Zach Braff ist kein fröhlicher Mensch. Außerhalb seiner Paraderolle sieht man ihn selten lachen. Als Ashton Kutschers antiquierte Promiverladeshow Punk’d dem armen Mann vor ein paar Jahren ein metaphorisches Bein stellte, entgleisten Braffs Gesichtszüge sichtlich ins fremdartig säuerliche. Und wie die öffentliche Person Zach Braff, sind auch die wenigen Filme, denen das mimische Ausnahmetalent beiwohnte, eher trübsinniger Natur. The High Cost of Living heißt der nächste Auserwählte. Braff spielt einen reuegeplagten Drogendealer… und spinnt sie so weiter, seine recht triste und viel zu dünne Filmographie, die mit einem Blitzauftritt in Woody Allens „MMM“, Anfang der Neunziger begann und ihren uneinnehmbaren Gipfel in meinem Lieblingsfilm Garden State fand. Nachdem die Karriere Zach Braffs, seit dem verspäteten Ausstieg aus der Serie Scrubs – Die Anfänger, enttäuschend schleppend verläuft, ist die Prognose zu wagen, dass er mit der Punktlandung Garden State, sein viel zu frühes Meisterwerk schuf. Ein Meisterwerk des unendlichen Ideenreichtums und der vollkommenen Kleinigkeiten, das seinem Publikum das warme Herzblut spüren lässt, das in ihm steckt, die Hingabe, mit der sich Zach Braff ihm jahrelang widmete und den verzweifelten Wunsch, seine Vision irgendwann verfilmen zu können.
Deshalb ist es von kaum einzuschätzender Wichtigkeit, dass im Jahr 2004, der junge und erfahrene Zach, die Chance bekam, einen Film zu realisieren, in dem er die nahezu komplette gestalterische Allmacht anvertraut bekam. Neben der Aufgabe des Autors und der überlegt geführten Regie, übernahm er seine eigens kreierte und in Anbetracht des Kontextes, sehr persönliche Hauptrolle. Es entstand ein Autorenfilm der Extraklasse.
Denn mit unerschöpflicher kreativer Bewegungsfreiheit in einem Metier, das er fingerfertig, wie vom Meister geführt beherrscht, schaffte es Braff, seine lange gereifte Herzensangelegenheit auf eine Weise umzusetzen, die den aus filmischer Sicht paradiesischen Rahmenbedingungen, mehr als gerecht wird. Freiheit dieser Art ist ein Privileg, das selten verschwendet wird.
Zach Braff war klug. Er wusste um die Besonderheit jenes Privilegs und schrieb sein großartiges Drehbuch mit berauschender, in jedem Moment spürbarer Schaffenskraft und einer nahezu selbstverständlichen Liebe fürs anmutig gestaltete Detail. Im Mittelpunkt dieses Geschehens steht der Charakter des krankhaft emotionslosen Andrew Largeman. Der Grund für seine Abgestumpftheit sind verschiedene Medikamente, die er seit einem Vorfall als Teenager, vom Vater verschrieben bekommt. Nach der Flucht aus der Heimatstadt, versucht sich der „Twentysomething“ relativ erfolgslos als Schauspieler. Um trotzdem über die Runden zu kommen, erfüllt er das Klischee des desillusionierten Kellnerschauspielers. Ein Anruf seines Vaters (Ian Holm), mit der Nachricht des Todes der querschnittsgelähmten Mutter und eine darauffolgende Reise in den Gartenstaat New Jersey, reißen Andrew aus seinem, von offensichtlicher Lethargie und Frustration geplagten Dasein. In der Heimat lassen die alten Freunde nicht lange auf sich warten. Polizisten, Friedhofsgärtner und Klettverschlussmillionäre …
Am wichtigsten aber ist die erstmalige Zusammenkunft mit Sam, in einer wunderschönen und in vielerlei Hinsicht repräsentativen Szene des Films. Sie entfaltet sich im Wartezimmer eines Krankenhauses, wo sich Sam und Andrew auf überwältigend reine Weise, über unverhohlenes Lachen und die offenherzig direkte Art Sams näher kommen. Die notorische Lügnerin Sam ist mit ihrer Unbekümmertheit, Freigeistigkeit, Exzentrik und Schönheit, ein träumerischer, positiv überzeichneter Charakter, wie er eigentlich nur in der Literatur existiert.
Natalie Portman verkörpert die Rolle mit all ihren Vorzügen. Unterstrichen werden die Wirkung ihres Wesens und die, der sie ummantelnden Szene, durch den vielleicht besten Song, des bislang so musikvernichtend verlaufenden 21. Jahrhunderts. Er wird in dem Moment angespielt, als Sam ihrer neuen Bekanntschaft Andrew, die dicken Kopfhörer aufdrängt. Andrew erwehrt sich ihr nicht und genießt den Song, der leise weiter läuft, im Hintergrund einer gefühlvoll inszenierten Sequenz, die zeigt, wozu das Indiegenre, mit seinen minimalistischen Mitteln, der optimierten Bildsprache, dem schnörkellosen Schauspiel und dem pointierten Musikeinsatz fähig ist. Der Song „New Slang“ von der Band The Shins, ist nur ein glänzender Mosaikstein, aus einem großartig gewählten Soundtrack, der eine musikalische Bandbreite von Simon &Garfunkel, Nick Drake bis Coldplay und eben The Shins in sich vereint. Die Musik und ihre ausdrucksstarken Texte haben eine, die Botschaft der einzelnen Szene unterstreichende Wirkung und gehen mit dem, bis in die dezent witzigen Spitzen geschriebenen Drehbuch, eine liebevoll ausbalancierte Beziehung ein.
Dementsprechend leise, behutsam und einem in jeder Einstellung enthaltenen Sinn für Stimmung und Atmosphäre, wird die Geschichte forterzählt. Verziert mit kleinen Anekdoten, die miteinander verbunden sind, durch einen, seit dem ersten Treffen andauernden, innigen Dialog zwischen Sam und Andrew, der ihn seiner Erkenntnis immer näher bringt. Mal zu Tränen rührend und schmerzhaft melancholisch, oft witzig, aber immer wunderschön. Bis zum schließlich erfüllenden Ende, einer wunderbar warmen und in ihrer Gesamtheit einzigartigen Tragikomödie, die sich gemessen am erhabenen Indiecharakter und dem deshalb kaum bestehenden Marketing, einem verhältnismäßig gestreckten, aber dennoch überschaubaren Kreis öffnete.
Der kleine Film mit den bedächtig servierten Lebensweisheiten, der fast spirituellen Ruhe, die vollständig im ausgefeilten Konzept, der nachdenklichen, einnehmenden Erzählweise und seinen, wie verzaubert spielenden Akteuren aufgeht, hinterlässt den einzig wichtigen und von Zach Braff nicht anders gewünschten Eindruck, etwas ganz Besonderes gesehen haben.
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