Last Life in the Universe

19.06.2009 - 14:36 Uhr
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Ein Film über das Alleinsein – von einem thailändischen Regisseur, mit einem japanischen Hauptdarsteller und einem australischen Kameramann. Unsere DVD-Entdeckung der Woche.

Der Tod wird in Bildern vorweggenommen. Zuerst erhängt sich Kenji, baumelt von der Decke in seinem ordentlichen Zimmer, das er obsessiv geordnet hat. Schuhe, Messer, Bücher, Sitzecke, Unterwäsche, Socken. Dann springt er von der Brücke, stürzt in seinen Tod, in das kalte Nass. Doch seine halbherzigen Selbstmordversuche scheitern jedes Mal. Jemand kommt durch die Tür, er befreit sich vom Seil. Jemand blickt ihn auf der Brücke an, er kommt von der Brüstung runter. Die Augen, die ihm beim zweiten Mal helfen, sie sterben. Ein Auto überfährt das Mädchen.

Zuhause kommt sein Bruder immer wieder vorbei. Er spricht viel, Kenji schweigt. Er bringt Bier vorbei, Kenji packt es ordentlich in den Kühlschrank. Eines Tages bringt er auch einen Freund mit. Und Kenji, er findet eine Pistole. Er möchte sich umbringen, doch wieder kommt was dazwischen: Der Freund bringt den Bruder um. Auch Kenji tötet. Zwei Leichen im Wohnzimmer – das sind zwei Leichen zu viel.

Noi, die große Schwester des auf der Brücke umgefahrenen Mädchens, spürt Kenji auf. Sie bringt ihm seine Tasche vorbei, die er vergessen hatte. Beide verbringen plötzlich Zeit miteinander, gehen zusammen essen; eine zerbrechliche Beziehung entsteht, zwei fragile Gestalten, die vom Leben nichts mehr erwarten, zwei Gegensätze auch. Noi ist chaotisch, die Wände in ihrem Haus sind vor lauter Dreck kaum zu sehen. Zwei Welten, die aneinanderprallen.

Last Life in the Universe ist ein Synonym für die Einsamkeit. Monoton kommt der Film daher, unglaublich zäh entfaltet er sich. Regisseur Pen-Ek Ratanaruang lässt seinen Figuren Raum zur Entwicklung. Er lässt sie entdecken, Dinge anfassen, lässt sie umherschauen in den genau komponierten Bildern, die er mit dem berühmten Kameramann Christopher Doyle gebaut hat. Er lässt sie auch schweigen, sich gegenseitig anschauen. Wertvolle Minuten vergehen mit dem Anschauen von Impressionen. Die Natur der Charaktere wird erklärt, ihre trostlose Umwelt ist nicht trauriger als ihr Sein. Doyle nennt das „day for light“; die Farben sind weniger kräftig, wirken abstrakt.

Die Kommunikation zwischen Kenji und Noi macht den Großteil der erzeugten Spannung aus. Das vorsichtige Herantasten an das Fremde wird wunderbar deutlich; die extrovertierte Noi wird plötzlich still in Kenjis Gegenwart und Kenji akzeptiert plötzlich auch das Unstete in ihrer Gegenwart, auch wenn er irgendwann anfängt, das Haus sauber zu machen, die Teller zu waschen. Unaufdringlich unterstützt die musikalische Begleitung den Film, aber niemals leitet sie ihn. Emotionen werden nicht durch laute Geigen und Melodien erzwungen. Der Zuschauer reagiert auf das, was er sieht, weil er es spürt und nicht, weil er es spüren soll.

Eigentlich wollen sie beide nicht sterben. Denn eigentlich geht es ihnen gut. Sie leben zwar in der Melancholie, doch sie sind glücklich dabei. Es ist das befriedigende Gefühl zu wissen, dass sie nicht abgestumpft sind. Die Gesellschaft mag sie ignorieren, doch – das ist das große Fazit dieses seltsam schönen Films – unter Feinden lebt es sich; alleine ist man schon gestorben.

„Bist du traurig?“, fragt er. „Jeder Mensch traurig“, antwortet sie. Sie sagt das mit einem Lächeln.

Auf DVD erhältlich. Last Life in the Universe enthält neben ein paar sehr kurzen, aber immerhin interessanten Interviews auch ein halbstündiges Behind-the-Scenes. Dazu gibt es noch eine Bildergalerie – und das war es dann auch schon. Sehr hübsch: Das 16-seitige Booklet. Darin wird in relativ knappen Texten über den Film und seine Macher erzählt. Die Scheibe ist der zweite Teil der zwölfteiligen Edition Asien von Rapid Eye Movies.

Hier noch der Trailer

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