Als von euch gewähltes Jurymitglied bei der Aktion Lieblingsserie ist es mir natürlich untersagt, im harten Wettbewerb um die tollen Preise mitzumachen. Nichtsdestotrotz hatte ich noch vor der Abstimmung an einem Text gewerkelt, und damit die Mühe nicht umsonst war, präsentiere ich euch nun in der Speakers’ Corner meine Kurzgeschichte “Darkly dreamin’ Dexter”. [Da diese nach der finalen Bearbeitung etwas länger geworden ist als gedacht, wird sie in zwei Episoden veröffentlicht.]
EPISODE I
Mein Blick fällt auf die zittrigen Hände. Blutverschmiert, das Messer fest umklammert, die Hand ist verkrampft. Ich habe es getan. Endlich! Erleichterung macht sich breit, ein Grinsen zeichnet sich in meinem Gesicht und fühle mich gut. Sehr gut sogar. Jahrelanger Hass hat nun endlich ein Ende. Kein Herumschreien mehr am Montagmorgen. Keine ungerechtfertigten Vorträge mehr, ich solle dies und jenes anders machen. Keine wutbeladenen Abende mehr, mein Blutdruck wird sich bedanken. Ein Lachen, ein enthusiastisches Lachen. Aber halt! Ich darf mich nicht der Euphorie hingeben – noch nicht. Es muss noch einiges getan werden, sodass der Verdacht nicht auf mich fällt. Mein Gang zum Auto und zurück geht schnell. In den Händen alles Nötige. Und nun an die Arbeit…
Es ist Nacht. Kühl, düster, leblos.
Mit einem Gang in leichten Schlangenlinien mache ich mich auf den Weg nach Hause. War wohl das ein oder andere Bier zu viel – mal wieder. Aber mein neuer Chef, dieser profitgeile Ausbeuter, hat mich heute einfach zu sehr angepisst. Da wünsche ich mir fast meinen alten zurück. Irgendwie schade, dass er weggegangen ist, dass er nicht mehr zurückkommen kann.
Mein Weg führt an dunklen Gassen vorbei, die Straßenlaternen sind schon lange aus. Keine Menschenseele auf den schwarzen Wegen. Keine Hundelaute aus den Gärten der Leute. Etwas kleines Graues huscht einige Meter vor mir über die Straße. Ich folge ihm mit meinem Blick. Auf meiner rechten Seite sehe ich das große steinerne Gebäude mit dem emporragenden Turm, in das jeden Sonntag alle Mitglieder der Gemeinde pilgern. Ich hasse diese Heuchler. Mein ehemaliger Chef gehörte auch zu ihnen. Eigentlich kein gläubiger Mensch, ging er trotzdem jeden Sonntag in die Kirche zum Gottesdienst. Nun liegt er neben ihr begraben.
Ich sehe das graue Etwas, wie es über die kleine Mauer hüpft und zwischen all den mit Blumen bedeckten Erdhaufen, an dessen Kopfseite jeweils ein großer Stein thront, verschwindet. Ich überlege, der Katze zu folgen. Ich überlege, an die eine Stelle zu gehen, die ich jeden Samstag mit einer Hand voll selbstgepflückter Blumen aufsuche. Vielleicht empfinde ich dieses Mal so etwas wie Reue? Noch während ich nachdenke, führen mich meine Füße zielsicher zu der kniehohen Eisentür, und ehe ich mich versehe, stehe ich auf dem Friedhof. Die Pfade sind schwach vom Mondlicht ausgeleuchtet, aber ich kenne den Weg, bin ihn schon oft gegangen. Ich trotte voran, höre hinter mir ein Rascheln – das muss die Katze sein. Ich biege in die nächste Reihe ab, bleibe vor dem dritten Grab stehen und betrachte die Blumen, die ich vor wenigen Tagen erst hingelegt habe und schon das Welken anfangen.
Es schwirren Bilder durch meinen Kopf. Ich sehe ihn vor mir liegen, blutüberströmt, wie er mit immer glasiger werdendem Blick versucht mir etwas zu sagen. Seine Umklammerung an meinem Arm wird zunehmend schwächer. Ich blicke von den tiefen Stichwunden in seinem Bauch über sein blutverschmiertes Gesicht hin zu dem rot schimmernden Messer in meiner rechten Hand. Sein Griff lässt von mir ab, seine Augen sind leer, sein Kopf neigt sich etwas zur Seite und ich fühle Genugtuung. Ein wohliges Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit, als ich hinter mir ein sich allmählich näherndes Rascheln vernehme. Ich drehe mich um, schaue nach unten zur Katze und erblicke ein Paar schwarzer Schuhe. Mein Blick fährt die dunkle Jeans nach oben, über das schwarze T-Shirt hin zu den vor der Brust lauernden Händen, eingehüllt in braune Lederhandschuhe, und weiter nach oben. Noch ehe ich etwas Genaueres im Gesicht der Gestalt erkennen kann, blitzt eine silberne Nadel im Mondlicht auf und ich spüre einen kleinen Stich in meinem Hals. Mein Körper wird schlaff, ich werde sanft aufgefangen. Mir wird schwarz vor Augen. Absolute Dunkelheit. Finster…
Vorschau: Es folgt Episode II.
Dieser Text stammt von unserem User Joeyjoejoe17. Wenn ihr die Moviepilot Speakers’ Corner auch nutzen möchtet, dann werft zuerst einen kurzen Blick auf die Regeln und schickt anschließend euren Text an ines[@]moviepilot.de