Rebellion und Klischee - Almodóvars Flirt mit Spanien

06.08.2009 - 09:00 Uhr
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Der spanische Filmemacher gilt als einer der renommiertesten Regisseure der iberischen Halbinsel. Er steht gleichzeitig für das Queer-Kino und die Verteidigung spanischer Klischees im Film. Ein Widerspruch? Nein, eine feurige Mischung.

Nicht gerade zimperlich geht Spaniens wohl bekanntester Regisseur Pedro Almodóvar mit seinem Heimatland um. Warum ihn die Spanier dennoch lieben? Weil er das Spanische nicht verspottet, sondern überstilisiert und gleichermaßen veredelt.

Spätestens seitdem Pedro Almodóvar mit Sprich mit ihr – Hable con ella seinen zweiten Oscar gewann, prägt er wie kein anderer Filmemacher das Bild, was wir Europäer von Spanien im Kino vermittelt bekommen. Es sei feurig und traditionell, von starken Frauen besetzt und Männern, die ihre Sexualität egal in welche Richtung ausleben, es sei Stierkampf und Hysterie, Liebe und Verlust, Flamenco und Trauer. Doch nicht immer pflegte der Filmemacher eine intensive Beziehung mit seinem Heimatland. Der faschistische Franco starb erst 1975 – vorher war es keinem Regisseur möglich, ein queeriges, buntes, witziges Kino zu etablieren, welches Almodóvar nach Francos Tod in den 1980ern mit La Movida gründete. pepi-luci-bom-y-otras-chicas-del-monton nennt sich der Auftakt zum quirligen Kino Almodóvars, in welchem er die Tabus brach, welche jahrzehntelang auf der iberischen Halbinsel lagen. Da werden Männer zu Frauen und Frauen zu Männern, alle quatschen lautstark über Sex und leben offen alles, was zuvor tabu war.

Doch Almodóvars Kino bedeutet nicht nur Rebellion, sondern ist auch die Offenbarung spanischer Klischees und des traditionellen Kitsch. Vor allem seine bedeutenden Werke seit den 1990ern wenden sich verstärkt dem Spanischen hin: Denken wir an Penélope Cruz, wie sie den Flamenco in Volver – Zurückkehren singt oder Rosario Flores, die Torrera aus Sprich mit ihr – Hable con ella, die den männlichsten aller spanischen Berufe verweiblicht. Die Infragestellung sexueller Identitäten spielt sicherlich eine Rolle im Flirt mit Spanien, doch weitaus wichtiger scheint der Einsatz typischer spanischer Muster, die Almodóvar teils traditionell, teils ironisch verwendet: Flamenco, Stierkampf, Pueblo, Familie – allen voran die spanische Frau bzw. Mutter.

Großartige Szenen finden sich in Almodóvars Werk mit seiner eigenen Mutter Francisca Caballero. In Kika spielt die die Fernsehmoderatorin Doña Paquita, die den ausländischen Schriftsteller interviewt und ihm Käse aus La Mancha anbietet. Eine ältere spanische Frau, die sich mütterlich-traditionell dem kulinarischen Wohlergehen der Kinder und Jüngeren widmet, sich wie Carmen Maura in Volver – Zurückkehren selbst aufopfert, aber dabei ihren sturen Blick und die Zügel in der Hand behält. Sie wohnen meist auf dem Dorf, diese spanischen Frau, deren Kinder in der Großstadt Madrid einer Arbeit nachgehen. Doch wenn sie heimkommen in ihr Heimatdorf, das Pueblo, dann werden diese Arbeitenden wieder zu Kindern, denen man sagen muss, sie sollen genügend essen.

Eine Huldigung an die traditionelle Rolle der spanischen Frau? Sicherlich. Vermischt wird dieser Aspekt aber auch stets mit freizügiger Sexualität, Transsexuellem oder mit Frauen, die durchdrehen, weil sie verlassen wurden. Kitsch und Würdigung des Traditionellen finden sich bei Almodóvar ebenso im Szenenbild und den Kostümen. Vergleicht man das Roboterkostüm einer Victoria Abril in Kika mit der einer Carmen Maura in Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, so stellt man erneut fest, dass hier in einem Filmemacher zwei Welten aufeinanderprallen. In der Musik hingegen widmen sich Almodóvars Filme oft nur dem Traditionellen. Cucurrucucu Paloma" beispielsweise. Oder Lieder der Sängerin *Estrella Morente wie der Flamenco Volver.

Ob diese ungewöhnliche Mischung auch in seinem neuen Film eine Bedeutung hat, erfahrt ihr ab dem 6.8., wenn Zerrissene Umarmungen im Kino läuft.

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