Der letzte Patriarch - Der Film zur Rheumadecke

11.09.2010 - 07:00 Uhr
Und jetzt sach Heini zu mir...
ARD
Und jetzt sach Heini zu mir...
Mario Adorf wird 80 und die ARD schenkt ihm einen behäbigen Zweiteiler. Na besten Dank auch.

Mit Der letzte Patriarch ehrte die ARD Mario Adorf in einem TV-Film, der seinem Alter, aber nicht unbedingt seinem Talent angemessen war. Die verfilmte Rheumadecke, für Zuschauer, die es bieder und überraschungsarm lieben.

Foto-Show: die Bilder zum Der letzte Patriarch

Im fernen Osten nichts neues

Älter werden ist kein Zuckerschlecken und gerade runde Geburtstage bergen immer das Risiko der zelebrierten Peinlichkeit. Früher bekamen deutsche Stars irgendeine Gala, bei der Weggefährten und sich selbst dafür haltende unangenehme Lieder sangen und unlustige Sketche aufführten. Die B-Liga wurde in Sitzgruppen in den dritten Programmen begangen und mit Clip-Shows abgespeist.

Das reicht für einen gestandenen Schauspielfelsen wie Mario Adorf natürlich nicht aus, zumal wir Adorf schon singen hörten und viele Jahre brauchten, um das wieder zu vergessen. Einzig angemessen schien daher ein schöner Film, der dem gewaltigen Mimen auf den bärigen Leib geschneidert ist. Irgendwas, das all das vereint, was die Nation vor die Fernseher treibt: Exotische Landschaftsaufnahmen, eine Prise Traumschiff, ordentlich deutsches Lokalkolorit, ein bisschen Drombuschs, ein Jota Buddenbrocks und eine ganz große Kelle “Der große Bellheim” – fertig ist Der letzte Patriarch.

Der Patriarch vom Dienst

Auf gleich zwei mal 90 Minuten wurde die Geschichte um den gebeutelten Marzipanfabrikanten ausgedehnt. Mit ausgedehnten Trips nach China, bei denen aber offensichtlich nur zwei verschiedene Schwenks auf Shanghai gedreht wurden, die der Film dutzendfach recycelte und jedes Mal brav mit “Shanghai” untertitelte.

Der letzte Patriarch wirkte wie aus einer längst vergangenen Zeit, als alles noch langsam ablief und die Zuschauer väterlich bei der Hand genommen wurden. Bloß keine Experimente wagen, bloß kein Mitdenken verlangen. Deswegen redet jeder Asiate perfekt synchronisiertes Hochdeutsch, ja scheint das Kantonesische als Sprache gar nicht zu existieren. Deswegen wird ein hanebüchener Aufriss um das angebliche Geheimrezept des Marzipans gemacht, von dem Wohl und Wehe der Hansen-Marzipanmanufaktur abhängen. So stellt sich Puttchen Brammel die Geheimnisse des geschäftlichen Erfolgs vor. Nicht Marketing und Werbung, sondern Ommas Geheimformel für süsse Zuckerpampe entscheiden darüber, ob China Karies kriegt, wenn böse Produktpiraten Opa Hansen vernichten wollen.

Dialogtechnisch ging es auch eher simpel zu. Anstatt zu zeigen, was die Figuren umtreibt, wurde es in dieser Mischung aus Familiensaga und Asia-Klischee der Einfachheit halber gleich ausgesprochen. Der uneheliche, asiatische Sohn Hansens will nicht eher ruhen, bis Papa vernichtet ist, die verstoßene Geliebte fühlt sich verstoßen und auch Hansens Söhne sagen brav auf, welche Probleme gerade zu verhandeln sind. Wer hier traurig ist, sagt “Ich bin traurig”. Nur falls der Zuschauer gerade Bier aus dem Kühlschrank holt oder es auf dem Klo gerade entsorgt und deswegen nichts sieht.

Adorf könnte die Rolle im Schlaf spielen

Vom Geburtstagskind Mario Adorf wird deswegen auch kaum etwas gefordert. Er kann es sich in der brummigen Bärigkeit bequem machen, mit der er viele Rollen der letzten 20 Jahre runtergespielt hat und die ihn so sehr als knorriges Familienoberhaupt ins Gedächnis zementiert haben, dass man fast vergessen hat, wie gut er sein kann, wenn man ihn fordert. Nicht umsonst wird als Testament seiner Präsenz bei keiner Laudatio vergessen, die “Ich scheiß dich zu mit meiner Kohle”-Szene aus dem TV-Klassiker “Kir Royal” einzuspielen.

Der letzte Patriarch war dagegen nur langatmige Berechenbarkeit, mit erprobten Versatzstücken, vom dunklen Familiengeheimnis, den Kindern mit “Papa-Komplex”, wohldosiertem Valium-Drama und dem Hauch exotischem Flair, das die Zuschauer so lieben. Wo China noch nach China aussieht und klimpernde Asia-Klischeemusik uns brav sagt, dass wir gerade im Land des Lächelns und gefälschten Marzipans sind.

Doch wie Marzipan kann auch die zuckerige Süsslichkeit dieser Familienfabel – die nach dem ewigen Hin- und Her und Selbstmord eines Sohnes in einer riesigen Versöhnungsarie endet – in großen Mengen genossen zu Bauchweh führen.

Für Mario Adorf war der Film ein Aufwendiges “Happy Birthday” – für die Zuschauer leider nur gefälliges Puschenkino.

Wie hat euch Der letzte Patriarch gefallen? Jetzt kommentieren, bewerten und mitdiskutieren!

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News