Jugendfreigabe - Sag niemals dieses eine Wort!

27.04.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Ein Wort ändert alles
Lionsgate/BBFC/moviepilot
Ein Wort ändert alles
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Nicht immer muss es der große Skandal sein, der einem den Magen rumdreht. Manchmal reichen eher unscheinbare Entscheidungen vollkommen aus, dass die Galle hochkommt.

Aufregend war diese Woche allemal. Für Fußball-Fans beispielsweise, die am Dienstag Zeugen davon wurden, wie Chelsea gegen das übermächtige Barcelona Beton anrührte, und am Mittwoch, wie der FC Bayern München sich gegen Real Madrid ins Finale kämpfte. Spannung wie bei einem Thriller. Relativ spannend und hart soll auch der Film Stormhouse sein. Da wird dann vor der Veröffentlichung bekanntlich gerne mal die Schere angelegt. In diesem Fall ist die Zensurmaßnahme aber an Lächerlichkeit kaum zu überbieten.

Der Aufreger der Woche hat den Minischnitt bei Stormhouse zum Thema, der einige Fragen aufwirft.

Auf ein Wort!
Zahlreiche Filmfreunde verehren das Horrorgenre. Den zuständigen Personen für die Jugendfreigabe respektive Indizierung ist es, so der Eindruck, eher ein Dorn im Auge. So roh, so brutal, so gefährdend – so viel Arbeit, dem Filmemacher und dem Cutter die, für eine Freigabe zu entfernenden Stellen aufzulisten. Nicht nur in Deutschland maßen sich die Zensurstellen an, die Entscheidung zu treffen, wo in einem Film was herausgeschnitten werden muss, sondern auch in Großbritannien. Das British Board of Film Classification (BBFC) schützt die Inselbewohner seit vielen Jahren vor, ihrer Meinung nach, allzu verstörenden Bildern – oder Wörtern. Das haben nun auch Regisseur Dan Turner, sein Team und High Flies Films erfahren. Der Mysteryhorrorfilm Stormhouse sollte eine Freigabe ab 15 Jahren bekommen, doch das BBFC hatte Einwände und verlangte eine Kürzung. Wegen abgeschlagener Köpfe, abgetrennter Gliedmaßen, Blutbädern? Mitnichten! Ein einziges Wort gab den Ausschlag!

Nur eine Sekunde
Schon jetzt macht sich ein breites Grinsen breit. Ein popeliges Wörtchen soll tatsächlich die Alterfreigabe um stramme drei Jahre nach oben schrauben? Was kann so schlimm sein? Muss sich ja wohl um einen wahnsinnig ordinären Kraftausdruck handeln. Auch wieder falsch. Das BBFC nahm offenbar Anstoß an einer unschicklichen Bezeichnung für das primäre weibliche Geschlechtsorgan. Um die Freigabe von „ab 18“ auf „ab 15“ zu drücken, musste also eine (!) Sekunde aus dem Film entfernt werden, eben dieses eine Wort. Da steht einem echt der Mund offen. Dass das BBFC Probleme mit manchen Ausdrücken hat, ist hinlänglich bekannt. Der in Deutschland ab 16 Jahren freigegebene Film Gewalt und Leidenschaft von Luchino Visconti musste in Großbritannien vor der DVD-Veröffentlichung 2003 um zwei Worte erleichtert werden, um überhaupt für Erwachsene erhältlich zu sein.

Willkür & Machtdemonstration
Es mag wie eine Kleinigkeit wirken, da es sich ja auch um eine Kleinigkeit handelt. Und verglichen mit der Situation in Deutschland, wo gerne einmal ganze Blöcke entfernt werden, sodass der Film in seiner Struktur zerstört wird, mag diese Handhabung außerordentlich liberal wirken. Bei näherer Betrachtung ist die BBFC-Entscheidung aber wieder ein Beweis für die Willkür von Indizierungsbehörden. Wegen eines Wortes einen Film mit der gleichen Freigabe zu versehen wie zum Beispiel den vielfach radikaleren Die 120 Tage von Sodom von Pier Paolo Pasolini, entbehrt jeglichen Sinns.

Machtdemonstration und Rechtfertigung der eigenen Existenz scheinen hier die Triebfedern zu sein. Leider ist das nicht auf das BBFC beschränkt, sondern zieht sich durch viele Länder. Eine Diskussion über Inhalte, die die Grenzen womöglich weit überschreiten, ist ja durchaus angebracht. Aber wegen beinahe nichts die Muskeln spielen zu lassen und die Verhältnismäßigkeit mit Füßen zu treten, geht entschieden zu weit.

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