Die katholische Welt der spanischen Monarchie ist eine Schlangengrube und der gefeierte Maler Francesco Goya mitten drin. Nur sollte man sich weder mit der Inquisition, noch mit der Herzogin von Alba anlegen.
Als Konrad Wolf diesen Film (Goya - oder Der arge Weg der Erkenntnis) machte, verbrauchte er damit den Etat der DEFA-Studios (Kategorie große Produktionen) für 2 Jahre. Der Prager Frühling war gerade vorbei und der erkennbare Plan des Staatsregisseurs Konrad Wolf war es, die Romanvorlage von Lion Feuchtwanger über die Suche des berühmten spanischen Malers und Zeichners Goya nach der künstlerischen Wahrheit und damit die Abkehr vom orthodoxen Katholizismus auch als Parabel zu lesen über die Abkehr vom orthodoxen Sozialismus. So ist das mit den Ismen: Sozialismus, Absolutismus und Katholizismus hören sich nicht nur sehr ähnlich an, sondern funktionieren auch psychologisch und ökonomisch auf sehr ähnliche Art und Weise.
Die historische korrekte und psychologische dichte Romanvorlage gab Wolf Gelegenheit, den großen Etat sinnvoll einzusetzen. Allein die Kostüme aus dem Fundus der DEFA Studios (die später auch durch große Hollywoodproduktionen gern verwendet wurden) sind den Film schon wert. Wolfs Goya ist menschlich. Mürrisch, schwitzend, arbeitswütig und immer etwas getrieben wirkend legt sich der wegen seiner genialen künstlerischen Leistung von dem spanischen Hofe verhätschelte Hofmaler immer mehr mit seinen Auftraggebern an, malt den König so realistisch, dass er als Karikatur wirkt und begibt sich dann auf eine lange Pilgerreise durch karge spanische/bulgarische Hochebenen auf die Suche nach der Erkenntnis.
Der Film ermöglicht eine Wiedersehen mit den Titanen der Schauspielerei Marke DDR: Wolfgang Kieling spinnt die Intrigen am spanischen Hof, dass es einen erschaudern lässt. Nicht nur wegen des Vornamens erinnerte mich seine Darstellung ganz stark an den bekannten Minister der CDU, bevor er zum Rollstuhlfahrer wurde. Überhaupt wird man leicht Ähnlichkeiten mit lebenden oder historischen Personen finden - die Darsteller lassen keinen Zweifel daran, dass sie hier keinen plumpen Kostümfilm aufführen, sondern stehen sozusagen immer etwas neben der Rolle, was den Film zeitlos und modern zugleich macht. Der geniale Rolf Hoppe spielte den extrem tumben und unter der Herrschaft seiner Frau leidenden König, der sich zu dem scheinbar so frei lebenden Maler hingezogen fühlt, mit leichter Übertreibung und doch so eindrucksvoll, dass es mich einfach begeistert. Es gibt eine lange Szene, wo er ohne Aufsicht seiner Gattin mit Goya durch die riesigen Garten seines Palastes geht, sich zunehmend kindischer benimmt um sodann eine jungenhafte Rauferei mit dem immer stärker befremdeten Goya anzufangen, die in völligem Chaos endet. Diese etwa 5-10 Minuten lange Szene ist zugleich eine Schlüsselszene des Films, weil spätestens ab diesem Erlebnis Goya sich innerlich immer mehr von seinem Auftraggebern, den spanischen Höflingen, abwendet. Weitere DDR-Schauspielerstars sind Fred Düren und Günter Schubert, die ihre kleinen Rollen perfekt ausfüllen. Überhaupt gibt der Film Gelegenheit, nicht nur die handwerklichen Fähigkeiten der DEFA Studios zu bewundern sondern auch darüber zu staunen, wie leicht es der Produktion offenbar fiel, einen internationalen Cast von immerhin etwa 120 Schauspielern nicht nur aus der DDR zusammenzustellen, von denen jeder absolut perfekt für seine Rolle geeignet ist. Man nehme als Beispiel nur den polnischen Darsteller des Großinquisitor. Eine bessere Darstellung einer so bösartigen Rolle wird man nur selten in irgendeiner internationalen Produktion finden.
Negativ ist allenfalls anzumerken, dass der Film (wie auch die Romanvorlage) im letzten Drittel deutliche Längen hat. Die Pilgerreise des Francesco Goya ist schlicht und einfach zu lang dargestellt und im Vergleich zur hohen Informationsdichte und dem hohen ausstattungstechnischen wie schauspielerischen Aufwand der ersten 2/3 des Filmes fällt dies doch deutlich ab.
Ein besonderes Highlight des Films sind außerdem die ganz offensichtlich verschwommenen und mit einer Handkamera aufgenommenen und deswegen besonders packend wirkenden Szenen eines echten Stierkampfes (ja, da fließt richtig Blut). Dazu gibt es eine Anekdote, die bei der von mir besuchten Vorführung des Films von Mitgliedern des damaligen Ensembles erzählte wurde: die Dreharbeiten für diesen spanischen Stoffe konnten nicht in Spanien gemacht werden, weil dort zum damaligen Zeitpunkt noch der Diktator Franco regierte. Der Film brauchte aber unbedingt eine Stierkampfszene. Deswegen bat Konrad Wolf seinen Bruder, den Chef der DDR Auslandsaufklärung Markus Wolf, über Auslandsagenten eine paar Aufnahmen von einem Stierkampf aus Spanien zu besorgen. Gesagt getan. Markus Wolf stellte ein kleines Team von Agenten zusammen, die mit einer für Amateure üblichen Handkamera und einer Legende ausgestattet nach Spanien reisten, um wie Touristen ein paar Szenen vom Abschlachten des Stieres in der Arena aufzunehmen. So ist das eben, wenn man der Starregisseur der DDR ist und der Bruder eine Armee von Agenten befehligt.
Großes Kino made in DDR und von filmtechnisch wie künstlerisch hohem Wert. Zugleich ein früher Abgesang auf den real existierenden Sozialismus. Es gab, wie von Leuten aus dem Filmteam berichtet wurde, erhebliche Sorgen bei der abschließenden Musterung des Filmes sowohl durch die DDR-Kulturbürokratie wie auch den damals noch darüber stehenden sowjetischen Funktionär. Da der Film aber künstlerisch überhöht ist und nicht zu offensichtlich Abkehr vom Sozialismus predigt (was aus heutiger Sicht zugleich seinen Wert ausmacht) rutschte die vom Regisseur hergestellte Endfassung durch alle Kontrollen und ist auch heute noch als DVD erhältlich.
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