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Durch den Schulalltag mit Battle Royale

22.01.2015 - 12:43 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Heimfahrt nach einem anstrengenden Schulausflug
Astro Distribution
Heimfahrt nach einem anstrengenden Schulausflug
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Es ist ein Kultfilm, einer der absoluten Lieblinge von Quentin Tarantino und ein sich derzeit immer wieder aufdrängender Vergleich mit Die Tribute von Panem - The Hunger Games, welcher der beiden Filme nun der bessere sei: Battle Royale von Kinji Fukasaku.

Rein zufällig handelt es sich hierbei auch um einen Film, der mein eigenes Leben als Liebhaber des filmischen Mediums entscheidend geprägt hat. Er gehört sowohl zu den besten japanischen Filmen, die ich gesehen habe, siehe meine Liste Japan - Top 25, als auch zu den besten Filmen seines Produktionsjahres, wie man hier entnehmen kann: Top 10 Filme 2000.

Angefangen hat alles dabei ganz unschuldig und unwissend, ganz so wie die Stimmung der Schüler, die sich zu Beginn der Filmhandlung auf einen Schulausflug freuen, nichts ahnend, dass er ihr Leben für immer verändern (oder auch radikal verkürzen) wird. Ich war in der siebten Klasse, glaube ich, und es war die glorreiche Zeit der VCD, als wir Filme noch in mäßiger Bildqualität auf eine CD brannten und wenn die Datei nicht ganz passte, dann eben auf zwei oder mehr - für Peter Jacksons Der-Herr-der-Ringe-Trilogie plante man am besten ein ganzes CD-Regal ein. So gelangte ich eines schönen Tages in den Besitz eines japanischen Films, von dem ich natürlich noch nie zuvor gehört hatte, denn wirklich ernsthaft beschäftigte sich mein etwa dreizehnjähriges Ich damals nicht mit Filmen. Zu der Zeit hatten meine Eltern deutlich mehr Ahnung davon, heute geradezu undenkbar! Aber na gut, dachte ich mir, ein Freund gab mir diesen Film namens Battle Royale und ich schaute mir den mal an.

Und was soll ich sagen: Ich hatte daran einen Narren gefressen! Eine Schulklasse, deren Ausflug sich als knallharter Überlebenskampf auf einer einsamen, kleinen Insel entpuppt - cool! Vom totalitären System dieser Zukunftsvision, das seiner Überbevölkerung so unmenschlich entgegenwirkt, hatte ich nicht viel Ahnung. Die moralischen Implikationen, die im Mit- und Gegeneinander steckten, konnte ich höchstens erahnen, doch niemals ausformulieren. Was ich sah, war einfach ein brutales, stylisch inszeniertes gegenseitiges Gemetzel von japanischen Schülern. Das fand ich unterhaltsam. Ehrlich gesagt fanden wir das alle unterhaltsam und so machte ironischerweise ausgerechnet dieser Film die Runde in meiner Schulklasse, bis ihn alle gesehen hatten, die dem "Hey, den musst du dir unbedingt anschauen, so ein krasser Film!" nicht widerstehen konnten.

Lehrer Kitano erklärt seinen Schülern den Ernst der Lage.

Battle Royale wurde für einige Tage zum Gesprächsthema schlechthin, zwischen den Unterrichtstunden und in der großen Pause. Da war sie also, eine Gruppe von Schülern, die eigentlich viel zu jung waren, einen Film sehen zu dürfen, der von einer Gruppe von Schülern handelt, die sich gegenseitig umbringen. Wie automatisch macht man sich natürlich auch Gedanken, versetzt sich in seiner Vorstellungskraft in die Rolle von Protagonist Shuya (Tatsuya Fujiwara) und seinen Klassenkameraden. Wie würde ich agieren? Wen würde ich ohne zu zögern töten können? Wie ginge ich damit um, meinen besten Freunden gegenüber zu stehen, wohlwissend, dass im sogenannten BR-Programm nur einer von uns überleben darf? Gefährliche Gedanken, die durch den Kopf huschen, aber glücklicherweise recht schnell wieder vergessen waren, denn letztlich hatten wir alle nur einen Film gesehen, der für unser tatsächliches Leben keine Rolle spielen sollte.

Aus filmischer Hinsicht tat er das allerdings für meinen eigenen Werdegang als einer von mehreren Impulsen, die meine Leidenschaft für das Medium entfachten. Immer wieder dachte ich über Battle Royale nach, immer wieder kehrte ich zu diesem Film zurück. Und mit jeder Sichtung wuchs seine Qualität, weil auch meine Kenntnisse und meine Wahrnehmung stets weiterentwickelt waren, als noch beim letzten Mal. Inzwischen begeistert mich der Film längst nicht mehr bloß auf einer oberflächlichen Ebene, um ein primitives Verlangen nach Action und Brutalität zu stillen, sondern eben auch philosophisch, politisch, ästhetisch, filmhistorisch und eben - in Bezug auf mich selbst - biografisch.

Battle Royale wurde ein Teil von mir, mit einem vielleicht noch größeren Einfluss, als ich mir bewusst bin. Etwas genauer untersucht, könnte ich vermutlich viele meiner filmästhetischen und filmkulturellen Vorlieben auf Elemente dieses Films zurückführen. Oder aber ich lehne mich stattdessen entspannt zurück und schaue mir demnächst mal wieder - wie mittlerweile jedes Jahr - Battle Royale an und freue mich tierisch darauf; wie ein dreizehnjähriger Junge.

Klassenfoto der Klasse 3-B der Shiroiwa-Mittelschule vor der Teilnahme am BR-Programm


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