemessenen Pierce Hawthorne, dem Erben des Feuchttuch-Imperiums. Dieser illustre Cast wird begleitet vom bereits erwähnten, queeren Dekan Pelton, der sich mehr um seine Outfits für seine Ansagen schert als um die Ansagen selbst, Psychologie-Dozent Duncan, der etwas fragwürdige Moralverstellungen hat, und dem Spanischlehrer Señor Chang, über den wir besser keine Worte verlieren.
Nachdem ich neulich den Piloten und die ersten paar Folgen noch mal aufgefrischt habe, ist es verrückt, wie das Fundament für die Charaktere bereits von Anfang an gelegt war. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber ich denke, dass die ersten 3 Folgen bereits voll die Charaktere treffen, obwohl sich die Folgen definitiv wie frühe Folgen anfühlen. Eins der erinnerungswürdigen Highlights und zentralen Elemente der Show ist die Dynamik zwischen Troy und Abed, die ihre Geburtsstunde in diesem Sketch am Ende von Folge 2, ‘Spanisch 101’, hatte.Man kann einfach nicht anders, als diese wundervolle Freundschaft zu genießen, die unzählige Endsketche und emotionale wie witzige Momente hervorgebracht, wie z.B. eine campusweite Burg aus Decken und Kissen. Man kann auch nicht anders als sich ihren typischen Handschlag zu behalten oder die Jingle mit Ohrwurmpotenzial zu ihrer Morning-Show
Aber die Serie besteht nicht nur aus Troy und Abed (in the moooorning!) und sie ist nicht nur deswegen witzig. Community ist hauptsächlich bekannt für seine Popkulturreferenzen, hinter denen Abed definitiv die treibende Kraft ist, sei es, wenn er die Lerngruppe mit Breakfast Club vergleicht oder wenn er einen Meta-Kommentar darauf abgibt, wie sehr sich die Ereignisse wie eine Fernsehfolge anfühlt oder was Fernsehcharakterre jetzt tun würden. Die Kombination aus Abed, der auf dem Spektrum liegt, and seinem bodenlosen popkulturellen Wissen machen ihn zu einem Faszinosum, wie ich sie selten auf dem Bildschirm erlebt hab. Ich will hier nicht zu viele Details verraten, weil der geneigte Leser selbst herausfinden soll, warum das der Fall ist.
Aber keine Sorge, wenn dein Popkulturwissen nicht deine Stärke ist, der Humor dreht sich nicht nur darum. Denn so spaßig es ist, alle Referenzen zu erkennen in einer Episode, die einen Mafiafilm nachahmt oder eine Homage an Actionfilme abliefert, wie die berüchtigte Paintball-Episode, diese Folgen sind auch verdammt gute Mafia- oder Actionepisoden (die Paintball-Folge hat eine IMDb-Wertung von 9,8). Trotz seiner Identität als ein echtes Produkt der Postmoderne nimmt sich die Serie bisweilen sehr ernst, ist nicht einfach eine Parodie auf gewisse Genres und ist sehr konsequent, wenn es darum geht, die Implikationen der Prämisse umzusetzen. Gleichzeitig ist sich der Serie dessen bewusst, was sie macht, und bricht öfters die vierte Wand. Diese geniale Mischung aus Metahumor und dem Durchziehen der inneren Logik der Situation, wie absurd sie auc hist, ist es, was Community und seinen Humor so sehr aus der Masse von Fernsehserien herausragen lässt. Nur Community schafft es, echte emotionale Moment hinzukriegen inmitten einer schulweiten Runde “Der Boden ist Lava”. Nur in einer Stop-Motion-animierten Folge kann Abed die Bedeutung von Weihnachten verstehen und an manchen seiner Probleme arbeiten. Nur durch ein ausgeklügeltes Netz von Verschwörungstheorien, Twists und Intrigen schaffen es die Charaktere, sich gegenseitig Lektionen zu erteilen. Ich könnte diese Liste weiter fortführen, aber der Punkt ist: Was Community so toll macht und was ich nahezu unmöglich wähnte, ist die Fähigkeit, diese Charaktermomente funktionieren zu lassen, nicht trotz, sondern genau wegen der Absurditäten und des leichtfüßigen Humors. Durch all diese absurden Abenteuer, die sehr viel Spaß machen, blühen die Charaktere auf, wachsen in ihrer Persönlichkeit und in ihrem Miteinander. Und trotz all der absurden und abgefahrenen Abenteuer fühlen sich die Charaktere menschlich und geerdet an.
Wer das liest, mag sich denken, was für eine Schule solche Situationen zulässt. Das ist die Faszination von Greendale. Alle Folgen sind nach Hochschulkursen benannt, wie z.B. “Spanish 101” und “Introduction to Film”, und später etwas abgefahrener, z.B. “Advanced Dungeons & Dragons” or “Contemporary American Poultry”. Aber trotz aller Lächerlichkeit, die diese Schule ertragen muss (vielleicht auch verdienterweise) strahlt Community immer noch wahrlich eine College-Film-Atmosphäre aus, die zum Teil auch zu meinem Wunsch, in den USA zu studieren, beigetragen hat. Und getreu ihrem Titel entwickelt die Serie auch irgendwie ein Gefühl von school spirit (einer Art Zugehörigkeitsgefühl und Teamgeist), nicht nur durch die absurden Kurse und Situationen, die die Schule anbietet, sondern durch die Leute dort. Durch die Bandbreite an seltsam erinnerungswürdigen Nebencharakteren fühlt sich die Schule lebendig an und ihr Reiz ist sehr ansteckend.
A propos Menschen hinter denen auf der Leinwand: Der Schöpfer Dan Harmon ist nicht der einzige, dessen Karriere hier begann oder erheblichen Schub bekam. Community kann eine beeindruckende Fülle an Talent vorweisen. Es war der Durchbruch für das irrsinnig vielseitige Multitalent Donald Glover (Troy Barnes), auch bekannt als Childish Gambino, der nicht nur mit seiner Musik überzeugt, sondern die Welt auch mit seiner Serie Atlanta vom Hocker gerissen hat, für die er das Mastermind ist und auch die Hauptrolle spielt. Wir haben auch Alison Brie (Annie Edison), die später als Stimme in Bojack Horseman and The Lego Movie zu hören war und die den Cast der renommierten Netflix-Serie GLOW anführt, sowie Gillian Jacobs (Britta Perry), die später in Netflix’ cooler Serie Love die Hauptrolle spielte. Gerade in frühen Episoden spielt ein bis dato unbekannter Brite namens John Oliver mit erstaunlichem komödiantischem Talent mit, bevor er dann seine eigene Talkshow auf dem Prestige-Sender HBO bekam. Bei vielen Folgen führten Anthony and Joe Russo Regie, die später verantwortlich für so kleine Genrestreifen wie Avengers: Infinity War und Endgame sowie Captain America: Winter Soldier und Civil War waren, viele der besten Werke im MCU (was auch die Reihe an Community Cast-Cameoauftritte in diesen Filmen erklärt). Aber es waren nicht nur Talente, die den Cast glänzen ließen. Comedy-Veteran Chevy Chase brillierte in seiner Rolle als unerträglicher Pierce Hawthorne und es gab Ken Jeong (bekannt aus Hangover), dessen Spanischlehrer Señor Chang ungemein witziger ist als sein ähnlich aufgedrehter Auftritt als Mr. Chow.
Humortechnisch bekommt man nicht nur Anspielungen und Metahumor, der die vierte Wand durchbricht, es gibt neben unzähligen Wortspielen (Chang und Dean) auch Humor, der den Charakteren eigen ist. Troy ist nicht die hellste Birne in der Leuchte und haut regelmäßig Sprüche raus, die zum Schreien komisch sind. Jeffs Neckereien mit den anderen Charakteren über seinen Narzissmus oder die Makel anderer profitiert vom perfekten komödiantischen Timing des Ensembles. Dazu hat das Ensemble eine unglaubliche Chemie, weswegen es wohlverdient ist, dass sich nicht alle Geschichten um Jeff winger drehen. Ganz im Gegenteil, die meisten Episoden haben eine A und B Storyline, die sich (fast) aller Charaktere bedienen, aber sich meisten auf einen oder eine Beziehung zweier Charaktere konzentrieren. Alle Hauptcharaktere kriegen dabei ihre Zeit im Rampenlicht. Man mag vielleicht nicht alle Charaktere gleich, aber als Gruppe funktionieren sie verdammt gut.
Manch ein Leser könnte jetzt denken, ich soll endlich mit der Lobhudelei aufhören. Auch wenn diese Serie anscheinend so urkomisch ist, kann nicht alles so toll sein. Ich möchte einen weiteren Grund für die sehr verschworenene Fangemeinde aufzeigen. Community hat einen langen Kampf gegen die Absetzung geführt und wurde oft durch besagte Fangemeinde gerettet und für weitere Staffeln erneuert. Dan Harmon, der Showrunner, wurde von NBC entlassen, nachdem die Quoten für Staffel 3 aus mir unerfindlichen Gründen sanken. Wie auch immer, die darauffolgende Staffel 4 leidete merklich unter dem Fehlen seines kreativen Masterminds und wird allgemein als die schwächste Staffel angesehen. Und auch wenn ich dem zustimme, muss man zugeben, dass auch in dieser Staffel ein paar Highlightfolgen versteckt waren, nicht zuletzt die Freaky Friday Folge. Viele Kritiker und, noch wichtiger, viele Fans haben diesen Qualitätsabfall auf Harmons Entlassung zurückgeführt und sprachen sich gegen eine Absetzung aus. Mit Harmons Rückkehr für Staffel 5 kam auch die Qualität zurück, die sich sogar der Qualität des Zenits zu Zeiten von Staffeln 1-3 annähern konnte, aber leider haben das nicht so viele Leute mitbekommen. Und obwohl Fans und interessanterweise auch die Serie selbst wacker weiter gegen die Absetzung kämpften und das berüchtigte Hashtag #sixseasonsandamovie ins Leben riefen, hat NBC den Stecker gezogen. Da hat man aber die Rechnung nicht mit der Community von Community gemacht: Man machte sich weiter bemerkbar und Yahoo hat die Serie für eine letzte, sechste Staffel übernommen. Zugegebenermaßen fühlt sich diese Staffel anders als die anderen an und ist in etwa auf dem selben Level wie Staffel 4. Dennoch bin ich Yahoo sehr dankbar dafür, dieser Serie eine Gelegenheit gegeben zu haben, ein vorzeitiges Ableben zu verhindern und zu einem Abschluss zu kommen, mit dem ich leben kann (und das ist heutzutage weiß Gott keine Selbstverständlichkeit mehr, öhöm, siehe Game of Thromes). Auch wenn das nicht das emotionalste und zufriedenstellendste Ende war, das ich mir vorstellen konnte, konnte ich mich in Frieden von den Charakteren verabschieden.
Das heißt aber nicht, dass ich die Serie in Frieden lassen muss oder werde. Denn das Geniale an der Serie ist ihre “Rewatchability”, die “Wiederguckbarkeit”. Ich hab die ganze Serie zwei Mal gesehen und Staffeln 1 – 3 vier Mal, und ich breche immer noch jedes Mal ins Gelächter aus und entdecke immer noch neue Details oder bemerke Anspielungen, die ich vorher verpasst habe. Ich konnte mich gerade zügeln, nicht weiterzuschauen, als ich die ersten paar Folgen auf Netflix geschaut hab, um einen frischen Eindruck für diesen Text zu bekommen. Der Humor ist meiner Meinung nach auch gut gealtert, und auch das kann man nicht von jeder Sitcom behaupten.
Ohnehin kenn ich keine einzige Serie mit so vielen Hammerfolgen binnen 3 Staffeln à 20-noch-was Folgen. Natürlich ist nicht jede Episode ein Meisterwerk, aber die Quote von überragenden Folgen ist ungewöhnlich vielversprechend. Und obwohl es nie wieder seinen Zenit von Staffeln 1-3 erreicht hat, rate ich dem geneigten Leser, Community nicht nach Staffel 3 abzubrechen, denn Staffel 5 ist auch stark und entwickelt die Charakter weiter. Bis dann will man sowieso das Ende sehen und durch Staffel 6 kommt man leichter durch als durch 4, die für eine “schlechteste” Staffel echt ziemlich guckbar ist.
Moviepilot hat in einem tollen Artikel eine Liste von 5 Episoden aufgestellt, die Community versinnbildlichen:
Introduction to Film (S01E03)
Modern Warfare (S01E23)
Abed’s Uncontrollable Christmas (S02E11)
Advanced Dungeons & Dragons (S02E14)
Remedial Chaos Theory (S03E04)
Ich finde die Liste ziemlich akkurat, was die Identität der Serie angeht, aber ich habe meine eigene Liste meiner 10 Lieblingsfolgen, die sich am meisten wie Community anfühlen, zusammengestellt
Spanish 101 (S01E02)
Introduction to Statistics (S01E07)
Contemporary American Poultry (S01E21)
Modern Warfare (S01E23)
Conspiracy Theories and Interior Design (S02E09)
Advanced Dungeons & Dragons (S02E14)
Remedial Chaos Theory (S03E04)
Pillows and Blankets (S03E14)
Basic Human Anatomy (S04E11)
Geothermal Escapism (S05E05)
Ungeachtet dessen gibt es eine Vielzahl weiterer exzellenter Folgen, an die ich ich gern zurückerinnere. Ich kann und will weder die Folgen aus S1-3 noch diese Staffeln in ein Ranking packen, denn wie soll man denn zwischen seinen Kindern das liebste wählen…
Aber Spaß beiseite, diese Serie ist eine meiner absoluten Lieblingsserien und fühlt sich für mich wie nach Hause kommmen an. Ich weiß, ich kann immer in Study Room F zurückkehren, wenn mich was zum Lachen bringen oder aufmuntern soll.
Wie The 88 es so treffend in ihrem Titelsong formulierten: “I can’t count the reasons I should stay.”
#sixseasonsandamovie