Loch Ness - Zwei Leichen und ein falscher Nessie-Kadaver

06.09.2017 - 19:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
The Loch, Staffel 1ITV
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Die Serie Loch Ness erfüllt Nessie-Mythos-Sehnsüchte und verwebt sie mit einem respektablen Fall. Inmitten der wunderschönen Highlands werden Menschen ermordet und ein Nessie-Skelett zu Wasser gelassen.

Nichts ist größer als Nessie, das Monster aus dem Loch Ness, dem schwarzen Krater inmitten einer großen bunten Welt, aus dem alles kriechen könnte, wenn wir nur fest genug dran glauben. Der See als irdische Entsprechung des unendlichen Weltraums. Nichts ist größer als Nessie, schon gar keine Krimi-Serie, die sich The Loch nennt, die für den deutschen Vertrieb, gewohnt pragmatisch, diesmal sogar aber zielführend, zu Loch Ness umgetauft wurde. Damit jeder weiß, um was es in dieser Serie geht: Die Erfüllung solcher Forderungen und Sehnsüchte, wie man sie an eine Krimi-Serie mit Handlungsort Loch Ness stellen kann, darf und sollte.

Beauty of Nature. Bores the living shit out of me.

Der grotesken Schönheit der schottischen Highlands trägt Loch Ness mit Postkarten-Bildern Rechnung, die wohlig verdunkelt werden vom Nessie-Mythos. Wir, die von Tim und Struppi sozialisierten Zuschauer, gieren danach genauso rotbackig wie die Nessie-Touristen, die der Ehemann der ermittelnden Kommissarin Annie Redford auf dem See herumschippert. Er füttert die Leute mit Mythen-Häppchen, so wie man sich das als Loch Ness-Tourist wünschen würde.

Loch Ness

Dass auch die Serie pulpigen Grundbedürfnissen nachkommen will, zeigt sie schon in der ersten Plansequenz. Die Kamera fliegt über saftige Moosteppiche, die auf kohleschwarzen, uralten Bergen liegen, und stürzt unvermittelt auf den Grund des dunklen Sees. Dort schwebt, von einem Eisstock beschwert, eine grüne Wasserleiche. Geborgen wird die noch nicht in der ersten Folge, aber das ist nur eine Frage der Zeit, denn wie sich bald herausstellt: Wenn du am Loch Ness wohnst und was auf dich hältst, dann besitzt du ein Boot mit Sonar oder wenigstens eine Unterwasserdrone. Das ist so sicher wie Skifahren in den Alpen.

Der Fall selber ist ein mit einem Klavierlehrermord angereicherter Scooby-Doo-Plot, was genauso toll ist, wie es klingt. Loch Ness vollendet so die heilige Dreifaltigkeit des britischen Heimatkrimis aus Mythos, Landschaft/Lokalkolorit und detektivischer Raffinesse. Der Eindruck hält sich nach beseeltem Genuss der ersten von sechs Episoden.

Es heißt nicht umsonst, dass der durchschnittliche Brite (zugegeben, nicht nur der), den Mörder einer deutschen Tatort-Episode plus Lösungsweg bereits vorlegen kann, noch bevor die Leiche eines fremdvögelnden Versicherungmaklers mit Brieföffner in der Brust auf dem kalten Asphalt eines Parkhauses irgendwo in Hessen liegt. Die kulturhistorisch bedingte Leistungsdichte des britischen Krimis (jeder Crime-Schriftsteller muss sich irgendwie mit Arthur Conan Doyle und Agatha Christie messen) treibt Autoren Schweiß auf die Stirn, bringt aber auch kraftvolle Formate wie Luther und Sherlock hervor, bei denen der schwerste Fall immer der nächste bzw. der gegenwärtig behandelte ist. Einen Malen-nach-Zahlen-Plot kann sich eine britische Krimiserie einfach nicht erlauben. Loch Ness nun konjugiert seine simple Crime-Grundform nicht besonders weit durch, kann aber mit einer respektabel komplizierten Mordserie aufwarten.

Loch Ness

Zwei Leichen, ein führerloses Herz und eine aus Schlachterabfällen zusammengesteckte Nessie-Attrappe müssen nach der ersten Episode irgendwie zu einer stimmigen Lösung kombiniert werden. Vom stahlgrauen Loch-Wasser wird die falsche Nessie-Leiche angeschwemmt, to the bonnie bonnie banks of Loch ness .

No more Selfies! - Do you think this is a crime scene!?

Dafür zuständig ist die aufgeregte, da erstmals mit einem Mord betraute Polizistin Annie Redford. Gespielt wird sie von Laura Fraser, die noch andere Dinge tut, als die Businessplan-Rädchen klinisch reiner Drogen-Entrepreneurs zu ölen. Wie ihre Lydia Rodarte-Quayle aus Breaking Bad schaut auch Laura Frasers Annie Redford immer etwas pikiert drein. Meist liegt das an ihrer entfremdeten Tochter Evie, die wahrscheinlich einmal zu oft die Engel-Skelett-Folge der Simpsons  gesehen hat. Evie wird der Autorenschaft bei dem tourismusfördernden Nessie-Streich überführt, was für einen Interessenkonflikt zwischen Kommissarinnen-Annie und Mutter-Annie sorgt. In den Nessie-Gulasch ist irgendwie nämlich auch das erwähnte menschliche Herz geplumpst.

Zur Mitte des Piloten legt sich Loch Ness in eine Dexter-Kurve. Dem toten Klavierlehrer wurde bei lebendigem Leib und offenbar aus Jux und Tollerei der vordere Teil seines Gehirns entfernt. Der ortsfremde Forensik-Star Blake Albrighton (Don Gilet) betritt daraufhin das Feld. Siobhan Finneran als weitere, unterstützende Kommissarin Lauren Quigley ist schon vor Ort. Zusammen mit Annie Redford hält sie Kommissar-Dialoge wie: "He was a decent guy, everbody loved him." - "Well, somebody didn't". Ja, eine leichte maschinelle Steifheit ist Loch Ness dann doch anzumerken. Aber das lässt sich verschmerzen.

I'd give my right ball for a cup of tea.

Die Unterhaltungen zwischen den Polizisten werden geführt mit diesem unwirschen schottischen Dialekt, der uns sehr vertraut ist aus den Trainspotting-Filmen. Das akustische Pendent zur Krakelschrift eines Arztes. Die Schotten sollen zu den freundlichsten Menschen Europas gehören, und sowas ähnliches ließe sich auch über die Serie Loch Ness sagen: Du fühlst dich wohl mit ihr, so wohl wie mit einer Gruselgeschichte vor dem Kamin.

Loch Ness läuft jeden Mittwoch ab 20:13 Uhr bei 13th Street.

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