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Das Werk von Ethan und Joel Coen

13.12.2014 - 16:30 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Ethan und Joel Coen bei Dreharbeiten zu A Serious Man
Tobis
Ethan und Joel Coen bei Dreharbeiten zu A Serious Man
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Kürzlich habe ich meine erste Kommentar-Reihe den Coen-Brüdern gewidmet. Nun, nachdem ich all ihre Filme gesehen, bewertet und kommentiert habe, ist es Zeit, sich mit dem Werk als Ganzes auseinanderzusetzen. Dabei gehe ich auf die vier Pfeiler „Themen“, „Figuren“, „Musik“ und „Stil“ ein.

THEMEN:
Ethan und Joel Coen beschäftigen sich in ihren Filmen zumeist mit den gleichen Themen. Zumeist kommen sie auf ein ähnliches Ergebnis gegen Ende des Films. Einen Unterschied gibt es jedoch darin, ob die Figuren oder lediglich der Zuschauer eben jene Lehren aus den Filmen zieht. Außerdem ist der Weg zu der berühmten Moral von der Geschicht’ in ihren Komödien ein anderer als in ihren Tragödien. Als größtes Laster und Fehlverhalten der Menschheit scheinen die beiden Filmemacher die (eigentlich typisch menschlichen) Eigenschaften der Neid und Gier anzusehen. Diese Themen ziehen sich von Anfang an durch die Filmographie der Brüder. In Blood Simple geht die Frau des einen Mannes fremd, woraufhin dieser einen anderen Mann beauftragt, die beiden zu ermorden (Neid). Der jedoch schmiedet einen Plan, um die 10.000 Dollar für Nichts zu bekommen (Gier). In Fargo beauftragt ein Mann zwei Möchtegern-Gangster damit, seine Frau zu entführen, damit sie von ihrem reichen Papa Geld bekommen. Ähnliches in The Big Lebowski, meinem Lieblingsfilm The Man Who Wasn't There und dem Totalausfall The Ladykillers.

Ein weiterer Aspekt, der in ihren Filmen immer wieder auftaucht, ist der der Kommunikation. Wie universell wichtig Kommunikation ist zeigt sich in ihren Filmen, da, sollten Personen nicht miteinander kommunizieren können/ wollen, alles und jeder zum Scheitern verurteilt ist. Wie universell wichtig die Brüder die Kommunikation finden, ist in ihrem starken Film A Serious Man zu sehen. Selbst Gott klammern sie von dieser Regel nicht aus. Larry hat dort nämlich ein Leben, das langsam aber sicher dem Abgrund dichter kommt, weshalb er Halt im Glauben sucht. Dass er dort nicht viel realen Halt finden kann, wird daran deutlich, dass die Ratschläge eines Rabbis lauten, Larry solle einfach das „Mysterium akzeptieren“ und nicht weiterfragen. Dort gleitet fehlende Kommunikation sogar in blinden Fanatismus um, da Gott als Instanz und Begründung angegeben wird, um sich nicht um sein eigenes Leben zu kümmern. Und das sehen die Coens als großen Fehler an. Sie sehen es als ebenso großen Fehler, sein Leben aus den Händen geben zu wollen, wie das Leben anderer bestimmen zu wollen. Leben und leben lassen heißt da die Devise. Vor allem in FARGO ist sie überdeutlich, wenn der Frances McDormand-Charakter die Welt nicht mehr versteht, wegen der scheinbar sinnlosen Gewalt. Die Devise ist dabei ebenso einfach, wie von Herzen kommend.

Zudem kreisen ihre Filme oft um das Schicksal und die Moral, die vielleicht als einzige universell geltende Rechte angesehen werden. Wieder einmal am deutlichsten in A SERIOUS MAN und zwar in der mysteriösen Anfangssequenz. Man mag darüber denken, was man will. Für mich zeigt sie die Vorfahren von Larry, die Schlechtes tun, was nicht einen direkten Einfluss auf Larrys Leben hat, aber da ein Bild des Opfers der ersten Szene in Larrys Büro hängt, muss ein Zusammenhang bestehen. Da Larrys Leben, wie gesagt, nicht optimal verläuft und er nicht einmal unbedingt weiß, wieso, wird für mich überdeutlich, dass der Kernpunkt ist: Jede Handlung hat Konsequenzen. Auffällig in ihren Filmen ist, dass Charaktere, die einen kleinen falschen Schritt wagen, und wenn sie nur den Fuß in das kalte Wasser halten, dem Untergang geweiht sind. Sie können sich dem Verderben nicht mehr entziehen, dafür sorgen die Coens schon, die manchmal Göttern gleich über ihre Figuren richten. Ohne Gnade. Ohne Vergebung. Dies sind nämlich Punkte, die man wenn überhaupt vereinzelt in ihren Werken wiederfinden kann. Zu bewundern ist das nicht nur formvollendet in No Country for Old Men, sondern auch, viel subtiler, in Inside Llewyn Davis. Dieser tötet zwar niemanden, er erpresst nicht, er tut eigentlich nichts, was auf dem Papier wirklich illegal wäre. Dennoch ist er ein arroganter, eifersüchtiger und gemeiner Misanthrop, der auch für dieses Verhalten die Quittung erhält. Sein Leben ist eigentlich eine Folge von Misserfolgen. Er ist talentiert, sehr sogar, aber er schafft den Durchbruch als Folk-Musiker nicht. Der Film endet damit, dass Bob Dylan auftritt und damit die Folk-Welle so richtig ins Rollen bringt. Was das für Llewyn Davis bedeutet? Nichts Gutes, wenn Sie mich frage.

Dabei offenbart sich eine Weltsicht, die man wohl mit Fug und Recht als pessimistisch bezeichnen kann. „Zwei Dinge sind unendlich. Das Universum und die menschliche Dummheit; beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Ethan und Joel Coen scheinen Albert Einstein mit jedem ihrer Filme Recht geben zu wollen. In ihren Filmen ist es hundertmal wahrscheinlicher, für Böses bestraft zu werden, als eine Belohnung für Gutes zu bekommen. Eine Ausnahme bildet da FARGO, in der wieder einmal Frances McDormands Charakter Marge ein Geschenk für ihre reine Persönlichkeit bekommt. Nämlich das Geschenk des Lebens. Sie weiß es nämlich zu schätzen und personifiziert nicht nur die „Leben und leben lassen“-Maxime, sondern auch die Goldene Regel.

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