Es gibt natürlich keine feste Form wie ein Lieblingsfilm aussehen muss. Ob schön oder hässlich, laut oder leise, langsam oder schnell. Ein jeder hat es die Chance den Zuschauer unerwartet zu packen und zu fesseln. Häufig geschieht das unerwartet und in einer Form, die man kaum kannte. Im Fall von "Only God Forgives“ war es die Tatsache, dass man davon ausging Regisseur Nicolas Winding Refn würde auf den Hype von dem aus dem im vergangenen Jahr erschienen „Drive“ aufspringen und wieder einen Film zeigen in dem Ryan Gosling den coolen Helden in einer brutalen Geschichte geben würde. Also ein Film, der auf Nummer sicher geht. Tatsächlich war denjenigen, zu denen auch ich zählte nicht bewusst, dass Refn schon lange zuvor einzigartige Filme drehte und sich wenig um Kritik und Zuschauer scherte. So kam es für mich unerwartet, dass „Only God Forgives" im Gegensatz zum früh gefeierten und Kult erklärten „Drive“ dieser Film durchweg einiges an schlechten Kritiken und Vorwürfen bis hin in Richtung Menschenverachtung einstecken musste.
Trotz der harschen Gewaltdarstellung bekam der Film in Deutschland eine Freigabe ab 16 und so durfte ich ihn mit meinen damaligen 17 Jahren doch noch im Kino bewundern. Was ich sah, war für mich äußerst schwer zu fassen. Ich war damals abends alleine hingegangen ins Kino gegangen und dies war auch noch als ich bei weit entfernten Verwandten war, bei denen ich glücklicherweise ein Kino in der Nähe hatte, was ihn zeigte. So ging ich abends auch noch durch eine für mich eher fremde Gegend. So kam es, dass ich auf dem Rückweg eine Angst spürte, wie ich sie selten hatte. Dabei hatte ich nichtmal einen Horrorfilm gesehen. Vielleicht bot mir kein Film, den ich bisher im Kino sah je die Möglichkeit in einer Hölle so zu versinken. So fühlte ich mich zumindest nach dem Anschauen.
Ich sah tiefe Grausamkeit verpackt mit einer Spur von purem Zynismus, wie ich es bisher von wenigen Filmen kannte. Ich war selten so nah an solch offensichtlich böse und finster gezeichneten Menschen. Einer Mutter, die ihrem Sohn Weichlichkeit vorwirft, weil dieser nicht seinen Bruder/ihren Sohn rächt und den toten Bruder auch noch in Schutz nimmt, obwohl er die Tochter seines Mörders vergewaltigt und umgebracht hat. Es ist eine finstere Gegend, die uns hier präsentiert wird. Die Figuren wirken wie Schachfiguren in einer von Bösen beherrschten Welt. So atemberaubend dabei ist der uns diesem Film metaphorisch als Gott gepriesene Held. Der über das Schicksal jeder Figur bestimmt und entscheidet was mit ihr zu geschehen hat. Der sein Schwert in jeder Situation aus dem Nichts herausholt und entscheidet wer es verdient, dass man ihm vergibt. Dieses bedeutungsschwangere ist es, was den Film in vieler Weise heraushebt und zu einem mutigen Werk macht mit dem Refn an sein Vorbild Alejandro Jodorowsky anschließt. Ryan Gosling nimmt zwar wieder die Hauptrolle ein, ist aber entgegen der Erwartungen diesmal nicht der Held, sondern eher bemitleidenswert, während er in "Drive" zuvor die pure Coolness darstellte. Für mich stellte er in beiden Filmen eine faszinierende und auch ambivalente Persönlichkeit da. Hier als Julian ist er jemand bei dem Momente von Menschlichkeit aufkommen, wie sie selten in dem Film zu finden sind. Gleichzeitig versucht er immer sich dem Wunsch seiner Mutter zu widersetzen und Rache zu nehmen, aber scheitert entweder an seinem Gewissen oder im Kampf gnadenlos und schämt sich bitter. Gleichzeitig erfahren wir immer mehr über seine fehlende Zurechnungsfähigkeit, die sich andeutet, wenn er ohne ersichtlichen Grund anfängt zu prügeln und sein dabei nicht aufhörender Blick auf seine Hände, die wie sich später herausstellt das Mordinstrument für seinen eigenen Vater waren. Den Ödipuskomplex der damit angeschlagen wird, gibt dem Film nochmal eine eigene faszinierende Note. Als Julian gegen Ende am Leichnam seiner Mutter steht und in ihrem Inneren nach seinem Herz kramt, stellt er nochmal das ganze Fundament ihrer Beziehung aus Zuneigung und Hass zur Schau.
Vom Stil her ist der Film wie auf mich zugeschnitten und trifft einen der Nerv, der mich häufig schwach werden lässt. Die düsteren Bilder in neongetränkten Farben sind etwas an dem ich mich kaum satt sehen kann. Während andere dies gerne als Nacheifern von großen, durchaus als Vorbild dienenden Regisseuren vergleichen, war ich erstaunt und nie ermüdet von den langanhaltenden Einstellungen und diesem greifbar langsamen Tempo, die die Grausamkeit des Inhalts perfekt nach außen tragen. Die Musik ist neben den famosen Karaoke-Einlagen perfekt auf Bilder abgestimmt und geben durch dieses Tieffrequenzbrummen und Synthesizerklänge eine starke Atmosphäre. Viele sehen Arroganz darin wenn lange Einstellungen sich durch den gesamten Film erstrecken, ich mag es wenn so Geschichten in Gang gebracht werden. So sind einzelne Momente die zelebriert werden oftmals das Entscheidende und nicht das Erzählte selber.
Bei „Only God Forgives“ funktioniert die einfache, wenn auch sehr düstere Geschichte durch ihre außergewöhnliche Filmsprache in denen uns dieser Film Grausamkeiten und aber auch versöhnliche Momente präsentiert. Oftmals ist dieses Bebildern auch etwas über das der Macher mit uns kommuniziert und im besten Falle schafft uns zu erreichen. So ging es mir hier. Der ganze Film ließ mich kaum los, weil mich seine Art des Erzählen und Darstellen auf eine ganz bestimmte Weise fesselte, wie ich sie zuvor nicht kannte. Gleichzeitig verbinde ich natürlich das Schauen des Films immer wieder mit dem Erlebnis als ich mit 17 allein abends ins Kino ging. Sowohl dieses Gefühl etwas besonderes gesehen zu haben und es das ist bei diesem Medium immer wieder großartig.
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