Jan Krüger gab sein Langfilmdebüt mit Unterwegs. Auch mit seinem zweiten Kinofilm Rückenwind geht der Filmemacher wieder in die Richtung des Roadmovie und schickt ein schwules Liebespaar auf eine spielerische und mystische Reise durch die Brandenburgische Landschaft. Die Kritik kann dem Film Einiges abgewinnen, ohne aber wirklich begeistert zu sein – zu sehr scheint die unstete Erzählweise von einem reibungslosen Filmgenuss zu stören:
Christoph Huber lobt für Die Presse den unaufdringlichen Umgang mit Homosexualität: “Selbstverständlich schildert Krüger, wie ein Paar junger Städter beim Naturtrip erst die Räder, dann die Orientierung verliert. Als das Duo zum Hof eines seltsamen Mutter-Sohn-Gespanns kommt, wanken die Beziehungsverhältnisse, mit schillernden Resultaten. … Rückenwind ist ein kleiner, keineswegs makelloser, aber faszinierender Film, weil er so persönlich ist.”
“Wechselt die erste halbe Stunde noch fortlaufend zwischen scheinbar alltäglichen Beobachtungen eines verliebten Paares und Impressionen der Brandenburgischen Landschaft, so ändern sich mit Robins und Johanns Ankunft auf dem Hof Tonalität und Komposition des Films. Die experimentelle, bruchstückhafte Narration und mysteriöse Grundstimmung sind verflogen. Schlagartig wird aus Rückenwind eine unbeschwerte Sommer-Episode mit allem, was dazu gehört. Das mag man wahlweise als Stärke oder Schwäche von Krügers Rucksack-Trip auslegen. Als Stärke, weil man Johann und Robin auf diese Weise endlich etwas näher kommt, oder aber als Schwäche, da sich dieser Teil nicht so recht in den übrigen Film einfügen will. Zum Ende hin entwickelt sich Rückenwind nämlich wieder in eine Richtung, die in ihrer Ambivalenz und Dramaturgie an die erste halbe Stunde anknüpft. Der Verzehr giftiger Beeren löst bei Johann schwere Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen aus. Dabei lässt der Film den Zuschauer ganz bewusst im Unklaren darüber, was sich von all dem tatsächlich ereignet hat. Krügers flirrende, von verspielter Erotik durchzogene Sommer-Fantasie endet so unvermittelt wie sie begann: Mit einem großen Fragezeichen”, resümiert Marcus Wessel für programmkino.de.
“Thematisch ist der Interpretationsspielraum ziemlich groß. Am Kinozuschauer, die Rätsel zu lösen. Die Liebesbeziehung zwischen Robin und Johann ist charakterisiert durch die obligaten, aber sehr diskreten und zärtlichen Sexszenen”, meint Thomas Engel auf derselben Seite. “Formal ist in getragenem Tempo von einer natürlich-anziehenden Wald- und Seenlandschaft, von schöner Kameraarbeit, von einer ausgezeichneten Lichtgestaltung und von gefälliger Begleitmusik zu berichten, allem voran von einer überaus einschmeichelnden Händel-Arie.”
“Es ist nicht die Gratwanderung zwischen einer konventionellen und einer experimentellen Erzählweise, die Rückenwind mitunter etwas unentschlossen wirken lässt”, urteilt Michael Kienzl auf critic.de. “Vielmehr liegt es an dem Umstand, dass Krüger dafür keine durchgehende Verbindung schafft, sondern die verschiedenen Erzählformen in Abschnitte unterteilt. Auch wenn die Ungewissheit der Reise in Rückenwind zum Konzept des Films gehört, verzeiht man Krüger diesen zweiten Kurswechsel nicht so leicht.”