Tatort: Die Neuen aus Franken - Das ist ja ein Tempo hier

12.04.2015 - 22:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden
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Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden
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Der Bayerische Rundfunk gehört zu den verlässlichsten Tatort- und Polizeiruf-Produzenten. Aber wie schlägt sich das neue Team aus Franken?

Auf die Bayern ist Verlass. Zu den kontinuierlich experimentierfreudigen Tatorten und Polizeirufen aus München gesellt sich mit dem neuen Franken-Krimi um Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs ein Team, das die Krimilandschaft tatsächlich bereichert. Nicht noch ein defective detective, nicht noch mehr unterkühlte Streitereien und doch ordentlich Tempo und eine gewisse Unvorhersehbarkeit. Max Färberböcks Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden gleicht dem Musterbeispiel eines Erstlings-Tatorts, gerade weil er sich den Mustern entzieht. Das ist nicht zuletzt auf die prägnante Inszenierung zurückzuführen, die den fränkischen Sommer feinsäuberlich auseinander schneidet, die Figuren ins Dunkel ihrer versteckten Begierden und Sehnsüchte verfolgt.

Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden

In Nürnberg sind alle so nett. Gut, ein bisschen zu viel geschrien wird in diesem ersten Fall von Ringelhahn (Manzel) und Voss (Hinrichs) ganz eindeutig. Aber am Tatort wird erst einmal allen die Hand geschüttelt, im Auto wird vergnügt mit der Zunge geklackert und überhaupt diese Autoszenen (im Auto verbringen Ringelhahn und Voss die meiste Zeit miteinander): Da weiß man teils nicht, was im Drehbuch steht, was improvisiert ist und eigentlich bleibt dieser Hintergrund ein unbedeutendes Detail. Das Zusammenspiel von Manzel und Hinrichs funzt auf Anhieb, wirkt natürlich, weil Geplauder und typisches Krimi-Blah-Blah im selben Tonfall einander abwechseln. Das ist eben der Vorteil, wenn ein Drehbuch seine Figuren nicht über ihre Gegensätze und Exzentrizitäten definiert, sondern sie einfach mal als das nimmt, was sie sind: Anlass für eine Entdeckungstour, die nach der ersten Station längst nicht vorüber ist.

Noch einmal zum Auto, sozusagen "Durch den Tag mit... Ringelhahn und Voss". So viele Szenen hinterm Steuer gibt's in Deutschland ja sonst nur bei Christian Petzold oder den Schulermittlern. Die beiden Kommissare, beide Nicht-Franken, beide Außenseiter in Nürnberg, finden hier zusammen, wirken bei sich, während sie im Kontakt mit Zeugen oder Vorgesetzten meist in die visuelle Isolation gedrängt werden. Sie gehören nicht hierher und genau das ist vielleicht ihr Vorteil. Färberböck, der das Drehbuch zusammen mit Catharina Schuchmann geschrieben hat, kehrt immer wieder zurück zum Blick aus dem Auto, auf die nächtliche Stadt und stille Landstraßen, bis sich etwas Unheilvolles in diesen Krimi mischt, der die große Politik anschneidet (BND! Ministerien! München!), nur um sie komplett desinteressiert fallen zu lassen. Weil ein junger Mann auf einer fränkischen Wiese hier viel gruseliger wirkt als die Streubomben in fernen Ländern. Mit den krummen Geschäften scheint sich jeder abgefunden zu haben, sie sind leicht zu fassen: Hauptsache Forschungsgelder, Hauptsache Profit.

Aber das wäre für diesen Tatort ein zu simpler Ausweg. Nicht von ungefähr kippen die Stimmungen im Sekundentakt, werden Späße gemacht, bevor unvermittelt tiefe Trauer Einkehr hält - dann wird wieder gefahren. So verschwinden nach und nach die Übergänge und tragische Geheimnisse beinahe im beiläufigen Geplapper. Da kommen selbst die Streicher nicht mehr hinterher. Was verborgen liegt, zählt und das drängt sich in impressionistischen Rückblenden - schönen Kleidern im Sonnenlicht, eine Umarmung, ein Cafébesuch - auf. Da penetriert der Zoom so lange, bis die Wahrheit verschwitzt bloß liegt. Oder wie heißt es einmal: "Wir lieben das Handwerk, die Tradition und vor allem die Ruhe."

Mord des Sonntags: Blauer Himmel, Sonnenstrahlen, zwei Kugeln im Kopf.

Zitat des Sonntags: "I worry about that tomorrow."

Wie hat euch der erste Fall des neuen Teams aus Franken gefallen?

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