Als geneigter Vincent Gallo-Fan kam ich zu seinem 50. Geburtstag auf die Idee, ihm über seine Homepage eine feuchtfröhliche Party und alles Gute zu wünschen. Bei den meisten Null-Acht-Fünfzehn-Stars wäre das sicherlich kein Problem und ein, zwei Klicks später wären die Geburtstags-Grüße schon versendet. Nicht so bei Vincent Gallo. Bevor ich überhaupt dazu kam, in die Tasten zu hauen, wurde ich mit folgenden Worten begrüßt:
“Dies ist eine persönliche Kontakt-Seite für mich, Vincent Gallo. Um sie persönlich zu halten, würde ich gerne ein paar Dinge über diese Kontakt-Adresse loswerden. Sendet mir keine Drehbücher, ich habe in meinem Leben noch nie eines gelesen, inklusive der Filme, in denen ich mitgespielt, die ich selbst geschrieben oder bei denen ich Regie geführt habe. […] bitte erzählt mir nicht von irgendwelchen Filmen, die ihr irgendwann mal drehen wollt. Ich werde schon lange tot sein, bevor das passiert, vielleicht schon bald. Bitte fragt mich nicht nach unterschriebenen Fotos, ich habe keine Bilder von mir (…). Falls du mir ein Nacktbild von dir schicken willst und weiblich GEBOREN wurdest, lass dich nicht abbringen. (…) Ich werde mein Bestes geben, alle Emails, die nicht anstößig oder unsinnig sind, zu beantworten. Bitte sei geduldig.
WARNUNG: Für alle verbitterten oder neidischen oder arbeitslosen oder frustrierten oder gemeinen oder nicht-geliebten oder unter-bezahlten oder schlecht-behangenen Männer und zickigen Mädchen: Denke nach, bevor du mir schreibst. ÜBERLEG’ DIR, WIE KLEIN UND DUMM DU RÜBERKOMMST, WENN DU MIR NEIDISCH UND VERBITTERT SCHREIBST — WIE EIN VERACHTENDER FAN."
Ich habe mich dadurch nicht angesprochen und somit ausreichend befugt gefühlt, um dem Multi-Talent mit dem Riesen-Ego zu schreiben und ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Motiviert, noch weitere provzierend-amüsante Ecken zu finden, habe ich seine Homepage im Anschluss genauer unter die Lupe genommen. Hinter dem Menüpunkt Merchandise versteckt sich, neben seinen Filmen, Kunstwerken und CD’s, die er für bis zu 520 Dollar pro Stück anbietet, auch ein persönlicher Begleitservice für Frauen:
“Ich, Vincent Gallo, Star solcher Klassiker wie Buffalo ’66 und Brown Bunny, habe mich entschieden, mich allen Frauen zur freien Verfügung zu stellen. (…) Für den bescheidenen Preis von 50.000 Dollar plus Spesen. Ich erfülle Wünsche, Träume und Fantasien aller Frauen. Der Preis deckt einen Abend mit Vincent Gallo ab. Für diejenigen, die ein komplettes Wochenende mit mir verbringen wollen, steigt der Preis auf 100.000 Dollar.”
Vincent Gallo weiß, was er kann und lässt das offensichtlich auch gerne raushängen. 1998 realisierte er als Drehbuchautor, Regisseur, Hauptdarsteller und Komponist den Independent-Streifen Buffalo ’66, welcher beim britischen Empire Magazin auf Rang 36 der besten Indie-Filme aller Zeiten gelistet ist. In dem semi-autobiografischen Drama mit komödiantischen Elementen spielt Vincent Gallo den ehemaligen Häftling Billy Brown, der die junge Stepptänzerin Layla (Christina Ricci) kidnappt und sie zwingt, sich als seine Frau auszugeben.
Obwohl er auch in Mainstream-Filmen wie GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia auftauchte, wird der Amerikaner hauptsächlich mit kleineren, unabhängigen Projekten in Verbindung gebracht. So auch in seiner Musik: 2001 veröffentlichte er sein Album “When” bei dem britischen Indie-Elektro-Label WARP und ist 2005 an der Entstehung des Albums “A Healthy Distrust” der Underground Hip-Hop Legende Sage Francis als Co-Autor beteiligt. Seit er mit 16 Jahren nach New York kam, spielte er in unzähligen Bands und ließ zu Beginn vor allem auch als Performance-Künstler seiner Kreativität freien Lauf. Zuletzt tauchte Vincent Gallo in erster Linie durch seine Rollen in Francis Ford Coppola s Tetro und dem polnischen Film Essential Killing in den Medien auf. Bemerkenswert: Obwohl er in letzterem keine einzige Zeile Text hatte, bekam er 2010 den Preis als Bester Schauspieler bei den Filmfestspielen von Venedig.
Zum Abschluss noch ein paar Worte des größten Vincent Gallo-Fans in unserer Redaktion, dem Briten PhilUK:
Durch seine kunstvolle Regie, ein mit beißendem, selbstironischem Humor geprägtes Drehbuch, die schwermütige Musik und seine hervorragende Leistung als Hauptdarsteller, schafft Vincent Gallo in Buffalo ’66 ein Meisterstück. Der Protagonist Billy ist ein bitterer, frustrierter Antiheld, der trotz seiner Kleinlichkeit und seines Zynismus liebenswert ist. Seine verdrängte Wut verrät sich durch Gallos mimisches Zucken und Seufzen. Dabei spielt Vincent Gallo mehr oder weniger sich selbst, was aber nichts macht, da er einen Haufen Charisma mitbringt. So einer hinterlistigen Visage mit durchdringenden Augen, die wild über steile Wangen starren, könnte ich stundenlang zuschauen. Seine Beteiligung macht jeden Film sehenswert. Wir können ihn entweder hassen oder lieben, und ich mache keinen Hehl daraus, dass ich bis über beide Ohren verliebt bin.
Zu einem halben Jahrhundert unbändiger Kreativität und unzerstörbarem Selbstvertrauen in seine Person gratulieren wir Vincent Gallo herzlich. Leider konnten PhilUK und ich die 100.000 Dollar in so kurzer Zeit nicht auftreiben, sonst hätten wir liebend gerne mal einen mit ihm draufgemacht!