Kommt es beim Film auf die Länge an?

25.06.2014 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Videodrome
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Im Kino erfordern Filme mit sogenannter Überlänge einen Zuschlag, daheim nehmen sie zumindest mehr Zeit in Anspruch. Wirkt sich die Dauer eines Films auf unser Sehverhalten aus? Oder kommt es (ausnahmsweise) gar nicht auf die Länge an?

Als ich noch regelmäßig die Berliner Zeitung las, damals schien mir das einigermaßen bedenkenlos möglich, verfolgte ich insbesondere die Kinokritiken von Anke Westphal mit großem Interesse. Immer wieder stieß ich in ihren Texten dabei auf eine besondere Skepsis gegenüber Filmen mit Überlänge. Filme also, deren Laufzeit hinausragt über das, was irgendwann einmal, aus noch ganz pragmatischen und ökonomischen Gründen, als Standard festgelegt wurde. 90-120 Minuten oder so. Darauf scheinen wir uns offenbar für alle Zeit geeinigt zu haben, obwohl Film im Digitalzeitalter längst von entsprechend eingrenzendem Material abgekoppelt ist. Anke Westphal jedenfalls wurde nie müde, und ist es vielleicht auch immer noch nicht geworden, die Länge eines Films auch gegen dessen Qualität abzuwiegen. Über ein Frühwerk von Steven Spielberg schrieb sie, der Regisseur sei damit angekommen “in jener Fluchliga von Filmen, die länger als zwei Stunden dauern”. Die erste Harry-Potter-Kinoadaption wiederum schien ihr derart “gewissenhaft bebildert”, dass er “zu einer auch für Erwachsene nicht unerheblichen Laufzeit von zweieinhalb Stunden führt”. Und in Zusammenhang mit Richard Kelly formulierte sie ihr Unbehagen gleich auf Ebene einer höheren Wahrheit: “Dass es nicht gut ist, wenn ein Film länger als zwei Stunden dauert”, schrieb Westphal, sei ganz einfach “bekannt”.

Die Bequemlichkeit des 90-Minüters
Das fand ich immer sehr seltsam, schon weil es grundsätzlich etwas nach Kunstfeindlichkeit müffelte. Ein Film, dachte ich, dachten wahrscheinlich viele, dauert eben so lang, wie er dauern muss. Versuche, Lauflängen zu kanonisieren, ihnen eine Regel mit Ausnahmen diktieren zu wollen, richten sich nur gegen Film, sie machen das Kino unfrei und so weiter, eigentlich logisch. Da ließen sich die von cinephiler Verantwortung bestimmten Einwände noch beliebig fortsetzen oder vielleicht philosophisch überhöhen: Was dieser Bequemlichkeitskonsens vom 90-Minüter eigentlich noch soll – und ob das nicht eine Frage der (falschen) Kondition oder unserer bedauerlichen Vorstellung von Kunst sei, deren zeitliche Kompression auch Erkenntnisverluste billige. Ganz besonders würde das ja im Golden Age of Quality TV gelten, in dem Geschichten, je nach Staffelanzahl, über 10, 20, 30 und mehr Stunden erzählt und vom Publikum bereitwillig gehört werden. Aufs Kino ließen sich derart ausgedehnte Plots, im Englischen wieder einmal schön knackig long-arc drama genannt, natürlich nicht übertragen, wir haben uns schließlich darauf verständigt, Filme am Stück zu sehen. Zumindest aber vorgeführt zu bekommen. (Interessant ist der sogenannte Amphibische Film, der im Kino eine überschaubare Mindestdauer hat, im Fernsehen aber deutlich verlängert ausgestrahlt wird.)

Ökonomie bewegter Bilder
Zurück zu Westphal: Ich würde das nie so formulieren, also in dieser Absolutheit, aber eigentlich stimme ich ihr zu. Irgendwie. Sicherlich, ein guter Film hat sich seine Laufzeit verdient. Er ist ja gerade deshalb gut, weil er diese Laufzeit sinnvoll füllt, nicht, weil gut Ding Weile haben will, sondern er vielleicht einfach weniger gut wäre, dauerte er kürzer. Doch was ist mit Filmen, die leider gar nicht gut sind, die dafür auch sehr viel Zeit beanspruchen und somit gar nicht mehr aufhören wollen, einfach nicht gut zu sein? Ich habe mich oft schon gefragt, warum es die, in vielen Fällen recht verzichtbare, Praxis nachgereichter Director’s Cuts und Extended-Versionen eigentlich vorsieht, einen (ohnehin schon mäßig gelungenen) Film noch einmal zu verlängern. Geschnittene Szenen sind auch deshalb ein schönes Feature der Datenträger, mit denen wir uns Filme daheim zeitlich passend machen (können), weil sie die Möglichkeiten der Montage, der Entschlackung, des funktionierenden Verzichts veranschaulichen. Nicht immer, aber oft genug. Das ist ja eine, wenn nicht gar die Kunst des Filmemachens: verdichtetes Erzählen, Arbeiten mit einem limitierten Bildervorrat, sich der Ökonomie bewegter Bilder bewusst werden. Und dies klug nutzen.

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