Filme, mein Schatz, Filme - Leonie stellt sich vor

04.01.2018 - 11:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Gollum in Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs
Warner Bros.
Gollum in Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs
Träumen gehört bei mir zum Alltag dazu. Das kann man überall machen. Ich schaue aus dem Fenster, boom. So leicht geht das. Dabei sollte ich doch eigentlich produktiv sein.

Ich bin neu hier im Büro. Ich bin Praktikantin. Normalerweise, wenn ich träume und in Gedanken vom Thema abschweife, denke ich an Filme. Ich schaue durchs verregnete Fenster auf die Spree, irgendwie denke ich an Gollum und ich freue mich, dass selbst gedankliches Abschweifen und Träumen thematisch gesehen jetzt irgendwie zum Job gehört.

Ich denke oft an Gollum. Er ist nicht nur mein Lieblingscharakter aus meinem Lieblingsfilm, sondern war außerdem jahrelang Stoff meiner Alpträume. Als ich vor 15 Jahren Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs im Kino gesehen habe, war ich acht Jahre alt. "Viel zu jung für so einen blutigen Film, da kannst du auf keinen Fall reingehen!", hat meine Mama gesagt. Ich weiß nicht genau, wie es dann doch dazu kam (wahrscheinlich habe ich einfach nur lange genug gequengelt, um den Willen meiner Mutter zu brechen), aber schließlich fand ich mich in einem roten Kinosessel wieder, und die ersten Töne von Howard Shores düsterem Soundtrack erfüllten den Saal.

Was folgte, werde ich nie vergessen. Innerhalb von Sekunden entwickelt sich die friedliche Angelszene zum grausamen Mord. Der goldige Hobbit Sméagol durchläuft auf seinem Leidensweg diverse Stadien der Verwahrlosung und körperlichen Degeneration und wird schließlich zu Gollum. Ich werde derweil mit den gruseligsten Fratzen konfrontiert, die ich bis dato zu Gesicht bekommen habe. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus, da die schmatzende Stimme der Kreatur auch durch meine zugehaltenen Ohren dringt, und renne weinend aus dem Kinosaal.

So saß ich also auf dem Boden des Foyers, weinend, verstört und von mir selbst enttäuscht. Als ich meine Panikattacke schließlich überwand und mich zurück in den Kinosaal schlich, als wäre nichts gewesen, war dies der Anfang von etwas ganz Neuem für mich, etwas, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Dass ich mich sowohl in den Film als auch ins Kino selbst verliebt habe, war mir schnell klar. Was mich viel mehr überraschte, war mein eiserner Wille, den Zustand außerordentlicher Angst zu überwinden, um einen wunderbaren Film entdecken zu können. Dies war keineswegs mit dem Kinobesuch getan. Es dauerte einige Jahre, bis ich Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs schauen konnte, ohne bei Gollums Auftreten innerlich zusammenzuzucken. Den Prozess der Konfrontation nannte ich liebevoll meine "Gollum-Therapie".

Andy Serkis als Sméagol in Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs

Hiermit begann für mich also ein Abenteuer, das ich seitdem in jedem unheimlichen Film für mich erkenne. Heute liebe ich Horrorfilme. Ich lache, wenn Blut spritzt, freue mich, wenn ich nicht weiß, wann mich der nächste Jump-Scare erwartet und genieße das Kribbeln einer angespannten, düsteren Atmosphäre. So wie Gollum dem Ring nachschnüffelt, jage ich dem nächsten tabubrechenden Horrorschocker hinterher. Angst haben kann so viel Spaß machen, solange ich mir bewusst bin, dass es an mir selbst liegt, mit ihr fertig zu werden. Hätte ich mich Gollum nie gestellt, hätte ich meinem heutigen Lieblingsfilm nie wirklich eine Chance gegeben, mein Lieblingsfilm zu werden. Ich hätte viele Filme, für die ich heute brenne, niemals gesehen. Ich hätte vielleicht überhaupt nicht Filmwissenschaft studiert und würde in diesem Moment vielleicht auch gar nicht hier in der moviepilot-Redaktion sitzen und auf die Spree rausschauen.

Ich weiß, dass das wahrscheinlich zu weit hergeholt ist. Ich kann sicher nicht alles in meinem Leben auf Gollum zurückführen. Fest steht auf jeden Fall, dass er mir so einiges beigebracht hat. Filme sind großartig. Sich seiner Angst stellen, das lohnt sich. Das bringt einen vielleicht sogar bis zur Spree.

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