Max_200a - Kommentare

Alle Kommentare von Max_200a

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    Max_200a 16.05.2025, 22:44 Geändert 17.05.2025, 00:03

    Blink Twice (2024)

    Zoë Kravitz’ Langfilmdebüt Blink Twice ist ein filmisches Statement, das sich mit seiner Mischung aus Thriller, Gesellschaftssatire und feministischer Allegorie nicht nur mutig zwischen die Genres stellt, sondern sich dabei mit beachtlicher künstlerischer Reife behauptet. Der Film, der vordergründig eine schillernde Geschichte über eine mysteriöse Auszeit auf einer Privatinsel erzählt, entpuppt sich als scharfsinnige Dekonstruktion von Macht, Männlichkeitsmythen und weiblicher Selbstermächtigung.

    Im Zentrum steht Frida (überzeugend gespielt von Naomi Ackie), eine junge, kluge Frau aus dem kreativen Milieu, die bei einer Begegnung auf einer Gala auf Slater King (Channing Tatum) trifft – einen Milliardär und Tech-Mogul, dessen Aura aus Charme, Narzissmus und latenter Manipulation die Umgebung zu hypnotisieren scheint. Er lädt Frida gemeinsam mit einer kleinen, sorgfältig kuratierten Gruppe Menschen auf seine private Insel ein – eine Einladung, die so exklusiv wie rätselhaft ist. Was zunächst wie eine glamouröse Flucht aus dem Alltag wirkt, verwandelt sich bald in ein zunehmend unheimliches und destabilisiertes Experiment.

    Kravitz beweist bereits in den ersten Szenen ein überragendes Gespür für Rhythmus und Bildsprache. Die Kamera von Adam Newport-Berra komponiert mit kalkulierter Künstlichkeit: Farben sind überzeichnet, Räume wirken wie sorgfältig kuratierte Moodboards, die ebenso verführerisch wie beklemmend erscheinen. Die visuelle Ästhetik schwankt bewusst zwischen Instagram-Filter und postmodernem Delirium – eine Wahl, die keineswegs oberflächlich bleibt, sondern den thematischen Kern des Films unterstreicht: die Inszenierung von Identität in einer Welt, in der Realität längst durch Performanz ersetzt wurde.

    Die Musik von Chanda Dancy unterstreicht diesen visuellen Überschuss mit pulsierenden, dröhnenden Kompositionen, die nie in den Vordergrund drängen, aber ein konstantes Gefühl von Bedrohung und Entfremdung erzeugen. So entsteht eine Atmosphäre, die sich weniger über klassische Spannung als über latentes Unbehagen aufbaut – eine unterschwellige Dissonanz, die sich nach und nach zur psychologischen Sprengkraft entwickelt.

    Besonders hervorzuheben ist Kravitz’ Fähigkeit, ihre Figuren nicht in plakativen Gut-Böse-Schemata zu fassen. Channing Tatum spielt Slater King mit einem faszinierenden Wechselspiel aus Charisma und Abgründigkeit, was dem Film seine moralische Ambivalenz bewahrt. King ist keine Karikatur des toxischen Patriarchen – sondern eine glaubwürdig verführerische Figur, die gerade in ihrer Unbedingtheit gefährlich wird. Naomi Ackie begegnet ihm mit einem Spiel, das klug zwischen Skepsis, Neugier und Kontrollverlust balanciert. Ihre Frida ist keine passive Protagonistin, sondern eine Suchende, deren Blick sich im Laufe des Films schärft – und damit auch der der Zuschauer*innen.

    Thematisch lässt sich Blink Twice klar als feministische Erzählung lesen, ohne sich je in vordergründiger Botschaftsprosa zu verlieren. Die Mechanismen männlicher Dominanz – seien sie ökonomisch, emotional oder körperlich – werden aufgebrochen, dekonstruiert und ins Surreale überhöht. Gerade das letzte Drittel des Films entwickelt eine Sogkraft, die in ihrer visuellen Radikalität und erzählerischen Klarheit überzeugt. Das Finale, ein fiebriges Crescendo aus Enthüllung und Auflösung, bleibt im Gedächtnis: nicht, weil es laut ist, sondern weil es präzise inszeniert ist – und sich konsequent der Vereinfachung verweigert.

    Dass der Film dennoch keine makellose 10-Punkte-Erfahrung ist, liegt an seinem spürbaren Längen in der ersten Hälfte. Blink Twice braucht Zeit, um in Fahrt zu kommen – und das ist nicht immer zu seinem Vorteil. Einzelne Szenen geraten zu betont ästhetisch, verlieren narrative Zielstrebigkeit und wirken eher wie Stilübungen denn als dramaturgischer Motor. Doch je weiter sich die Geschichte entfaltet, desto deutlicher wird: Diese Langsamkeit ist Teil des Konzepts. Die Dosis Gift wird so schleichend verabreicht, dass die Explosion am Ende umso wirkungsvoller ist.

    Der Vergleich mit Get Out, der vielerorts bemüht wird, wirkt letztlich oberflächlich. Während Jordan Peele seinen Horror mit politischer Eindeutigkeit auflädt, ist Blink Twice offener, symbolischer – weniger als Sozialkritik konstruiert denn als künstlerische Reflexion über Macht, Kontrolle und das Verlangen, gesehen zu werden. Die beiden Filme mögen thematisch Schnittmengen haben, doch Kravitz’ Werk verdient es, als eigenständige, sehr persönliche Vision wahrgenommen zu werden.

    Fazit:
    Zoë Kravitz liefert mit Blink Twice ein visuell und atmosphärisch dichtes Debüt, das stilistisch ambitioniert, thematisch mutig und erzählerisch konsequent ist. Die Inszenierung ist durchkomponiert, das Schauspiel stark, die Dramaturgie mit nur kleinen Abstrichen überzeugend. Vor allem aber ist es ein Film mit Haltung – einer, der nicht nur gefallen will, sondern etwas zu sagen hat. Und das tut er mit Stil.

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      Late Night with the Devil (2024)

      In der Ästhetik des späten 20. Jahrhunderts liegt eine seltsame Verheißung. Das Rauschen des analogen Signals, das matte Licht der Studiolampen, die festen Frisuren, die festen Formate – all das suggeriert Ordnung in einer Welt, die längst begonnen hat, unter ihrer Oberfläche zu vibrieren. Late Night with the Devil nutzt dieses Setting nicht als nostalgisches Gimmick, sondern als präzise konstruierte Bühne für eine dämonische Dekonstruktion.

      Die Regiebrüder Cameron und Colin Cairnes inszenieren ihre Geschichte mit einer beachtlichen stilistischen Selbstsicherheit. Was als Aufzeichnung einer Live-Sendung beginnt – irgendwo zwischen Johnny Carson und Ghostwatch – entpuppt sich als zunehmend klaustrophobischer Albtraum. Jack Delroy, überzeugend und facettenreich gespielt von David Dastmalchian, ist der Gastgeber, dessen Charme erste Risse zeigt, je weiter der Abend voranschreitet.

      Die Struktur des Films ist ein geschickter Hybrid: Die vermeintlich ungeschnittene Sendung wechselt sich mit Archivmaterial, Probenaufnahmen und gelegentlichen Behind-the-Scenes-Sequenzen ab. Dieser Bruch zwischen „On Air“ und „Realität“ öffnet Räume für Ambiguität – aber anders als viele Found-Footage-Filme verliert sich Late Night with the Devil nicht in formalen Spielereien. Stattdessen steigert sich das Unheimliche mit chirurgischer Präzision.

      Besonders auffällig – und entscheidend für die Wirkung – ist die visuelle Gestaltung. Der Film ist durchzogen von einer Bildsprache, die sich eng an das amerikanische Fernsehen der 1970er Jahre anlehnt: Körnung, Farbfilter, Studiolicht. Doch je weiter sich der Plot verdichtet, desto subtiler verschieben sich Komposition und Atmosphäre. Was zunächst nach Retro-Chic aussieht, verwandelt sich zusehends in eine Bühne des Kontrollverlusts.

      Hier liegt die eigentliche Stärke des Films: Er arbeitet nicht mit Jump-Scares oder billigem Schock – sondern mit einem ständigen Gefühl der Beklemmung. Die Spannung resultiert nicht aus dem was, sondern aus dem wann. Man weiß, dass etwas passieren wird, aber nie, auf welche Weise. In dieser Hinsicht erinnert der Film mehr an Klassiker wie Rosemary’s Baby oder The Exorcist, als an moderne Horrorkost.

      David Dastmalchian gelingt in der Rolle des Jack Delroy ein kleines Kunststück: Er spielt nicht einfach einen TV-Moderator – er spielt einen Mann, der sein Publikum braucht wie Luft zum Atmen, und der dennoch langsam an der eigenen Leere erstickt. Seine Performance ist ruhig, kontrolliert, aber voller innerer Risse. Kein Schrei, sondern ein inneres Flimmern.

      Auch die Nebendarsteller – vom skeptischen Wissenschaftler bis zur jungen Frau mit übersinnlicher Vergangenheit – funktionieren weniger als Individuen, denn als dramaturgische Zahnräder im Uhrwerk eines sich anbahnenden Desasters. Das Finale ist dabei ebenso radikal wie offen. Der Film verweigert die erlösende Pointe, das abschließende Erklären – und bleibt gerade deshalb im Gedächtnis.

      Dass Late Night with the Devil trotz seiner stilistischen Klarheit kein reiner Genrebeitrag ist, liegt auch an seiner unterschwelligen Thematisierung von Wahrheit, Inszenierung und medialer Gier. Doch anders als viele sogenannte „clevere“ Horrorfilme will er daraus keine These ableiten. Die Cairnes-Brüder interessieren sich nicht für pädagogische Effekte – sondern für das Unheimliche als Erfahrung.

      Und genau darin liegt die große Qualität dieses Films: Er will nicht klug wirken – er ist klug. Nicht durch Zitate oder Anspielungen, sondern durch Formbewusstsein, Disziplin und ein ausgeprägtes Gefühl für Rhythmus.

      Fazit:
      Late Night with the Devil ist ein herausragendes Beispiel dafür, was moderner Horror leisten kann, wenn er nicht bloß schocken, sondern verstören will. Die Atmosphäre ist dicht, die Gestaltung konsistent, die Schauspielkunst auf den Punkt. Mit wenigen Mitteln und großer Sorgfalt gelingt den Regisseuren ein Film, der sich unter die Haut schiebt – nicht als schriller Dämon, sondern als dunkles Flüstern hinter der Studiowand.

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        Max_200a 14.05.2025, 15:44 Geändert 17.05.2025, 01:08

        Another Simple Favor (2024)

        Blake Lively trägt wieder Maßanzüge, Anna Kendrick lächelt sich durch moralische Grauzonen, und irgendwo zwischen Pastellfarben und Martinis beginnt das Spiel von vorne. Another Simple Favor inszeniert sich als Fortsetzung, aber verhält sich wie eine Parodie auf sich selbst: zu bunt, zu bemüht, zu laut – und leider ohne das narrative Rückgrat, das den ersten Teil noch so unterhaltsam und überraschend machte.

        Wo der Vorgänger ein stilistisch ausbalancierter Thriller mit schwarzhumorigen Spitzen war, driftet die Fortsetzung spürbar in eine komödiantische Richtung ab. Man erkennt die Figuren wieder, aber sie wirken, als hätten sie sich selbst überlebt. Die Geschichte, die einst aus Verführung, Geheimnissen und suburbaner Doppelmoral bestand, wird hier zu einem überkonstruierten Spiel aus Twists, Doppelgängern und absurden Plottwists, das sich selbst permanent überbieten will – und dabei seinen inneren Kompass verliert.

        Das Setting: wunderschön. Capri, mit seinem Licht, den Terrassen, dem gläsernen Meer, bietet eine perfekte Projektionsfläche für diesen Film, der sich optisch alle Mühe gibt, zu gefallen. Und das gelingt ihm: visuell ist Another Simple Favor ein Fest. Es glitzert, es funkelt – aber man bleibt auf Distanz. Die Bilder sprechen, doch die Handlung schweigt.

        Blake Lively spielt auch diesmal souverän – ihre Präsenz ist makellos –, doch die Figur, die sie verkörpert, bleibt diesmal seltsam leer. Nicht hysterisch, nicht überzeichnet, sondern eher entkernt: eine Projektionsfläche für Stil, aber nicht für Bedeutung. Anders als im ersten Teil, wo ihre Figur von Undurchschaubarkeit lebte, ist ihre Rückkehr nun zu deutlich auf Effekt gebürstet.

        Anna Kendrick bleibt das sympathische Zentrum, doch auch ihre Figur verliert sich in überzogenen Dialogen und wird zunehmend zur Karikatur ihrer einstigen Rolle. Ihre Spielfreude ist spürbar, aber sie wird oft vom allzu konstruierten Drehbuch ausgebremst.

        Besonders enttäuschend ist die Dramaturgie: Die Auflösung ist nicht nur wirr, sondern auch erzählerisch enttäuschend. Was zunächst wie ein raffinierter Cocktail aus Suspense und Witz wirkt, entpuppt sich als lauwarme Mischung aus willkürlichen Wendungen, Logiklücken und Figuren, die sich verhalten wie Schauspielpuppen in einem überladenen Theaterstück. Statt doppeltem Boden gibt es hier bloß lose Enden.

        Und dennoch: Man will dem Film nicht ganz böse sein. Die italienische Küste verleiht ihm eine gewisse Leichtigkeit, die über viele inhaltliche Schwächen hinwegtäuscht. Auch wenn die Geschichte ins Leere läuft, bleibt der Rahmen anziehend. Doch das reicht nicht.

        Fazit:
        Another Simple Favor versucht, größer, bunter und ironischer zu sein als sein Vorgänger – und verliert dabei genau das, was Teil eins so charmant machte: erzählerische Klarheit, Figuren mit Tiefe und eine präzise Balance aus Humor und Spannung. Was bleibt, ist eine optisch reizvolle, aber dramaturgisch überladene Fortsetzung, die sich zu oft in ihrem eigenen Spiel verliert.
        Wenn man alle Augen zudrückt – und sehr großzügig über Capri hinwegschaut – sind 5 von 10 Punkten noch denkbar. Ehrlicher wären 4.

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        • 7

          „A Simple Favor“ (2018)

          Was auf den ersten Blick wie ein schillernder Cocktail aus Pinterest-Ästhetik, Blogger-Ironie und oberflächlicher Suburban-Idylle anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als überraschend reflektiertes Spiel mit Genre-Konventionen, weiblicher Identität und den Masken des modernen Alltags. A Simple Favor, inszeniert von Paul Feig – bislang eher bekannt für komödiantische Beiträge wie Bridesmaids oder Spy – ist ein Film, der sich lustvoll und bewusst zwischen die Stühle setzt: Thriller, Satire, psychologische Charakterstudie und doch auch bewusstes Stil-Objekt.

          Die Handlung – eine scheinbar klassische „Whodunit“-Konstellation – ist dabei weniger das Zentrum des Films als vielmehr dessen Oberfläche. Die Geschichte rund um das Verschwinden der kühlen, unnahbaren Emily (Blake Lively) und die obsessive Spurensuche der vermeintlich biederen Stephanie (Anna Kendrick) folgt zwar bekannten Bahnen, entwickelt jedoch durch den sarkastischen Tonfall und die bewusst stilisierte Inszenierung eine ganz eigene Dynamik.

          Dass der große Twist gegen Ende absehbar ist, ist kein dramaturgisches Versäumnis, sondern vielmehr Bestandteil einer Strategie der Offenlegung. A Simple Favor will nicht primär überraschen, sondern demaskieren: die Fassade der perfekten Mutter, die Konstruktion von Freundschaft, das narrative Spiel mit Schuld und Sühne – all das wird hier nicht psychologisch vertieft, sondern ästhetisch gebrochen. Der Film kennt seine Vorbilder – von Hitchcock bis Gone Girl – und zitiert sie mit ironischer Geste, ohne in bloße Parodie abzugleiten.

          Was diese Inszenierung besonders reizvoll macht, ist die subtile Verschränkung von Ästhetik und Erzählung. Die Bildsprache ist bewusst hell, fast überbelichtet, die Räume sind makellos, geometrisch komponiert – eine durchgestylte Welt, in der sich das Grauen nicht in der Dunkelheit versteckt, sondern im gläsernen Tageslicht offenbart. Das ist mutig und ungewöhnlich für einen Thriller und erinnert in seiner formalen Strenge fast an die Filmkunst eines Pedro Almodóvar oder Todd Haynes – freilich mit amerikanischer Leichtigkeit unterfüttert.

          Zentral für das Gelingen dieser erzählerischen Konstruktion ist die Besetzung. Anna Kendrick spielt Stephanie mit einer faszinierenden Ambivalenz aus Überkorrektheit und leiser Manipulationskunst, changierend zwischen Clown und Kontrollfreak, zwischen Opfer und Täterin. Ihre Performance trägt den Film – doch es ist Blake Lively, die überrascht: Eine Schauspielerin, der man oft Oberflächlichkeit unterstellt, brilliert hier mit einer unterkühlten Eleganz, die an klassische Film-Noir-Figuren erinnert. Ihre Emily ist kein Rätsel, das gelöst werden muss, sondern ein Abgrund, in den man schaut – und der zurückblickt.

          Natürlich ist A Simple Favor kein perfekter Film. Die narrative Konstruktion hat Lücken, manche Nebenfiguren bleiben karikaturesk, und gelegentlich kippt der ironische Ton in Beliebigkeit. Und doch: Der Film weiß, was er ist – und was er nicht ist. Er will kein klassischer Thriller sein, kein moralisches Drama, keine bloße Komödie. Er ist eine Versuchsanordnung – ein stilistisch fein komponiertes Experiment über Weiblichkeit, Imagekonstruktion und die Lust am Verschwinden.

          Fazit:
          Paul Feigs A Simple Favor ist ein raffinierter Hybridfilm, der seine Thrillerelemente nicht als Selbstzweck, sondern als Träger einer ästhetisch-moralischen Untersuchung nutzt. Er reflektiert über Schein und Sein im digitalen Zeitalter, über Authentizität als Pose und Freundschaft als Form der Selbstverwirklichung. Dass der Film dabei auch noch blendend unterhält, macht ihn zu einer der überraschenderen Genre-Arbeiten der letzten Jahre – elegant, verspielt, und mit einem Augenzwinkern tiefgründiger, als man ihm zunächst zutrauen würde.

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            Max_200a 13.05.2025, 22:57 Geändert 14.05.2025, 00:12

            Until Dawn: 2025

            Wenn ein Film sich den Titel eines bekannten Spiels leiht – und sei es nur lose – weckt er unweigerlich Erwartungen. Nicht unbedingt im Sinne einer getreuen Adaption, aber doch im Anspruch, zumindest atmosphärisch, strukturell oder thematisch an das Ausgangsmaterial anzuknüpfen. Until Dawn (2025) jedoch löst dieses Versprechen in keiner Weise ein – weder als Hommage noch als eigenständiger Beitrag zum Genre des psychologischen Horrors.

            Dabei ist die Grundidee, die auf eine Zeitschleifenstruktur setzt – ein motivisch oft reizvolles Gerüst –, keineswegs per se zum Scheitern verurteilt. In Filmen wie Happy Death Day oder Triangle wurde dieses Prinzip bereits mit Witz, Spannung oder philosophischer Tiefe variiert. Until Dawn hingegen nutzt das Konzept wie ein müder Mechanismus: Die Wiederholungen ermüden, statt zu verdichten. Spannung entsteht kaum, weil der Film weder dramaturgisch konsequent noch emotional involvierend erzählt ist. Was als klaustrophobische Parabel auf Schuld und Wiederholung hätte funktionieren können, verliert sich im lärmenden Leerlauf.

            Besonders enttäuschend ist, wie beiläufig der zentrale Twist – also die Erklärung für das Zeitschleifen-Dilemma der jugendlichen Protagonisten – abgehandelt wird. Statt narrativer Schlüssigkeit oder emotionaler Tragweite bietet der Film eine hanebüchene, kurzatmige Erklärung, die weder intellektuell reizt noch atmosphärisch überzeugt. Die eigentlich tragende Figur des Psychiaters, gespielt von Peter Stormare – im Spiel eine ikonische Erscheinung – wird hier zur Fußnote degradiert: eine blasse Karikatur mit kaum erzählerischer Relevanz.

            Auch in handwerklicher Hinsicht bleibt Until Dawn unterdurchschnittlich. Die Effekte wirken oft generisch, die Kills vorhersehbar und ohne inszenatorischen Nachdruck. Was in einem Horrorfilm an Intensität und formaler Präzision möglich wäre, bleibt hier auf TV-Niveau. Schauspielerisch bewegt sich das Ensemble im besten Fall im Bereich solider Mittelmäßigkeit, oftmals aber auch darunter. Besonders die emotionalen Spitzen wirken aufgesetzt oder gänzlich unmotiviert – ein Umstand, der durch das schwache Drehbuch noch verstärkt wird.

            Selbst Tage nach dem Ansehen bleibt wenig zurück außer das Gefühl, eine vertane Gelegenheit erlebt zu haben. Until Dawn verpasst nicht nur die Chance, das Spiel als Inspirationsquelle ernst zu nehmen – es scheitert auch daran, eine eigenständige filmische Vision zu entwickeln. Die Figuren bleiben schablonenhaft, der Horror zahm, die Handlung platt.

            Fazit:
            Until Dawn ist ein erschreckend generischer Horrorfilm, dem es an stilistischer Handschrift, erzählerischer Klarheit und emotionaler Wirkung fehlt. Die Zeitschleifenprämisse wird zur Geduldsprobe, der Twist verpufft, und selbst die wenigen bekannten Namen im Cast wirken verschenkt. Wer das Spiel kennt, wird enttäuscht. Wer es nicht kennt, wird sich kaum lange an diesen Film erinnern.

            „Ps. David Hains Kommentar: ‚Ein Film wie eine billige Geisterbahn‘ trifft die Sache sehr gut und macht meine obige Kritik eigentlich überflüssig. 😂“

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            • 3 .5

              Final Destination 3 (2006)

              Mit Final Destination 3 erreicht das einst so originelle Franchise seinen ersten ernsthaften Ermüdungsbruch. Was 2000 als kreative, fast philosophische Horroridee begann – das unausweichliche Spiel mit dem Tod als abstrakte, allgegenwärtige Macht – wirkt im dritten Teil wie eine fahle Kopie seiner selbst. Die strukturelle Formel bleibt unangetastet: ein visuell spektakulärer Unfall, eine überlebende Hauptfigur mit Visionen, eine Reihe elaborierter Tode. Doch diesmal fehlt es an Substanz, Mut zur Weiterentwicklung – und vor allem an erzählerischer Rechtfertigung.

              Der Film beginnt mit einer Achterbahnkatastrophe, die zwar das Potenzial für ein spektakuläres Eröffnungssetpiece gehabt hätte, jedoch erschreckend uninspiriert inszeniert ist. Statt kinetischer Spannung oder psychologischer Beklemmung bekommt man generisches CGI, eine flache Tonalität und wenig Atmosphäre geboten. Von dem Schauder, den die Autobahnsequenz in Teil 2 noch hervorrief, ist hier nichts mehr zu spüren.

              Die Idee, dass Fotos als Vorboten der kommenden Tode fungieren, mag auf dem Papier eine reizvolle Variation sein, erweist sich in der Ausführung aber als müder Kniff – ein Versuch, Spannung durch symbolische Andeutungen zu erzeugen, der sich nie wirklich organisch in die Handlung fügt. Vielmehr wirkt es wie ein notdürftiger Kunstgriff, um die Dramaturgie künstlich zu beleben.

              Mary Elizabeth Winstead, die als Protagonistin Wendy durch die Geschichte führt, kann dabei kaum Profil entwickeln. Ihre Figur bleibt blass, nervös, oft hysterisch – weniger von innerer Zerrissenheit geprägt als von klischeehaftem Schreien und unklarem Antrieb. Auch das restliche Ensemble verbleibt im Schablonenhaften: Teenager, die kaum Namen, geschweige denn Tiefe erhalten. Wo Teil 1 und 2 noch sympathische oder zumindest interessante Figuren präsentierten, deren Schicksale berührten oder überraschten, herrscht hier Gleichgültigkeit.

              Selbst die berüchtigten „Kills“, einst der groteske Reiz des Franchises, geraten in Teil 3 zu mechanischen Abläufen. Es fehlt an Kreativität, an makaberem Witz, an inszenatorischer Finesse. Die Todesarten wirken vorhersehbar, teilweise willkürlich – und lassen genau das Raffinement vermissen, das das Konzept ursprünglich so reizvoll machte.

              Fazit:
              Final Destination 3 ist kein Totalschaden, aber eine überdeutlich redundante Fortsetzung. Ohne erzählerische Weiterentwicklung, mit ausdrucksschwachen Figuren und weitgehend einfallslosen Effekten wirkt der Film wie ein pflichtschuldig heruntergespulter dritter Akt eines einst spannenden Experiments. Dass die Reihe hier beginnt, sich selbst zu zitieren, ohne etwas Neues zu sagen, ist bedauerlich – aber nicht überraschend. Ein Film, der seine eigene Prämisse nicht mehr hinterfragt, sondern lediglich verwaltet.

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                Final Destination 2 (2003)

                Es ist eine der seltenen Ausnahmen im Horror-Genre: Final Destination 2 gelingt das Kunststück, dem erfolgreichen ersten Teil nicht nur gerecht zu werden, sondern ihn in entscheidenden Punkten sogar zu übertreffen. Wo Teil eins die Tür zu einem neuen Subgenre – dem „Schicksalshorror“ – aufstieß, wagt Teil zwei die erste sinnvolle Erweiterung dieses Universums: stilistisch rasanter, inhaltlich pointierter und vor allem visuell deutlich ambitionierter.

                Schon die Eröffnungssequenz auf der Autobahn – ein infernalisches Zusammenspiel aus Blech, Feuer, Holzstämmen und Schicksalsmacht – ist eine der ikonischsten des gesamten Franchise. Die Szene mit dem Laster, der seine tödliche Ladung auf der Fahrbahn verteilt, ist nicht nur ein technisches Highlight, sondern hat sich längst ins kollektive popkulturelle Gedächtnis eingebrannt. Selten wurde das banale Alltagsrisiko so effektiv inszeniert. Die Unvermeidbarkeit des Unfalls, seine brutale Konsequenz – all das sitzt tief und setzt den Ton für einen Film, der in seiner Konsequenz fast kafkaesk wirkt.

                Die Geschichte knüpft klug an den ersten Teil an, ohne sich in reiner Wiederholung zu verlieren. Stattdessen weitet sie die Mythologie aus, spielt mit dem Gedanken der „Schicksalsumgehung“ und den damit verbundenen ethischen und existenziellen Konsequenzen. Der Tod ist hier kein bloßer Serienkiller mehr, sondern ein metaphysisches Prinzip – unpersönlich, unerbittlich, nahezu philosophisch. Dass man es in einem Film dieses Genres schafft, über Determinismus nachzudenken, ist bemerkenswert.

                A. J. Cook als Kimberly Corman führt durch den Film mit einer Präsenz, die angenehm aus dem oft klischeebeladenen Figurenkabinett des Horrorfilms herausragt. Ihre Darstellung bringt eine gewisse Verletzlichkeit, aber auch Entschlossenheit mit, die die emotionale Verankerung der Geschichte stärkt. Wer sie bereits aus Criminal Minds schätzte, wird hier angenehm überrascht – oder besser: bestätigt.

                Die Effekte sind deutlich gesteigert, wirken zugleich grotesk und durchdacht. Sie erfüllen nicht nur ihren offensichtlichen Zweck – das Publikum zu schockieren – sondern sind in ihrer inszenatorischen Raffinesse selbst kleine choreografierte Todesballetts. Die Lust am makabren Einfall bleibt erhalten, wirkt aber nie selbstzweckhaft. Vielmehr entsteht eine fast tragikomische Spannung: Man weiß, dass das Unvermeidliche kommen wird – aber nie, wie.

                Fazit:
                Final Destination 2 ist mehr als nur ein Sequel – es ist eine stilistische Verfeinerung, eine konzeptionelle Vertiefung und eine filmische Steigerung dessen, was der erste Teil etabliert hat. Die Freude an der düsteren Idee, das Schicksal selbst zum Antagonisten zu machen, wird hier mit cineastischem Nachdruck betrieben. Auch wenn der Film dramaturgisch nicht über alle Zweifel erhaben ist, bleibt er ein selten geglücktes Beispiel für das, was ein zweiter Teil leisten kann: eine Fortsetzung mit eigener Handschrift.

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                • 6 .5

                  Final Destination (2000)

                  Es gibt Filme, die weniger durch ihre erzählerische Tiefe als vielmehr durch ihre konzeptionelle Kühnheit im Gedächtnis bleiben – Final Destination ist ein solcher Fall. Als der Film im Jahr 2000 erschien, stellte er die bis dahin gängigen Regeln des Teenie-Horrors mit einem simplen, aber originellen Kniff auf den Kopf: Der Tod selbst wird zur unsichtbaren, allgegenwärtigen Figur. Kein Mörder, kein Monster – nur eine Idee. Und doch eine bedrohlich wirksame.

                  Die Prämisse ist bemerkenswert: Ein Schüler entgeht durch eine plötzliche Vision einem Flugzeugabsturz – doch das Schicksal lässt sich nicht austricksen. Was folgt, ist eine konsequente Kettenreaktion, in der der Tod sich seine Opfer auf subtile, fast poetisch grausame Weise zurückholt. Diese Erzählweise verleiht dem Film eine eigentümliche Dynamik: Er ist weniger eine konventionelle Horrorgeschichte, als vielmehr ein makabres Puzzle, in dem man als Zuschauer stets versucht, dem unausweichlichen Mechanismus zuvorzukommen.

                  Devon Sawa und Ali Larter tragen die Geschichte mit einer überraschenden Authentizität. Besonders Larter verleiht ihrer Figur Tiefe und eine stille Melancholie, die weit über das übliche Stereotyp des „Final Girl“ hinausreicht. Ihre Chemie auf der Leinwand ist spürbar, ihre Reaktionen wirken nie aufgesetzt – was in einem Genre, das allzu oft von Posen und Plattitüden lebt, erfrischend ist.

                  Hinzu kommen visuell starke Momente. Die Effekte, auch wenn sie aus heutiger Sicht nicht mehr makellos sind, besitzen einen gewissen Charme und unterstützen die Atmosphäre des ständigen Unbehagens. Die Inszenierung macht sich das Alltägliche zunutze – Wasserleitungen, Steckdosen, Scherben – und verwandelt es in etwas Bedrohliches. Das Unheimliche liegt hier nicht im Übernatürlichen, sondern im Banalen.

                  Und dennoch: So stark die Idee, so schwach mitunter die Umsetzung. Das Drehbuch bleibt über weite Strecken vorhersehbar, einige Dialoge wirken flach, und der dramaturgische Aufbau verliert im letzten Drittel an Präzision. Der Film erschöpft sich schließlich ein wenig in der Wiederholung seines eigenen Konzepts – das Überraschungsmoment verliert an Kraft, und damit auch ein Teil der Spannung.

                  Fazit:
                  Final Destination ist kein großer Film – aber ein kluger. Seine Wirkung beruht weniger auf Schockeffekten als auf einer Idee, die bis heute nachhallt: dass man dem Tod vielleicht entkommen kann – aber niemals seinem Plan. In seinem besten Momenten ist dieser Film eine Reflexion über Zufall und Schicksal, verpackt in ein Genre-Gewand. In seinen schwächeren bleibt er ein typischer Vertreter der frühen 2000er. Aber: ein einflussreicher. Und ein erinnerungswürdiger.

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                  • 10

                    Stranger Things – Staffel 4: Kate Bush gegen 001

                    Mit der vierten Staffel erreicht Stranger Things seinen künstlerischen Kulminationspunkt. Was einst als Hommage an 80er-Jahre-Popkultur begann, entfaltet sich nun zu einer ausgewachsenen Dramaturgie von filmischer Dimension – düsterer, reifer, komplexer. Staffel 4 ist kein Serienprodukt im herkömmlichen Sinn mehr, sondern ein inszenatorisches Monument, das mühelos das Format sprengt. Jede Episode ist eine Miniatur aus Spannung, Bildkomposition und emotionaler Wucht – konsequent auf Kino-Niveau produziert.

                    Besonders bemerkenswert ist die Entscheidung, die Handlung auf drei parallele Schauplätze zu verteilen – Hawkins, Russland und Kalifornien. Was auf dem Papier nach Zersplitterung klingen mag, erweist sich in der Umsetzung als strukturelle Meisterleistung: Die Erzählstränge verweben sich zu einem dichten Netz aus Motivik, Spannung und thematischer Tiefe, in dem jeder Schauplatz seine eigene Tonalität entwickelt – von kalter sowjetischer Härte bis hin zu psychologischem Horror in Suburbia.

                    Im Zentrum der Staffel steht erneut Eleven, doch es ist das Ensemble, das die eigentliche Tragweite entfaltet. Sadie Sink als Max Mayfield überzeugt mit einer nuancierten, still intensiven Darstellung – ihr von Kate Bushs „Running Up That Hill“ untermalter Fluchtmoment zählt zweifellos zu den ikonischsten Szenen der Seriengeschichte. Die musikalische Inszenierung ist dabei weit mehr als atmosphärischer Effekt: Sie wird zum narrativen Werkzeug emotionaler Transzendenz – kraftvoll, symbolisch aufgeladen, unvergesslich.

                    Neu im Ensemble ist Joseph Quinn als Eddie Munson – eine Figur, die vom Rand ins Zentrum rückt. Sein Handlungsbogen ist exemplarisch für die erzählerische Reife dieser Staffel: pointiert, tragisch und mit einem dramaturgischen Höhepunkt versehen, der in Erinnerung bleibt. Eddie ist Archetyp und moderne Figur zugleich – Außenseiter, Held, Opfer.

                    Daneben glänzen alte Bekannte in neuer Stärke: Winona Ryder und Brett Gelman liefern als Joyce und Murray pointierte, energiegeladene Dialogszenen mit komödiantischer Präzision. David Harbour als Hopper überzeugt durch physischen Ausdruck und innere Zerrissenheit. Die Russland-Episoden mögen zunächst wie ein Genrebruch wirken, doch sie tragen maßgeblich zur Erhöhung der Staffel bei – sie schaffen Raum für Pathos und Erschöpfung, für Widerstand und Erlösung.

                    Formal erreicht die Staffel durchgängig ein Niveau, das sich mit Kinoproduktionen messen kann: Die Kameraarbeit ist dynamisch und durchdacht, das Sounddesign fein nuanciert, die Spezialeffekte spektakulär und gleichzeitig erzählerisch sinnvoll eingebettet. Die Staffel baut Spannung mit chirurgischer Präzision auf und vermeidet selbst in Überlänge jegliche dramaturgische Ermüdung.

                    Stranger Things 4 ist ein Serienphänomen auf dem Zenit seiner erzählerischen und ästhetischen Möglichkeiten. Die Themen – Identitätsfindung, Verlust, Freundschaft, Trauma – werden mit Ernsthaftigkeit behandelt, ohne den Zugang zum Publikum zu verlieren. Zugleich kann man diese Staffel auch als subtile Reflexion über weibliche Selbstermächtigung lesen: Max und Eleven stehen im Zentrum einer Geschichte, die ihre inneren Konflikte nicht nur abbildet, sondern zum Motor der Handlung macht – ohne sie je auf Stereotype zu reduzieren.

                    Fazit:
                    Die vierte Staffel von Stranger Things ist mehr als gelungene Unterhaltung. Sie ist ein cineastisch erzähltes Coming-of-Age-Horror-Drama, das seine Figuren ernst nimmt, seinen Ton meistert und seine Bildsprache perfektioniert. Ein seltenes Beispiel für das kreative Potenzial seriellen Erzählens – opulent, emotional, radikal gut.

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                      Max_200a 14.04.2025, 19:41 Geändert 14.04.2025, 19:47

                      Stranger Things – Staffel 3: Ein Sommer in Hawkins

                      Mit der dritten Staffel schlägt Stranger Things einen neuen Ton an – heller, lauter, bunter. Statt düsterer Suburbia-Melancholie dominieren nun Neonfarben, Shopping-Mall-Romantik und eine Sommeratmosphäre, die das bislang so stimmig gebaute Serienuniversum auffällig kontrastiert. Dieser stilistische Kurswechsel ist mutig, aber nicht durchweg geglückt: Erzählerisch bleibt Staffel 3 überraschend schwach und verliert vieles von dem, was die Serie ursprünglich auszeichnete.

                      Dabei gibt es durchaus Elemente, die auch in dieser Staffel überzeugen. Das Monsterdesign, allen voran der neue Auftritt des „Mind Flayer“, bleibt eine visuelle Stärke. Die Kreatur wirkt greifbarer, organischer – ihre Präsenz sorgt für einige eindrucksvolle Schauwerte und gehört zweifellos zu den Highlights der Staffel.

                      Auch die Beziehung zwischen Elfie und Max bringt frischen Wind. Ihre wachsende Freundschaft verleiht Elfies Figur mehr emotionale Bandbreite und erlaubt ihr erstmals, sich außerhalb der bekannten Beziehungsdynamiken weiterzuentwickeln. Ebenso bereichernd ist die Figurenkonstellation rund um Hopper und Joyce, deren zarte Annäherung charmant, wenn auch nicht immer glaubwürdig inszeniert ist. Lucas’ kleine Schwester Erica bringt pointierten Humor ins Ensemble, ohne zur bloßen Comic-Relief-Figur zu verkommen.

                      Ein klarer Lichtblick ist die Einführung von Robin (Maya Hawke) , die sich nicht nur schauspielerisch als Bereicherung entpuppt , sondern auch als Figur mit Tiefe und einer angenehm trockenen Intelligenz überzeugt. Ihre Chemie mit Steve Harrington gehört zu den gelungensten Neuerungen der Staffel.

                      Und auch Dustin bekommt seinen ikonischen Moment: Das musikalische Duett zu “The NeverEnding Story” mit Suzie – so kitschig wie charmant – bleibt als eines der wenigen wirklich unvergesslichen Highlights der Staffel im Gedächtnis. Es ist ein seltenes Beispiel für jene verspielte Magie, die Stranger Things einst auszeichnete.

                      Nicht unerwähnt bleiben darf Murray Bauman ( Brett Gelman) der mit seinem scharfen Zynismus und trockenem Humor erneut für die richtigen Akzente sorgt. Er balanciert das Ensemble mit einer willkommenen Portion Ironie aus und bleibt einer der unterschätzten Stars der Serie.

                      Wie gewohnt glänzt Stranger Things in audiovisueller Hinsicht: Das ikonische Intro, begleitet von Synthesizerklängen, und die detailverliebten 80er-Jahre-Anspielungen – darunter eine augenzwinkernde Hommage an Terminator – tragen zur atmosphärischen Dichte bei. Doch hinter dieser stilistischen Oberfläche beginnt es zu bröckeln.

                      Denn so solide einzelne Elemente auch sein mögen, die Dramaturgie der Staffel wirkt über weite Strecken zerfasert und unnötig träge. Erst spät entfaltet sich eine greifbare Bedrohung, und bis dahin hangelt sich die Erzählung durch eine Reihe wenig ergiebiger Nebenstränge. Die ersten Episoden sind spürbar langatmig und entwickeln kaum narrative Zugkraft.

                      Hinzu kommt eine inhaltliche Überfrachtung. Die Einführung eines geheimen russischen Komplexes unter dem Einkaufszentrum mag als ironische Referenz auf Kalter-Krieg-Paranoia der 80er gedacht sein, bleibt aber erzählerisch unterentwickelt und wirkt wie ein Fremdkörper im Seriengefüge. Statt Spannung zu erzeugen, sorgt dieses Handlungselement für Verwirrung und nimmt der Geschichte ihre emotionale Tiefe.

                      Die vermehrt in den Vordergrund gerückten Liebesbeziehungen – insbesondere zwischen Mike und Elfie – sind kaum ausbalanciert und oft unnötig dramatisiert. Vieles wirkt aufgebauscht und wenig organisch, wodurch sich das Erzähltempo zusätzlich verlangsamt. Besonders auffällig ist zudem die ungleiche Gewichtung der Figuren: Will, in den ersten beiden Staffeln noch zentrales Element des Narrativs, wird zunehmend zur Randfigur degradiert. Auch Nancy und Jonathan verlieren an erzählerischer Relevanz, und insbesondere Nancy verkommt zu einer überzeichneten Figur, deren journalistischer Eifer kaum noch überzeugend wirkt.

                      Der hellere, sommerliche Look der Staffel tut der Serie atmosphärisch ebenfalls keinen Gefallen. Was einst durch düstere Lichtsetzung und klaustrophobische Bildsprache für Spannung sorgte, weicht nun einem bunten Szenario, das der unterschwelligen Bedrohung jede Tiefe nimmt. Die tonale Schere zwischen leichter Sommerkomödie und apokalyptischem Horror klafft hier deutlich zu weit auseinander.

                      Zwar gelingt der Staffel im Finale eine emotionale Zuspitzung – inklusive tragischer Opfer – doch vermag auch das nicht, die strukturellen Schwächen der vorhergehenden Episoden zu kompensieren. Die Staffel wirkt überladen, tonal unstet und verliert den Fokus auf das, was Stranger Things einst besonders machte: die glaubhafte Verankerung des Übernatürlichen im Alltäglichen.

                      Fazit:
                      Staffel 3 von Stranger Things ist ein stilistisch auffälliger, aber erzählerisch enttäuschender Zwischenschritt. Trotz einzelner starker Figurenmomente, einer brillanten Dustin-Performance und gelungener audiovisueller Inszenierung fehlt es der Staffel an Stringenz, Tiefe und narrativer Konsequenz. Die Serie verliert sich im Versuch, größer, lauter und popkulturell aufgeladener zu sein – und büßt dabei viel von ihrer ursprünglichen Faszination ein.

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                        Mit Challengers versucht sich Luca Guadagnino an einem ebenso stilisierten wie psychologisch aufgeladenen Liebesdreieck in der Welt des Profitennis – eine Bühne, die er mit visueller Finesse, choreografischer Präzision und pulsierendem Rhythmus in Szene setzt. Und zumindest auf der formalen Ebene gelingt ihm das mit beachtlicher Konsequenz.

                        Allen voran steht Zendaya im Zentrum dieses Spiels – und sie überzeugt mit einer Intensität und Vielschichtigkeit, die man mit Recht als die bisher stärkste Leistung ihrer Karriere bezeichnen darf. Ihre Tashi Duncan ist keine einfache Figur, sondern ein kontrollierendes, manipulierendes Kraftzentrum, das sich nie ganz fassen lässt. Zendaya spielt das mit stoischer Härte, aber auch mit feinen Brüchen. Sie ist dominant und verletzlich, faszinierend und abschreckend zugleich – und hält das emotionale Gefüge des Films mühelos zusammen.

                        Unterstützt wird diese Darstellung durch die mutige Kameraarbeit von Sayombhu Mukdeeprom, die sich nicht scheut, ungewöhnliche Blickwinkel zu wählen und das Spiel auf dem Tennisplatz als Spiegel innerer Machtverhältnisse zu inszenieren. Guadagnino verwebt Spiel und Psyche so eng miteinander, dass jeder Aufschlag, jeder Seitenblick zwischen den Charakteren mehr über ihre Beziehungen verrät als so mancher Dialog. Die Musik von Trent Reznor und Atticus Ross trägt entscheidend zur Atmosphäre bei: Ein durchgehender elektronischer Puls, der den Film rhythmisiert und in seinen besten Momenten hypnotisch macht.

                        Doch leider reicht das stilistische Geschick nicht aus, um die strukturellen Schwächen des Films zu übertünchen. Das Drehbuch bleibt letztlich zu schematisch, die Figurenzeichnung zu distanziert. Die Beziehungen zwischen Tashi, Art (Mike Faist) und Patrick (Josh O’Connor) wirken oft wie ein psychologisches Experiment, weniger wie gelebte Geschichte. Die Dynamik zwischen ihnen ist zwar geladen, aber selten glaubhaft emotional. Ihre gegenseitige Abhängigkeit wirkt fast zu mechanisch, ihre Toxizität wie aus der Theorie abgeleitet.

                        So beobachtet man diese drei Menschen, wie sie sich gegenseitig belügen, begehren, benutzen – aber wirklich fühlen lässt einen der Film dabei kaum. Man bleibt Zuschauer eines kalten Spiels, das wenig Raum für Identifikation oder Empathie lässt. Gerade weil Challengers so viel über Begehren und emotionale Macht erzählen will, enttäuscht es umso mehr, dass man diesen Figuren letztlich nicht nahekommt. Auch wenn die Oberflächen glänzen – darunter bleibt es erstaunlich leer.

                        Fazit:
                        Challengers ist ein formal virtuoses, ästhetisch durchkomponiertes Werk, das seine stärksten Momente der Bildsprache, der Musik und vor allem einer brillanten Hauptdarstellerin verdankt. Doch das emotionale Fundament, das den Film eigentlich tragen müsste, bleibt schwach. Die Charaktere wirken fremd, toxisch und zu künstlich, um sich wirklich mit ihnen zu verbinden. So bleibt Challengers ein faszinierendes Spiel – aber eben eines, bei dem man nie selbst ins Match einsteigt.

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                          Twin Peaks: Fire Walk With Me-
                          Laura‘s Film

                          Nur wenige Regisseure der Filmgeschichte besitzen eine Handschrift, die so unmittelbar wiedererkennbar, so kompromisslos und so existenziell ist wie die von David Lynch. Mit Twin Peaks: Fire Walk With Me lieferte Lynch 1992 nicht einfach ein Prequel zur gleichnamigen Kultserie, sondern ein erschütterndes, formal radikales und emotional überlebensgroßes Porträt eines Mädchens im freien Fall – und zugleich eines der mutigsten Werke der amerikanischen Filmgeschichte.

                          Was zunächst vom Publikum und der Kritik weitgehend missverstanden wurde, hat sich über die Jahre zum Kult-Meisterwerk entwickelt – nicht zuletzt, weil Lynch hier all jene Konventionen ignoriert, die man von einem Serienableger erwarten könnte. Kein Fanservice, keine gemütliche Rückkehr nach Twin Peaks, keine wohlige Nostalgie. Stattdessen: ein Abstieg in die Hölle, erzählt mit schmerzhafter Intimität, formaler Brillanz und einer unnachgiebigen Wahrhaftigkeit.

                          Im Zentrum steht Sheryl Lee in ihrer wohl größten, aber auch meistunterschätzten Leistung als Laura Palmer.

                          Was Lee in diesem Film leistet, ist schlichtweg atemberaubend .

                          Sie verkörpert keine „Figur“, sie lebt diese junge Frau – mit all ihrem inneren Zerfall, ihrer Würde, ihrem Verlorensein, ihrer Sehnsucht nach Erlösung. Ihre Darstellung ist von einer emotionalen Radikalität, die im amerikanischen Kino ihresgleichen sucht. Sie schreit, sie schweigt, sie taumelt – und bleibt dabei stets menschlich.

                          Lynch inszeniert diese letzten sieben Tage im Leben Lauras nicht als lineare Chronologie, sondern als fragmentierten Albtraum – zwischen Drogenrausch, sexueller Gewalt, familiärem Zerfall und metaphysischem Horror.

                          Was Fire Walk With Me dabei so erschütternd macht, ist nicht allein das, was gezeigt wird, sondern wie es gezeigt wird: Die Form wird zur Empfindung. Die flackernden Lichter, die surrealen Schnitte, das verstörende Sounddesign – all das ergibt ein filmisches Nervensystem, das ebenso viel fühlt wie erzählt.

                          Die Ästhetik des Films ist dabei von einer atemberaubenden Konsequenz. Lynch und Kameramann Ron Garcia schaffen Bilder von teils sakraler Schönheit und tiefster Verzweiflung. Jede Einstellung ist geladen mit Bedeutung, jedes Detail scheint aus einem Zwischenraum von Realität und Traum geboren. Angelo Badalamentis Musik schmiegt sich wie ein trauriger Nebel um die Szenen – klagend, unheilvoll, sehnsüchtig. Besonders die letzten Minuten, in denen Laura zwischen Tod und Erlösung zu schweben scheint, gehören zu den ergreifendsten Momenten des gesamten Lynch-Kosmos.

                          Fire Walk With Me ist kein Krimi, kein Horrorfilm – sondern eine elegische Tragödie über Trauma, Überleben und das zerbrechliche Ich eines Mädchens, das in einem System aus Gewalt, Schweigen und Schuld gefangen ist. Lynch blickt dabei nie aus der Distanz, sondern stellt sich radikal an die Seite seiner Protagonistin. Er verleiht Laura Palmer, die in der Serie zunächst nur als mysteriöse Leiche eingeführt wurde, endlich eine Stimme – und diese Stimme schreit, weint, singt, trotzt. In ihrer ganzen Komplexität, ihrer Widersprüchlichkeit, ihrer Menschlichkeit.

                          Dieser Film ist weiblich. Nicht nur, weil er sich einer Frau widmet – sondern weil er das Unsichtbare sichtbar macht. Er erzählt nicht, was Laura tut, sondern was sie fühlt, und was die Welt ihr antut. Er verleiht ihr ein inneres Leben, das der Serie in ihrer ersten Form versagt blieb. Er gibt ihr nicht Erlösung – aber er gibt ihr Tiefe. Und vielleicht ist das mehr.

                          Man kann diesen Film analysieren wie ein Seminartext – voller Verweise auf Trauma-Theorie, auf die Symbolik des Amerikanischen Alptraums, auf Lynch’ dekonstruktivistische Erzählmethoden. Aber das würde ihn verkleinern. Denn Fire Walk With Me ist vor allem eines: eine Elegie. Ein Abschiedslied für eine verlorene Kindheit, ein zärtliches, grausames Wiegenlied für eine Seele, die nie willkommen war.

                          Und in der letzten Szene – als Laura endlich lacht, tränenüberströmt, vor einem Engel, den sie selbst erschaffen hat – dann ist das vielleicht die schönste, traurigste, ehrlichste Erlösung, die das Kino je gezeigt hat. Kein Happy End. Aber Hoffnung. Kein Gott. Aber Licht.

                          Fazit:
                          Fire Walk With Me ist kein Film für schwache Nerven – er verlangt seinem Publikum alles ab. Aber wer sich auf ihn einlässt, wird belohnt mit einem der mutigsten, bewegendsten und filmisch konsequentesten Werke der Filmgeschichte. David Lynch hat Laura Palmer nicht nur ein Gesicht gegeben, sondern eine Seele. Und was Sheryl Lee hier zeigt, ist nichts weniger als das: die Menschwerdung einer Ikone – in all ihrer zerrissenen, leuchtenden, tieftraurigen Schönheit.
                          Ein kompromissloses Meisterwerk – verstörend, traurig, wunderschön.

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                          • 9 .5

                            In einer Welt, in der das Kino allzu oft laut sein muss, um gesehen zu werden, wagt We Live in Time das Gegenteil: ein stilles Drama über zwei Menschen, die sich begegnen, lieben, verlieren – und deren Lebenszeit sich doch für immer ineinander einschreibt. John Crowley (Brooklyn) erzählt diese Geschichte mit einer bemerkenswerten Zurückhaltung, die emotional umso eindrucksvoller wirkt.

                            Das Herzstück des Films ist ohne Frage das Zusammenspiel von Florence Pugh und Andrew Garfield, die mit ihrer leisen, aber tiefgründigen Präsenz eine der glaubwürdigsten Leinwandbeziehungen der letzten Jahre erschaffen. Pugh spielt mit einer solchen emotionalen Präzision und Wahrhaftigkeit, dass man ihrer Figur durch jede Phase des Lebens glaubt – sei es in Momenten der Euphorie, des Schmerzes oder der Resignation. Ihre Darstellung ist subtil und vielschichtig und verdient es, in der kommenden Preis-Saison nicht nur erwähnt, sondern ausgezeichnet zu werden. Garfield begegnet ihr auf Augenhöhe: zurückgenommen, feinfühlig, mit einer sanften Melancholie, die seiner Figur Gewicht und Wärme verleiht.

                            Die Erzählstruktur ist fragmentiert – Erinnerungen, Gegenwart und mögliche Zukünfte fließen ineinander, fast wie in einem Traum. Crowley interessiert sich weniger für die klassische Dramaturgie als für die Brüche, Pausen und Übergänge des Lebens. Die Kamera bleibt stets dicht an den Figuren, beobachtet mehr, als sie kommentiert, und schafft dabei eine fast intime Nähe.

                            We Live in Time ist ein Film über die kleinen Gesten, über das, was unausgesprochen bleibt, über das, was das Leben eigentlich ausmacht. Es ist ein Film, der die großen Themen – Liebe, Krankheit, Verlust, Vergänglichkeit – mit großer Würde behandelt, ohne je ins Sentimentale abzurutschen.

                            Visuell setzt der Film auf eine zurückhaltende, aber äußerst stimmige Bildsprache. Farben, Licht und Räume sind bewusst gewählt, wirken nie überinszeniert, sondern dienen stets der Atmosphäre. Der Score fügt sich unauffällig, aber wirkungsvoll ein und unterstreicht die emotionale Tiefe der Erzählung.

                            Fazit:
                            We Live in Time ist ein bemerkenswert sensibles Liebesdrama, das sich durch exzellente Schauspielleistungen, eine kluge Struktur und große emotionale Aufrichtigkeit auszeichnet. Florence Pugh brilliert in einer der stärksten Rollen ihrer Karriere, unterstützt von einem ebenso überzeugenden Andrew Garfield.

                            Ein stiller, aber umso eindringlicherer Film über die Zeit, die Liebe – und das, was von uns bleibt.

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                            • 7 .5
                              Max_200a 13.04.2025, 11:58 Geändert 13.04.2025, 12:01

                              Wes Anderson ist einer jener Regisseure, dessen Stil man entweder liebt oder mit einer gewissen inneren Distanz betrachtet. Ich persönlich zähle mich eher zur zweiten Kategorie: Ich schätze die technische Raffinesse, bewundere die Ästhetik – aber emotional lässt mich vieles oft kalt. Asteroid City war in dieser Hinsicht eine Überraschung. Auch wenn ich die Handlung – sofern überhaupt vorhanden – kaum fassen konnte, hat mich der Film auf eine eigentümliche Weise begeistert.

                              Andersons Erzählstruktur ist wie gewohnt verschachtelt, selbstreferenziell und teilweise bewusst unzugänglich. Asteroid City ist Theaterstück im Film im Film, Meta-Kommentar und Science-Fiction-Parabel zugleich – oder vielleicht auch gar nichts davon. Die Handlung scheint sich immer wieder selbst zu unterlaufen, Fragen aufzuwerfen, statt Antworten zu liefern. Und doch: Trotz (oder gerade wegen) dieser erzählerischen Eigenwilligkeit funktioniert der Film erstaunlich gut – wenn man bereit ist, sich einfach treiben zu lassen.

                              Was mich durchgehend bei der Stange gehalten hat, war Andersons unverkennbarer Humor: trocken, pointiert, fast mathematisch gesetzt. Jeder Satz, jede Reaktion wirkt wie mit dem Lineal gezeichnet – und doch funktioniert es. Dieser absurde, hyperkontrollierte Witz, bei dem selbst ein stirnrunzelndes Schweigen zur Pointe wird, trifft hier für mich genau den richtigen Ton.

                              Besonders hervorzuheben ist das Ensemble: Scarlett Johansson, Tom Hanks und Jason Schwartzman liefern durchweg großartige Leistungen ab. Johansson verleiht ihrer Figur eine melancholische Tiefe, die unter der kühlen Oberfläche langsam durchbricht. Tom Hanks überrascht mit einer unerwartet warmen Präsenz, die seinen sonst oft autoritären Rollen entgegensteht. Und Schwartzman – Andersons Dauerbegleiter – trifft mit seinem trockenen, leicht desorientierten Spiel das Zentrum dieses seltsamen Kosmos.

                              Optisch ist Asteroid City ein Rausch. Die kulissenhafte Wüstenstadt, in der pastellfarbene Bungalows auf neonleuchtende Werbeschilder treffen, wirkt wie ein Diorama aus einem anderen Jahrhundert. Die Farbgestaltung – irgendwo zwischen Retro-Futurismus und Zuckerwatte – ist schlicht himmlisch. Jedes Bild könnte ein Poster sein, jede Szene ein Tableau vivant. Es ist ein Film, in dem man sich verlieren kann, selbst wenn man sich nicht ganz sicher ist, wohin er einen führen will.

                              Und vielleicht ist genau das der Punkt. Asteroid City ist kein Film, den man „versteht“ – er ist ein Film, den man fühlt. Ein Kinostück über das Staunen, das Scheitern, über Identität und vielleicht auch über die Absurdität, überhaupt Geschichten erzählen zu wollen. Oder, um es einfacher zu sagen: Ich weiß nicht, was ich da gesehen habe, aber ich hatte Spaß dabei.

                              Fazit:
                              Wes Anderson bleibt auch in Asteroid City seiner Handschrift treu – verspielt, streng komponiert und herrlich eigensinnig. Für Fans des Regisseurs eine visuelle wie stilistische Vollbedienung, für Skeptiker (wie mich) eine überraschend zugängliche Erfahrung. Die Handlung mag rätselhaft bleiben, doch Humor, Atmosphäre und das fantastische Ensemble machen den Film zu einem Erlebnis.

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                                Max_200a 11.04.2025, 11:35 Geändert 12.04.2025, 10:48

                                Stranger Things – Staffel 2:
                                Identitätsfindung

                                Nachdem die erste Staffel von Stranger Things vor allem durch ihre dichte Atmosphäre und die vielen popkulturellen Referenzen an die 1980er Jahre auffiel, stand Staffel 2 vor einer nicht ganz einfachen Aufgabe: Sie musste zeigen, dass mehr hinter dem Phänomen steckt als bloße Nostalgie.

                                Und tatsächlich: Die zweite Staffel beweist, dass die Serie inhaltlich wie stilistisch deutlich gereift ist.

                                Sie beginnt, ein eigenes erzählerisches Profil zu entwickeln – ohne dabei die Qualitäten zu verlieren, die sie ursprünglich so erfolgreich gemacht haben.

                                Die Rollen sind besser ausbalanciert, Konflikte wirken weniger konstruiert, sondern organischer in den Erzählfluss integriert. Besonders überzeugend ist dabei die Entwicklung von Elfie, erneut großartig gespielt von Millie Bobby Brown.

                                Während sie in Staffel 1 noch stark als mysteriöse Projektionsfläche fungierte, bekommt sie hier Raum zur Entfaltung – als verletzliches, aber entschlossenes Mädchen, das zwischen zwei Welten steht. Ihre Darstellung ist dabei nicht nur emotional überzeugend, sondern beeindruckt auch durch ihr schauspielerische können das man in diesem Alter nur selten sieht.

                                Zentral für Elfies Entwicklung ist ihre Beziehung zu Hopper (David Harbour), der in der zweiten Staffel zur Vaterfigur für sie wird.

                                Diese Konstellation gehört für mich zu den stärksten Momenten innerhalb der zweiten Staffel.

                                Ihre Dynamik ist glaubwürdig: ein ständiges Ringen zwischen Kontrolle, Fürsorge, Vertrauen und Rebellion.

                                Hopper selbst bleibt für mich ein faszinierender Charakter!

                                Ein weiterer Gewinn für die Staffel ist die Einführung von Sadie Sink als Max, die die bestehende Freundschaftsgruppe der Kinder um eine spannende Figur ergänzt.

                                Max ist raffiniert, aber nicht überzeichnet, neugierig, aber auch verletzlich. Ihre Anwesenheit sorgt für frische Reibungspunkte innerhalb der Gruppe, bringt neue Energie ins Ensemble und öffnet die Tür für zukünftige Entwicklungen vor allem in Hinsicht auf ihre Dynamik zu Elfie.

                                Neben den bekannten Figuren bringt Staffel 2 auch einen meiner neuen Lieblingscharaktere
                                Bob Newby, gespielt von Sean Astin, neu ins Spiel.

                                Als liebenswürdiger, etwas nerdiger Freund von Joyce Byers bietet er eine wohltuende Normalität, und Vaterrolle inmitten des zunehmenden Chaos.

                                Bob verbleibt nicht nur als sympathischer Sidekick, sondern erfüllt eine echte Funktion im narrativen Gefüge, sein Schicksal verleiht der Staffel einen der emotionalsten und traurigsten Momente!

                                Auch auf visueller Ebene konnte die zweite Staffel merklich aufstocken :

                                Die Effekte wirken nun ausgereifter, das Creature Design – insbesondere des „Mind Flayer“ – ist stimmungsvoll und deutlich bedrohlicher als noch in der ersten Staffel.

                                Der Horror-Anteil wurde etwas verstärkt, bleibt aber eingebettet in ein stimmiges, durchdachtes Worldbuilding.

                                Das Serienuniversum wird konsequent erweitert, ohne sich zu sehr zu verlieren.

                                Ein mutiger Schritt – und zugleich ein gelungener – ist die Episode rund um Elfies „Schwester“ Kali, die sich stilistisch und atmosphärisch deutlich von der restlichen Staffel abhebt.

                                Auch wenn diese Folge unter Fans teils schlecht aufgenommen wurde, ist sie für mich erzählerisch ein Gewinn.

                                Sie erlaubt nicht nur einen Blick über den Tellerrand von Hawkins hinaus, sondern vertieft Elfies Identitätskonflikt und gibt der Figur zusätzliche Dimension.

                                Nicht zuletzt bleibt auch die Musik hervorzuheben: Das ikonische Intro, mit seinem minimalistischen Design und dem eingängigen Synthesizer-Soundtrack, bleibt weiterhin ein Highlight!– auch beim wiederholten Sehen. Der gesamte Score schafft es, Spannung, Melancholie und Dynamik punktgenau zu transportieren, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

                                Fazit:
                                Die zweite Staffel von Stranger Things ist nicht nur eine konsequente Fortsetzung, sondern eine deutliche Weiterentwicklung zur ersten Staffel.

                                Sie findet eine eigene Stimme, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen. Mit starken schauspielerischen Leistungen – allen voran von Millie Bobby Brown –, emotional glaubwürdigen Beziehungen, neuen spannenden Figuren und einer sichtbar aufgewerteten Produktion überzeugt die Serie auf nahezu allen Ebenen.

                                Die Nostalgie ist nach wie vor präsent, doch sie wird nicht mehr zur Hauptsache – Stranger Things beginnt, sein eigenes Universum ernsthaft zu erzählen.

                                8 von 10 Punkten.

                                • 6 .5

                                  Stranger Things – Staffel 1: Zwischen Nostalgie und Identitätsfindung

                                  Nach langem Zögern habe ich mich nun doch an die erste Staffel von Stranger Things gewagt, lange habe ich mich davor gedrückt vor allem, weil ich das Gefühl hatte, dass die Serie stark überbewertet ist. Und auch wenn ich die Entscheidung, sie anzusehen, nicht bereue, hat sich mein Eindruck zum Teil bestätigt: Die Serie ist atmosphärisch stark, aber inhaltlich noch nicht eigenständig genug.

                                  Was Stranger Things ohne Zweifel sehr gut gelingt, ist die Inszenierung. Das Intro mit seinem minimalistischen Design und der markanten Synthesizer-Musik ist hervorragend und schafft sofort eine dichte, stimmungsvolle Atmosphäre. Auch der Soundtrack insgesamt ist ein Highlight – er fängt das 80er-Jahre-Flair gekonnt ein, ohne zu aufdringlich zu wirken.

                                  Besonders positiv hervorzuheben sind die jungendlichen Hauptdarsteller. Allen voran Dustin, der mit seinem natürlichen Spiel, Witz und Charme zu den stärksten Figuren der Staffel zählt. Auch Hopper, gespielt von David Harbour, überzeugt mit einer facettenreichen Darstellung – ein innerlich zerrissener, aber glaubwürdiger Charakter, der der Handlung emotionale Tiefe verleiht.

                                  Trotz dieser Stärken fehlt es der Serie für mich an einer eigenständigen Identität. Viele Szenen und Ideen wirken stark inspiriert von Klassikern der 1980er Jahre – von E.T. über Die Goonies, Twin Peaks bis hin zu Der weiße Hai. Statt eine neue Welt mit eigenen Motiven zu erschaffen, wirkt Stranger Things in weiten Teilen wie ein stilistisch überzeugendes, aber wenig innovatives Mosaik aus Popkulturzitaten.

                                  Auch das zentrale Monster, der sogenannte Demogorgon, bleibt visuell und dramaturgisch hinter den Erwartungen zurück. Es wirkt generisch und schafft es nicht, eine nachhaltige Bedrohung oder emotionale Wirkung zu entfalten.

                                  Insgesamt bleibt die erste Staffel von Stranger Things für mich eine solide Mystery-Serie mit großem Unterhaltungswert, aber auch deutlichen Schwächen im Bereich Originalität und Tiefgang. Die audiovisuelle Gestaltung ist stark, und die Schauspieler – insbesondere im jungen Cast – tragen die Serie spürbar. Doch der große Hype, der um die Serie entstanden ist, erscheint mir nach der ersten Staffel (noch) nicht vollständig gerechtfertigt.

                                  Fazit:
                                  Stranger Things überzeugt atmosphärisch und schauspielerisch, bleibt aber erzählerisch zu sehr in der Vergangenheit verhaftet. Eine stilvolle, aber noch nicht voll entwickelte Serie. 6,5 von 10 Punkten.

                                  • 6 .5
                                    Max_200a 18.02.2025, 23:49 Geändert 20.02.2025, 18:42

                                    Zugegebenermaßen bin ich kein besonders großer Fan des Deutschen Films. Zu formelhaft zu wenig abwechslungsreich und fast immer mit den selben Darstellern die dann auch immer wieder und wieder die selben Rollen in unterschiedlichen Filmen spielen. Ganz ehrlich, existieren überhaupt Zeitgenössische Deutsche Produktionen die keine Romantischen Komödien oder Dramen sind?..

                                    Es ist dementsprechend lange her, dass ich mir einen deutschen Film angesehen habe.

                                    Der letzte war Chantal im Wunderland, und nach dem dachte ich eigentlich: „Okay, das war’s jetzt mit deutschen Filmen für mich.“

                                    Aber dann hatte meine Freundin Geburtstag, und sie wollte unbedingt, dass ich mit ihr die Fortsetzung von Wunderschön, also Wunderschöner, im Kino anschaue.

                                    Ich kannte den ersten Teil nicht und bin dementsprechend ohne Vorkenntnisse reingegangen, auch habe ich auf jegliche Inhaltsangaben oder den Trailer verzichtet.

                                    Zu meiner Verwunderung hat mich der Film dann doch etwas zum positiven überrascht.
                                    Ich hatte Schlimmeres erwartet.

                                    Die Botschaft hinter Wunderschöner ist wichtig, und wurde in den letzten Jahren schon in einigen Filmen verwertet (zmb. Barbie). Karoline Herfurth hat hier wieder einmal ihren eigenen Stil, der sich zumindest an manchen Stellen vom typischen deutschen Film abhebt. Sie hat eine eigene Handschrift was ihre Filme zumindest bedingt vom deutschen Einheitsbrei hervorhebt.

                                    In wunderschöner hat mir die Art, wie sie die verschiedenen Geschichten miteinander verknüpft, gefallen.

                                    Besonders gut fand ich die eine Traumsequenz – das war visuell mal was etwas anderes.
                                    Die Musik und die Kameraarbeit waren passend, wie man es von einem Film dieser Art erwarten würde.

                                    Schauspielerisch haben wir eine recht solide Karoline Herfurth die neben ihrer Regie Arbeit auch eine der Hauptrollen übernommen hat. Keiner der Darsteller wäre für mich besonders hervorzuheben, wobei das Schauspiel durchaus solide bis gut war.

                                    Neben den durchaus positiven Aspekten hatte ich insgesamt doch meine Probleme mit dem Film.

                                    Erst einmal : Er war einfach zu lange.

                                    Es hätte dem Film wohl gut getan ihn zumindest auf glatte 2 Stunden herunter zu kürzen. Langweilig war er für mich nie, jedoch zu überladen.

                                    Die Botschaft ist gut, Frauenrechte, Gewalt Präventive Maßnahmen, geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten, fatale Schönheitsideale, Selbstakzeptanz, den Druck auf Frauen, Beruf und Familie zu vereinen, Geschlechterrollen, Altersdiskriminierung und mentale Gesundheit sind wichtige und brandaktuelle Themen unsere Zeit mit denen man sich beschäftigen muss!

                                    Aber diese Themen werden so mit voller Wucht vermittelt, dass es irgendwann einfach zu viel wird. Dieses typische deutsche „Wir müssen jetzt eine ganz wichtige Lektion erteilen“-Feeling war mir persönlich zu viel! Anstatt dem Zuschauer selbst die Chance zu geben das Gesehene zu überdenken und etwas aus dem ganzen mitnehmen zu können, fühlte es sich hier oft nach Oberlehrer Lektionen an.

                                    Emotional fangen konnte mich der Film vor allem bei dem Thema Prostitution, und dem Handlungsstrang rund um die Prostituierte Nadja. Insgesamt aber nicht oft genug.

                                    Wunderschöner hatte seine Momente und war besser, als ich erwartet hatte, aber insgesamt hat er mich nicht völlig überzeugt. Karoline Herfurth hat einen eigenen Stil eine eigene Handschrift die sich schwer in Worte fassen lässt. Visuell fand ich den Film durchaus interessant, und bin gespannt was Sie in Zukunft so auf die Leinwand bringen wird.

                                    Fazit:
                                    Wer den ersten Teil mochte, wird hier wahrscheinlich auf seine Kosten kommen.
                                    Insgesamt wurde ich positiv überrascht.
                                    Dennoch bleibe ich persönlich aber bei meinem ursprünglichen Plan, deutschen Filmen eher aus dem Weg zu gehen.

                                    Meine Wertung: 6,5/10.

                                    Fun Fact: Meine Freundin und Ich waren die einzigen im Kinosaal 😅

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