In dieser Woche kommt Angelina Jolies Kriegsdrama Unbroken in die deutschen Kinos. In dem Biopic spielt Jack O'Connell den Langstreckenläufer und Olympia-Teilnehmer Louis Zamperini, der als US-amerikanischer Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg über dem Pazifik abstürzt und in japanische Kriegsgefangenschaft gerät, wo er jahrelang misshandelt wird. Für Jack O'Connell stellt die Rolle den vielleicht deutlichsten Schritt weg von den meisten seiner bisherigen Charaktere dar, da er ansonsten vorwiegend Jugendliche und junge Männer gespielt hat, die eher nicht als Vorbilder taugten.
Doch während die Bösewichte seiner britischen Kollegen wie Benedict Cumberbatch und Tom Hiddleston eine Aura verführerischer Selbstgewissheit umgibt, speist sich der Unmut von Jack O'Connells Figuren aus Ungewissheit: Sie spüren, dass etwas mit ihnen und der Welt nicht stimmt, wissen aber nicht, was sie dagegen tun sollen. Zur Schauspielerei kam O'Connell dabei eher zufällig, denn Knieverletzungen machten die angestrebte Fußballer-Karriere zunichte. Doch auch, nachdem Jack O'Connell sich auf Anraten eines Lehrers auf erste Rollen bewarb, blieb er in diesen seinen eher handfesten Interessen treu.
Kinodebüt als Skinhead
Nach ersten Gastauftritten in Fernsehserien gab der 1990 geborene O'Connell mit 16 Jahren sein Kinodebüt: Im Coming-of-Age-Drama This is England spielte er einen Skinhead im Teenageralter, der im Großbritannien der Thatcher-Ära aufwächst. Seine rebellische Natur zeigt der Pukey genannte Jugendliche aber nicht nur durch sein Skinheadtum, sondern auch dadurch, dass er an den rechten Parolen seines Anführers zweifelt. Mit Ausnahme einer kleinen Rolle in der Literaturverfilmung Emily Brontës Sturmhöhe - Wuthering Heights sollten auch die nächsten Charaktere von Jack O'Connell Figuren sein, denen wohl niemand gerne im Dunkeln begegnen würde: Im Horrorthriller Eden Lake terrorisiert er als Anführer einer Jugendgang ein englisches Mittelklasse-Pärchen, das am titelgebenden Provinz-See Ruhe und Entspannung sucht. Auch im Selbstjustiz-Thriller Harry Brown war er als Bandenmitglied zu sehen, findet dort allerdings in Michael Caines rabiatem Rentner seinen Meister.
Fernseherfolg als Frauenheld
Die wenig zurückhaltende Teenager-Drama-Serie Skins bescherte Jack O'Connell dann 2009 die Rolle mit dem bis dahin größten Wiedererkennungswert: Als impulsiver, selbstzerstörerischer Frauenheld James Cook führt ihn seine ungebremste Feierfreude regelmäßig in missliche Situationen: Er fliegt von der Schule, landet wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht und flieht aus dem Gefängnis. Trotzdem spielte Jack O'Connell James Cook nicht als hoffnungslosen Unsympathen, was ihm im Verbund mit seiner ebenso unbändigen wie ungekünstelten Energie mehrere Fernsehpreise einbrachte.
Wesentlich ruhiger geriet hingegen der Fernsehmehrteiler Dive, in dem O'Connell sich mit der Schwangerschaft seiner Teenager-Freundin konfrontiert sieht. Hier stellte er unter Beweis, dass er auch ohne große Gesten einen faszinierenden, problembeladenen Charakter erschaffen kann, der nicht wie eine Kunstfigur wirkt. Mit Schicksalsschlägen ganz anderer Art hatte Jack O'Connell im Fußballer-Drama United zu kämpfen, denn als britische Fußball-Ikone Bobby Charlton muss er es verarbeiten, dass zahlreiche seiner Mannschaftskameraden bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen.
Auf dem Schlachtfeld
Aber nicht nur einem sportlichen Charakter, auch verschiedensten Soldaten hauchte Jack O'Connell schon vor Unbroken Leinwandleben ein: In der Verfilmung des Kinderbuches Private Peaceful - Mein Bruder Charlie zieht er in den Ersten Weltkrieg, im Dokudrama The Somnambulists gab er einem Irakkriegsveteranen seine Stimme, und im Actiondrama 71 verschlägt es ihn als britischen Soldaten ins feindliche Belfast des Jahres 1971. Ebenso wie mit einer Fußballerkarriere hatte Jack O'Connell auch selbst einmal mit dem Beruf des Soldaten geliebäugelt. Wie er im Interview mit dem Independent verriet, schwand dieses Verlagen nach Patriotismus und Maskulinität jedoch in dem Maße, in dem er sich weiterbildete. Trotz der Tatsache, dass O'Connell die Beweggründe von vielen seiner Charaktere zwar ohne allzu große Mühe nachvollziehen kann (so gab er es in einem Interview mit der BBC zu Protokoll), besteht also doch ein deutlicher Unterschied zwischen seinen Rollen und seiner eigenen Lebenseinstellung: Er selbst weiß ganz genau, was er erreichen möchte, und wohin sein Weg ihn führen soll.
Durchbruch im Gefängnis
Eine Art von erneutem Durchbruch nach This is England und Skins konnte Jack O'Connell im Jahre 2013 mit dem Gefängnis-Drama Mauern der Gewalt feiern: Als jugendlicher, kaum zu bändigender Straftäter wird er aus einem Gefängnis für Heranwachsende in eine Haftanstalt für Erwachsene verlegt, wo er nicht nur auf einen unkonventionellen Therapeuten trifft, sondern auch auf seinen ebenfalls inhaftierten Vater. Diese Rolle des ironischerweise Eric Love getauften Kriminellen brachte O'Connell aufgrund der elektrisierenden Intensität seines Spiels das bis dahin größte Kritikerlob ein. So bescheinigte ihm Brian Tallerico , allein durch seine Körpersprache mehr Ausdrucksstärke zu zeigen, als andere Schauspieler mit einem ganzen Skript. O'Connell halte "eine unglaubliche physische Balance zwischen im Gefängnis erworbener Härte und Jugendlichkeit. Es gibt gerade einen Anflug von Furcht in O'Connells Augen, der uns daran erinnert, dass er vor nicht allzu langer Zeit nur ein Kind war."
In der Darstellung von Louis Zamperini in Unbroken führt Jack O'Connell nun gewissermaßen zahlreiche Stränge seiner bisherigen Schauspielkarriere zusammen: Wie O'Connell selbst und die meisten seiner Charaktere war auch Zamperini als Jugendlicher kein Kind von Traurigkeit, wie O'Connell ordnete er seinen Zielen jedoch sein unstetes Wesen unter (so O'Connell im Interview mit dem Independent im Hinblick auf seine Party-Vergangenheit). Gegenüber der BBC gab O'Connell zudem zu Protokoll, sich nicht auf den Lorbeeren für seine bisherige, ihm recht nahe liegende Arbeit ausruhen zu wollen, sondern weiter nach Vielfalt zu streben, auch wenn es dabei etliche Hürden zu überwinden gilt. Ganz so hart, wie seine Paraderollen ihn erscheinen lassen, ist Jack O'Connell privat zudem nicht: Wie er dem Interview Magazine verriet, habe er beim Besuch der Muscial-Version des Königs der Löwen geweint. Allerdings nur beim ersten Mal.
In welcher Rolle hat Jack O'Connell euch am meisten überzeugt?