Fantasie & Mythen mit Toten vom Schwarzwald

08.02.2010 - 08:50 Uhr
Heino Ferch und Nadja Uhl suchen Die Toten vom Schwarzwald
ZDF
Heino Ferch und Nadja Uhl suchen Die Toten vom Schwarzwald
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Regisseur und Drehbuchautor Thorsten Näter wollte schon lange einen deutschen Mystery-Film schaffen – für das ZDF durfter er nun Die Toten vom Schwarzwald drehen. Im Interview spricht er über neue Heimatfilme und seine Vorliebe für Märchen.

Regisseur und Drehbuchautor Thorsten Näter hat mit Die Toten vom Schwarzwald für das ZDF einen Mystery-Thriller geschaffen, der Spannung und alte Legenden verbindet. Bei einer Fahrt in den Schwarzwald verschwindet eine Frau auf einem Waldparkplatz spurlos – ihre Mitfahrerin ist die Letzte, die sie lebend gesehen hat. Zum Missfallen des Dorfes beginnt der Ex-Mann der Verschwundenen, ein Kriminaltechniker, selbst mit der Suche. Kurz darauf findet er die skelettierte Leiche einer Frau, die DNA der Toten stimmt mit der der Vermissten überein. Aber die Gefundene ist bereits seit zwei Jahren tot… Zwischen Glauben und Wissen ist dieser Thriller angesiedelt, den Thorsten Näter als neue Art von Heimatfilm bezeichnet.

Sie sind nicht nur als Regisseur für den Film verantwortlich, sondern haben auch das Drehbuch nach einer Idee von Johannes Betz und Martin Pristl geschrieben. Was hat Sie an diesem Sujet gereizt?

Thorsten Näter: Der Film hat historisch gesehen zwei sehr unterschiedliche Väter mit zwei sehr unterschiedlichen Interessen: Die Gebrüder Lumière mit ihrem Bedürfnis die Wirklichkeit abzubilden, und den Zauberkünstler George Méliès, für den Film die Möglichkeit war, neue Illusionen zu entwickeln. Der fantastische Film ist also nicht irgendein Nebengleis der Filmgeschichte. Er ist einer der Ursprünge. Trotzdem haben wir nach dem Krieg in Deutschland bis auf den Kriminalfilm quasi alle anderen Genres aufgegeben. Darunter auch das Genre des fantastischen Films. Heute spielen Fantasie und Mythen in unserem Kino- und Fernsehalltag kaum noch eine Rolle. Das finde ich ebenso bedauerlich wie unverständlich. Deshalb war ich sofort total begeistert, als ich den Auftrag bekam, eine Geschichte zu schreiben, die zumindest mit den Genremitteln des Mysteryfilms spielt.

Mit dem Schwarzwald verbindet man die Vorstellung von schönen Bildern, von Idylle (Stichwort Schwarzwaldklinik). In Die Toten vom Schwarzwald geht es aber sehr geheimnisvoll zu. Wie passt das zusammen?

Thorsten Näter: Es ist kein Zufall, dass der “Wald” der Platz für Mythen schlechthin ist. Denn er verändert sein Gesicht mit jedem Regentropfen, jedem Sonnenstrahl. Es braucht sich nur eine Wolke vor die Sonne zu schieben, und schon wird aus einer romantischen Lichtung ein finsterer Ort voller Geheimnisse. Früher war der Wald ein Ort, an dem man ohne Weiteres verloren gehen konnte, aber auch ein Ort, an dem man sich verstecken konnte. Der ideale Ort für die Bildung von Mythen. Durch seine Besonderheit ist der Wald damit auch ein idealer Drehort für geheimnisvolle Geschichten, denn auch im Film kann er sehr rasch sein “Gesicht”, seine Stimmung wechseln. Der Wald ist voll von Geräuschen, er ist unübersichtlich, verwinkelt. Überall kann Gefahr lauern. Ein bisschen Licht, ein bisschen Nebel, und schon sieht derselbe Ort völlig anders aus.

Beinhaltet die Geschichte auch ein Stück Wahrheit? Gibt es alte Legenden und Mythen in der Gegend des Schwarzwalds, um die sich tatsächlich geheimnisvolle Geschichten ranken?

Thorsten Näter: Ich habe schon als Kind “Das kalte Herz” von Wilhelm Hauff geliebt. Bei den Recherchen zu Die Toten vom Schwarzwald bin ich dann auf Unmengen weiterer Geschichten und Sagen aus dem Schwarzwald gestoßen, voller magischer Gestalten, die sich im Wald verbergen und ihren Tribut fordern, ähnlich wie das Glasmännlein, der Schatzhauser. Diese Mythen sind meist nicht einfach Märchen, sondern erzählen von der Mühsal, das Leben und die Arbeit zu meistern. Und den Versuchen der Menschen, Hilfe von den Geistern des Waldes zu bekommen, oder sich ihren Schutz zu sichern. Das heißt, hinter dem Glauben an die Geister des Waldes verbirgt sich oft eine große Portion Eigennutz. Und dem Eigennutz, dem Versuch einen unrechten Vorteil zu erringen, folgt oft die Strafe.

Gibt es für Sie wirklich Dinge, Geschehnisse, die nicht erklärbar sind und deswegen mystisch? Sind Sie selbst ein bisschen abergläubisch?

Thorsten Näter: Wir sind alle abergläubisch, auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen. So wie unsere Vorfahren nicht akzeptieren konnten, dass Sturm, Gewitter, Überschwemmungen, plötzlicher Tod und Krankheit einfach nur Schicksalsschläge sind und nach Erklärungen dafür gesucht haben und damit zugleich nach Möglichkeiten diese Ereignisse zu beeinflussen, glauben wir heute an “Prognosen”, an eine “Wissenschaft”, die behauptet, globale Voraussagen treffen zu können, obwohl keine ihrer Prognosen sich in den letzten 50 Jahren bewahrheitet hat. Aber wir trauen uns nicht, das laut zu sagen. Wir ertragen die Vorstellung, von Dingen umgeben zu sein, auf die wir keinen Einfluss haben, noch weniger als unsere Vorfahren.

Eine märchenhafte Landschaft, Menschen, die hier schon immer leben, die eine gemeinsame Geschichte verbindet, ja, auch tragische Schicksale – kann man Die Toten vom Schwarzwald auch als einen Heimatfilm klassifizieren?

Thorsten Näter: Das kann man in der Tat. Der Heimatfilm war ja nie einfach die Darstellung einer schönen Landschaft. Es war die Darstellung der “Heimat” als geschlossener Raum, in dem die Protagonisten aufeinander angewiesen sind, egal ob sie auf dem Feld, auf dem Meer oder in der Felswand sind. Ein Raum, dem sie nicht entrinnen können, wo ihre Konflikte, ihre Sehnsüchte, ihre Pläne immer wieder mit denen der anderen in Konflikt geraten, wo niemand für immer Geheimnisse vor den anderen bewahren kann. All das trifft auf Die Toten vom Schwarzwald zu.

Hat der Schwarzwald Sie und ihr Team freundlich empfangen? Wie waren die Dreharbeiten? Hat der Wald besondere Anforderungen für die Dreharbeiten gestellt?

Thorsten Näter: Die Menschen im Schwarzwald haben uns äußerst freundlich aufgenommen. So wie es ja überhaupt oft ein großes Vergnügen ist, außerhalb der Großstädte zu drehen, in denen Filmteams nur noch als Belästigung empfunden werden. Der Schwarzwald selber hat uns allerdings vom ersten Moment an gezeigt, wer das Sagen hat. Bereits im Vorfeld unserer Dreharbeiten hatte es in der Region Unwetter gegeben, bei denen Menschen ums Leben gekommen sind. Auch während unserer Dreharbeiten hat sich diese Tendenz gehalten. Wir haben die meiste Zeit auf dem Feldberg entlang von Unwetterwarnungen gedreht. Es gab große Szenen, und wir wussten genau, um 15 Uhr müssen wir weg sein. Also haben wir unter Hochdruck bis kurz vor Drei gedreht, dann in aller Eile das Equipment in die Fahrzeuge gestopft, während es um uns herum schwarz wurde. Dann sind wir in die Autos gesprungen und haben gewartet, während Hagel vom Himmel stürzte, wie aus Eimern. Eine bessere Möglichkeit, um die Magie und die Macht des Waldes, der Region zu spüren kann man sich kaum vorstellen.

Mit Material von ZDF.

Der Film Die Toten vom Schwarzwald ist heute, am 08. Februar 2010 um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. Falls ihr keine Krimi-Fans seid, schaut doch in unserem Fernsehprogramm nach Alternativen.

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