Jeden Freitag Abend um halb acht lief in den 1960ern die Serie Flipper im Fernsehen, die Millionen vor den Fernseher lockte. Die Kombination aus einem ewig lächelnden Delfin, gut gebauten, braun gebrannten Männern und Dauersonne wirkte und unterhielt auch hierzulande viele Kinder. Ein Nebeneffekt: Das Bild des glücklichen Delfins sollte sich fortan in die Köpfe der Zuschauer einbrennen. Der Böse sei der Hai, der Gute der Delfin, versprachen uns die Macher dieser Tiersendung, die einen ähnlichen Erfolg feierte wie Lassie oder Rin Tin Tin.
Nun kommt dieser Tage der gefeierte Dokumentarfilm Die Bucht ins Kino, in welchem das brutale Abschlachten von über 20.000 Delfinen jährlich alleine in Japan angeprangert wird. Blutrotes Wasser in den japanischen Taji-Bucht – die Macher setzen zwar nicht alleine auf plakative Bilder, diese vernichten jedoch unser Grundverständnis des Menschen als Freund des lächelnden Delfins. Was ist passiert? Wie kann es sein, dass die bösen Japaner die süßen Delfine abschlachten? Dieser Frage geht der Dokumentarfilm Die Bucht auf die Spur. In der Hauptrolle: Ric O’Barry, der Trainer der Delfine aus den 1960er Jahre.
Ric O’Barry bedauert heute, dass er damals Trainer der vielen “Flippers” war. “Ein lächelnder Delfin ist die größte Täuschung der Natur”, sagt Ric O’Barry im Film. “Man glaubt, dass sie glücklich seien.” Eine der Lügen der Filmgeschichte? Sehr gut möglich, denn ebenso wie das gemeingefährliche Image des Hais haben eben auch Delfinserien und -filme dazu beigetragen, dass wir den Delfin heute als treue Seele betrachten, die gut und gerne in Gefangenschaft lebt. Hier im Intro seht ihr beispielsweise, wie Delfine im TV vorgestellt wurden.
Intro der TV-Serie Flipper
Ob Free Willy – Ruf der Freiheit oder Flipper – sie alle begründeten einen Hype um Tiere, der in Delfinarien, Delfin-Shows, Delfintauchgängen und -therapien mündete. Waterworld, Seaworld oder ähnliches: Kinder strömten in Heerscharen in die künstliche Welt, wo der Deflin lustige Geräusche machte und liebend gerne Kunststücke aufführte, um ab und zu einen Fisch als Belohnung zu erhalten. Ric O’Barry änderte seine Meinung erst, als einer seiner trainierten Delfine bewusst den eigenen Erstickungstod einleitete. Seither bekämpft er die Stereotypen, die im Film und Fernsehen über Delfine vorherrschen. Sie leben nicht gerne in Gefangenschaft, sagt er, sie leiden – und Delfinshows sind Tierquälerei.
Der Trailer zu Flipper (1963)
Der Trailer zu Flipper (1996) mit Elijah Wood
Nur: Mit Flipper und Co. entstand ein global florierendes Multimilliardengeschäft – eine Industrie, für deren Existenz sich Ric O’Barry mit verantwortlich fühlt. Die Bucht soll zeigen, was passiert, wenn zu viele Menschen wegsehen. Vielleicht ein Anfang für eine bewusstere Filmindustrie, die Tierquälerei bewusst verbannt? So sehr wir auch Tränen vergossen für den Orca in Free Willy – Ruf der Freiheit, für Lassie, für Rin Tin Tin – Verantwortungsbewusstsein kann nicht nur vom Filmemacher vorgegeben werden, sondern muss auch vom Zuschauer mitgetragen werden. Eine Debatte, die diese neue, grausame Dokumentation bereits angestoßen hat.
Die Bucht läuft seit dem 22. Oktober auch in den deutschen Kinos.