Marvel-Stars zwischen Ausverkauf und Wohltätigkeit

25.04.2018 - 11:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Avengers 3: Infinity War
Walt Disney Pictures
Avengers 3: Infinity War
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Haben sich MCU-Stars wie Robert Downey Jr. verkauft? Diesen angeblichen Vorwurf ihrer Kollegen weist Zoe Saldana als elitär zurück und fordert mehr Respekt für Superhelden-Darsteller - mit einem Klagelied aus dem Elfenbeinturm von Marvel.

Ein Gespenst geht um in Hollywood - das Gespenst des Elitismus. Begegnet ist ihm Zoe Saldana, die als blaue Na'vi in Avatar und grüne Gamora der Guardians of the Galaxy gleichermaßen bekannt wie vermögend wurde, aber das Werk von Franchise-Stars nicht ausreichend gewürdigt sieht. "Innerhalb der Filmindustrie gibt es elitäre Menschen, die auf Marvel-Filme oder Schauspieler wie mich herabschauen", heißt es in einem jüngst erschienenen Interview , das unerklärlicherweise um Anerkennung für die bestbeschäftigten Namen der Branche wirbt. MCU-Darstellern werde der Vorwurf des Ausverkaufs gemacht, obwohl sie bedürftige Kinder ermutigten: "Diese [unsere] Rollen inspirieren Fünfjährige, deren letzter Wunsch es ist, einen Superhelden zu treffen", meint Saldana. Ihre Kollegen opferten sogar Freizeit, um den Fünfjährigen zu sagen, dass sie gehört, gesehen und verstanden würden. "Die Elitären sollten sich bewusster machen, was die Verkörperung eines Superhelden für Kinder bedeuten kann".

Der flammende Appell kommt pünktlich zur Veröffentlichung von Avengers 3: Infinity War und einen Monat nach der letzten edelmütig geopferten Freizeit inspirierender Marvel-Stars, die infolge des tausendfach geteilten Twitter-Aufrufs  der Fox-News-Moderatorin Shannon Bream Videos für einen todkranken Jungen drehten. Auch im wahren Leben erweisen sich Disney-Helden als gemeinnützig: Chris Evans (Captain America) und Chris Pratt (Star-Lord) besuchten kurz vor Kinostart des zweiten Avengers-Films ein Kinderkrankenhaus in Seattle , Chris Hemsworth (Thor) und Tom Hiddleston (Loki) haben es in Brisbane  getan und Johnny Depp mit voller Piratenmontur in Vancouver . Gepostet werden die Überraschungsauftritte von den Stars selbst, Millionen gerührter Fans verbreiten die Bilder und Videos anschließend bei Instagram und YouTube. Im Saldana-Sinne wäre es vermutlich elitär und herzlos, solche Samariterevents zynische Marketingstrategien zu nennen - anders als deren (logische) Instrumentalisierung zur Abwehr von Einwänden, versteht sich.

Zoe Saldana in Guardians of the Galaxy

Die Schauspielerin stellt eine geschickte emotionale Falle auf, indem sie Vorbehalte gegenüber dem Unternehmen Marvel mit der PR-Charity seiner Repräsentanten verknüpft. Im perfidesten Satz des Interviews – "sie beleidigen nicht nur mich, sie beleidigen das, was ein Kind als wichtig empfindet" – scheint es um zweierlei zu gehen: Eine Delegitimierung von Kritik, bei der sterbenskranke Kinder als Schutzschilde herhalten müssen, und die Apotheose eines Markenimperiums, dessen aggressive Ausbreitung dem guten Zweck diene. Der immunisierende Verweis auf den Stellenwert von Superhelden in kindlichen Erfahrungswirklichkeiten könnte trivialer nicht sein. Schließlich hat alles für irgendwen eine Bedeutung. Und gerade Kinderfilme, als solche Zoe Saldana die Marvel-Produktionen offenbar versteht, werden von der tagesaktuellen Kritik meist gedankenlos abgefrühstückt ("den Kleinen sollte es gefallen"). Es ist verräterisch, dass Saldana ihre Arbeit nicht künstlerisch, sondern über deren Rezeption verteidigt – als Variation des Scheinarguments, ein Film müsse gut sein, wenn er Geld macht.

Der Vorwurf des Ausverkaufs wird durch diese Taktik nahezu pulverisiert (zugegeben: von allen möglichen Einwänden gegen das MCU ist es beileibe nicht der dringlichste), und das vermeintliche Stigma des Franchise-Stars scheinbar nobel umgedeutet (Marvel, der Heilsbringer). Sollte es in Hollywood, wo der Erfolg Trilliarden einspielender Comicverfilmungen eher wenige Nachteile mit sich bringen dürfte, tatsächlich auch artikulierte Zweifel an Marvel-Darstellern geben, hat das vielleicht Gründe. Wesentlich saturierter noch als Zoe Saldana verteidigte beispielsweise Robert Downey Jr. – MCU-Posterboy der ersten Stunde – seinen Dauereinsatz im Superheldenuniversum. Nicht die nunmehr zehnte Verkörperung von Iron Man sei "unzureichend", sondern das Arbeiten mit "unerfahrenen" Independentregisseuren, die erwarteten, dass ihre Filme in Sundance beworben werden. So ließ es Downey Jr. 2015 verlautbaren . Es war die selbe Avengers-Pressetour, auf der er ein Interview abbrach , das über Erfüllungsgehilfenjournalismus hinausging ("Are we promoting a movie?").

Robert Downey Jr. in Avengers 3: Infinity War

Die selbstherrlichen Aussagen des nach früheren Drogeneskapaden von ebensolchen Independentregisseuren rehabilitierten Schauspielers passen gut zu einem Konzern, der den Wandel der Hollywood-Produktionsökonomie wie kein anderer symbolisiert. Downey Jr. betont seit Jahren, er wolle mit Iron Man abschließen , "bevor es peinlich wird", gebracht haben solche Statements dem unentbehrlichsten MCU-Mitglied vor allem höhere Gagen und Gewinnbeteiligungen. Für seinen Kollegen Chris Evans hingegen soll nach Avengers 4 wirklich Schluss sein, eine Vertragsverlängerung stellt der zwischenzeitlich selbst als unerfahrener Independentregisseur tätige Captain America nicht in Aussicht . Die Mehrheit der MCU-Stars scheint ohnehin kein Interesse am exklusiven Superheldendasein zu haben. Tom Hiddleston, Mark Ruffalo, Scarlett Johansson, Jeremy Renner oder Chadwick Boseman sind weiterhin in sehr unterschiedlichen Rollen zu sehen. Und für Paul Rudd, Benedict Cumberbatch oder Benicio Del Toro sind Ausflüge nach Marvelwood kaum mehr als lukrative Gelegenheitsjobs.

Vielleicht lassen sich Zoe Saldanas argumentative Nebelkerzen mit offenkundigen Profilierungsschwierigkeiten erklären. Schauspieler mögen Marvel-Filme als vergnügliche und karriereförderliche Angelegenheit betrachten, doch herausgefordert fühlen sie sich von ihnen wahrscheinlich nicht. Je fester die Verschränkungen der übergeordneten Erzählung greifen, desto verlorener wirken ihre Figuren im längst randvoll bepackten Ensemble: Viele Darsteller von Avengers 3: Infinity War sollen sich während der Dreharbeiten nicht einmal begegnet sein, mehr oder weniger besteht der Film aus digital zusammengesetzten Einzelperformances - die wenigen Reibungsflächen scheinen den Leinwandversionen der MCU-Helden endgültig ausgetrieben. Saldana läge vollkommen richtig, würde sie gegen kunstbeflissene Vorurteile über das Mainstream-Kino per se argumentieren. Stattdessen kontaminiert sie das Thema mit Gefühlsduseligkeiten und erklärt einen Big Player zum Underdog. Nicht Kritiker des Systems Marvel sind elitär, sondern die fadenscheinigen Versuche seiner Heiligsprechung.

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