Tatort: Deckname Kidon - Zwei Hundertprozentige

04.01.2015 - 20:10 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tatort: Deckname Kidon
ARD/rbb/ORF
Tatort: Deckname Kidon
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Die Wiener sind wieder da und entführen uns heute in Tatort: Deckname Kidon erneut in ein Gewirr der Verschwörungen bis hin höchste Ebenen.

Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) stürmt auf die Gleise und hebt dramatisch die Arme, um einen Zug anzuhalten. Der brettert einfach vorbei. Mit dieser Szene aus Tatort: Deckname Kidon fassen Regisseur Thomas Roth und Autor Max Gruber den Reiz des Wiener Tatort-Teams ausgezeichnet zusammen. Zuvor waren Moritz und Bibi (Adele Neuhauser) dem Güterzug auf der Landstraße hinterher gerast, um zu verhindern, dass er Ventile außer Landes schafft, die im Iran zum Bau von Atomkraftwerken genutzt werden könnten. Es ist keine sonderlich spannende Sequenz, außer vielleicht die eigene Garage birst vor Modelleisenbahnen. Aber wie Eisner alles gibt, um seinen Job zu tun, wie groß der Widerstand auch ausfällt, das imponiert, selbst wenn es die übermächtige Maschine nicht aufhalten kann.

Tatort: Deckname Kidon

Imponieren, das können die beiden Wiener Kommissare. Je größer die Gegner, desto besser ihre Krimis, lautet die Regel, und in Tatort: Deckname Kidon haben es die Schurken in sich. Besagter Güterzug dient zur Umgehung eines Embargos, woran sich der Lobbyist Trachtenfels-Lissé (Udo Samel) dumm und dämlich verdient. Einer seiner Kontakte, ein iranischer Atomphysiker mit Namen Bansari, ist aus seinem Hotelfenster in den Tod gestürzt. Aber während iranische Diplomaten die Sache als Suizid verkaufen, glauben Bibi und Moritz an einen Mord. Nur wer steckt dahinter, der Iran, die Schattenwirtschaft oder gar der israelische Geheimdienst Mossad mit seiner Spezialeinheit Kidon (die es wirklich gibt )?

Von allem bietet das Thriller-Gemenge dieses Wiener Tatorts ein bisschen, aber nicht genug, um an die Stärke früherer Einsätze anzuschließen. Dabei ist der Unterhaltungswert dieses Tatorts auf gewohnt wienerischem Niveau. Bibi und Moritz kabbeln ein wenig miteinander, aber viel mit den anderen. Wieder einmal erstaunt, mit welcher Natürlichkeit Krassnitzer und Neuhauser nebeneinander agieren, als würden sie das schon ewig machen, aber nicht als müssten sie das schon ewig machen. Zwischen den aus dieser Art Krimi gewohnten Plot-Elementen, darunter verwanzte Kommissare und korrupte Polizisten, fällt Opportunist Trachtenfels-Lissé als originelle Schurken-Schöpfung auf. Samel spielt diesen aalglatten Kerl, der in einem Schloss residiert und Barock-Parties gibt, mit ausgesuchter Höflichkeit und Arroganz. Er ist kein Schnurrbart zwirbelnder Teufel, eher ein gewissenloser Kapitalist, der sich mit dem Prunk des Adels brüstet. K&K  heißt schließlich die Firma, mit der er seine Geschäfte abwickelt.

Trotz des schillernden Gegenspielers und eines dem Genre angemessenen Erzähltempos geht Tatort: Deckname Kidon die existenziell anmutende Verzweiflung anderer Wiener Einsätze ab. Für den Zuschauer offensichtliche Erkenntnisse werden künstlich hinaus gezögert, damit wir Eisner Wein und Bier sippen sehen oder mit seiner Tochter telefonieren hören. Eine Tochter, deren Präsenz das Ende dieses Krimis durchaus bereichert, deren Eigenständigkeit als Charakter unabhängig von ihrem Status als Eisners Nachwuchs allerdings weiterhin nicht von Belang ist.

Die Kleinen gegen die Großen, Eisner gegen den iranischen Diplomaten, der mit den Beweisen davonspaziert: Das ist der Wiener Tatort par excellence. Selbst wenn also das Drehbuch zu wenig herausholt aus der ganzen Tragweite von Iran, Mossad und österreichischen Profiteuren, die Unbeirrbarkeit der beiden Kommissare ist der echte Grund einzuschalten. Wie Bibi und Moritz dem Zug hinterherfahren, anhalten, ihn vorbeirauschen sehen, wieder einsteigen und Gas geben.

Mord des Sonntags: "Wir können doch nicht zwei Mossad-Agenten auf offener Straße erschießen, wie sieht das denn aus?"

Zitat des Sonntags: "Sag mal, habt ihr einen Klopfer, oder was?"


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