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Please, let's watch the same thing again...and again

13.09.2015 - 18:34 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Sie sitzen wahrscheinlich immer noch da
CBS
Sie sitzen wahrscheinlich immer noch da
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Wenn man sich immer und immer wieder das gleiche ansieht, kann dies dazu führen, dass sich gewisse (Handlungs-)Muster manifestieren. Dies birgt die Gefahr, sich nur noch in einer Denkart zu bewegen und dadurch gesellschaftliche Realität undifferenziert zu konstruieren. Kinofilme, TV-Serien, Shows und jegliche kulturelle / mediale Erzeugnisse könnten dies hervorrufen. Ein Aufruf zum freieren, reflektierten Denken und einem Bewusstsein über die stets eingeschränkten vermittelten Strukturen.

Als wir letztens durch einen großen Elektronikfachhandel spazierten, suchte ich nach günstigen Preisen für Filme, die ich mir schon immer mal zulegen wollte, wurde aber nur spärlich fündig. Meine Begleitung begann zu strahlen, als wir uns im Serienbereich befanden und er die DVD-Boxen zu The Big Bang Theory erspähte. Dabei fragte er sich, ob er sich die neueste Veröffentlichung bereits zugelegt hatte. Ich selbst weiß nicht einmal, in welcher Staffel sich die Serie aktuell befindet, siebte, achte; irgendwas in der Richtung. Abgesehen von diesem Massenphänomen postmoderner Sitcoms ist er meines Wissens nach kaum am Serienkosmos interessiert. Da meine Mutter ebenfalls Fan der Chuck Lorre-Produktion rund um vier „Nerds“ / „Wissenschaftler“ ist, habe ich mir dazu ein paar weiterführende Gedanken gemacht, welche zu einem weitaus größeren Thema gebracht haben: der Konsum der gleichen Produkte, immer und immer wieder. Ich meine damit nicht per se das Anschauen seiner Lieblingsserie (wie in diesem Fall), sondern die Angewohnheit vieler Menschen, sich bei der Auswahl ihres kulturellen und medialen Konsums prinzipiell immer Erzeugnissen hinzugeben, die sich im Allgemeinen nicht grundlegend unterscheiden. Sei es die angesprochene Sitcom, welche auf Pro7 gar nicht öfter laufen könnte oder irgendwelche RTL-Vorabendsendungen, die unter der Woche ebenfalls täglich zu sehen sind. Ich empfand es als etwas Gefährliches, sich immer wieder ähnlichen Produkten hinzugeben, was ich auch schon im Zuge meiner Auseinandersetzung mit Marvel feststellte.

Es handelt sich hierbei um eine Manifestierung von Handlungsmustern. In der Soziologie spricht man von Strukturen, welche das (soziale) Handeln beeinflussen. (Quelle: Wikipedia Artikel Struktur )

Als Struktur gelten in der Soziologie Größen und gestaltende Kräfte, die zwischen Akteuren vermitteln. Die Struktur wird meist als Grundlage sozialen Handelns verstanden, wobei davon ausgegangen wird, dass sie Kontingenz (Wahlfreiheit beim Handeln) begrenzt oder auflöst und die Ursache für Handlungsmuster und die Verteilung von Macht ist. Die Struktur ist nach Ansicht vieler Soziologen omnipräsent und durchdringt alle sozialen Prozesse.


Durch gewisse Produkte, Erlebnisse, Erzeugnisse und die Beschäftigung / Auseinandersetzung mit Themen erfährt das Individuum Strukturen, welche sein Denken, Verhalten und schließlich auch Handeln (unbewusst) beeinflussen. Dies muss zunächst einmal kaum einen negativen Anstrich haben: so funktioniert meiner Meinung nach Bildung. Wenn man sich in diesem Kontext unterschiedliche Quellen, Orte und Personen erwählt, um die Strukturen zur Bildung von Handlungsmustern zu nutzen, kann ich dem sogar etwas Positives abgewinnen. Genauso wie in der Soziologie auch davon ausgegangen wird, dass Stereotype nicht per se eine negative Konnotation hervorrufen sollten. Vorurteile, als emotional-aufgeladene Einstellungen gegenüber Personen und ganzen sozialen Gruppen, und Diskriminierung, als Handlungsintention, auf solchen Einstellungen basierend, gegenüber diesen sozialen Gruppen, kann man sicherlich als gefährlich einschätzen. Dabei spielt es auch eine geringere Rolle, ob die Vorurteile nun positiv oder (meistens) negativ bewertet werden.

Aber Stereotype helfen, trotz des häufig unvermeidlichen Schubladendenkens, die soziale Welt zu ordnen und sich zurecht zu finden. Deshalb können Handlungsmuster durchaus nützlich sein, um auf bereits erlebte (bzw. gesellschaftlich gewissermaßen definierte) Situationen auf eine gewisse Weise zu reagieren. Ein Beispiel dafür ist die soziale Erwünschtheit, die man manchmal erreichen möchte – auch wenn dies oft auch negativ belegt wird; doch hilft es schließlich, sich in einem Normengeflecht zurecht zu finden. Wenn gewisse Strukturen unbekannt sind, kommt man mit großer Sicherheit nicht umhin, etwas als gesellschaftlich „falsch“ definiertes zu tun. Das Problem an der Sache ist, wenn man sich gewisse Strukturen aneignet, diese nicht reflektiert und daraus Handlungsmuster entstehen, welche sich als sehr einseitig herausstellen. Man kann an einer Struktur eine gewisse Denkart erlernen (damit meine ich nicht propagierte Meinungsstrukturen, sondern die Art und Weise, etwas wahrzunehmen und darüber nachzudenken). Diese Denkart kann man dann versuchen, auf andere Strukturen zu übertragen. Mit genügend (sozialer) Intelligenz ist man in der Lage, schwierige Aufgaben/Probleme kreativ in Angriff zu nehmen. Wenn man nun also immer wieder die gleichen Strukturen erfährt, kommt man vielleicht nicht umhin, dass das Handlungsmuster festgefahren sein wird. Dies könnte meiner Meinung nach zu falschen Erwartungen führen, die man sich aneignet. Angenommen, jemand sieht sich wirklich bloß die Serie The Big Bang Theory an: dort bekommt er gewisse Bilder von Personen, Kulturen, Einstellungen, Berufen usw. geboten, welche sich, sofern er nicht weitere Einflüsse hat, zu einem sehr eindimensionalen Muster formen können.

Aber keine Sorge, ich habe nach einer bestimmten Zeit eine gewisse Selbstironie hinter der Sache gemerkt: ich selbst, wahrscheinlich kaum jemand, kann sich von diesem „Problem“ ausschließen. Wenn ich bevorzugt den neusten Indie-Film – oder einen solchen, der so tut, als wäre er einer oder zumindest so aussieht – anschaue, mache ich letztlich nichts anderes. Meine Bilder sind nur andere, meine Muster werden aber genauso erstellt. Nicht umsonst sehe ich mich oft als „anders“ als die anderen an. Denn in den meisten dieser Filme wird eine gewisse Andersartigkeit zelebriert und praktisch dazu geraten. Ein weiteres Beispiel ist das bereits oft zitierte Manic Pixie Dream Girl , welches vermutlich gar nicht in der Realität existiert, aber in solchen Filmen zuhauf anzutreffen ist. Damit konstruiert man sich fälschliche Erwartungen an die soziale Realität, die gar nicht erfüllt werden können, da diese wesentlich komplexer sind als einzelne strukturelle Ausschnitte es zu vermitteln vermögen. Ich versuche all das mit einer gewissen Wertfreiheit zu beschreiben (zumindest soweit, wie sie mir möglich ist, da ich mich selbst inmitten des mutmaßlichen Problems befinde).

Natürlich ist es zu einfach, zu behaupten, dass man bloß eine ähnliche Art von Filmen (Serien, Bücher, …) konsumieren muss, um festgefahrene Muster auszubilden. Es ist mit großer Sicherheit nicht so simpel, jemanden in seinen Möglichkeiten einzuschränken. Aber vielleicht ist es (unbewusst?) attraktiver, sich derartig zu verhalten. Wenn man nicht oft genug das eigene Verhalten und Handeln (und auch Denken) reflektiert, bekommt man einen undifferenzierten Blick auf die Welt („Welt“ als Zusammenfassung aller Dinge). Wie kommen wir also aus der Misere heraus? Vielleicht gar nicht? Denn selbst, wenn man sein Spektrum erweitert, erhält man weiter vorgeprägte Bilder und Strukturen, an denen man ebenso positive Aspekte erlernen kann, aber auch negativ beeinflusst werden kann. Spontan sehe ich vielleicht nur die Möglichkeit, sich dieses Umstands stets bewusst zu sein: man wird ständig und überall mit Bildern konfrontiert, welche stets nur einen Ausschnitt des Großen Ganzen ausmachen. Wenn man sich selbst darüber im Klaren ist, dass man gerade bloß einen Ausschnitt einer Gesamtheit erfährt und stets zumindest versucht, diesen Umstand und die Bilder zu hinterfragen, ist man vielleicht schon einen Schritt weiter.



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