The Voice Kids – Schmierenfernsehen leicht gemacht

12.04.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
The Voice Kids
Sat 1
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Nach den DSDS Kids kommen die The Voice Kids. Wie alle Wonneproppen-Ableger erfolgreicher Musik-Castingshows präsentiert auch diese sich mit heulenden Muttis und einer Jury in Knuddel-Laune. Nicht nur unsere Lena ist da völlig fertig mit der Welt.

Kinder bringen volle Action und kleine kommen ganz groß raus. Viel geändert hat sich am Vermarktungskonzept wehrloser U16-Talente im deutschen Show-Fernsehen seit den 1990er Jahren, seit Marijke Amado und ihrer Mini Playback Show , eigentlich nicht. Die lediglich hinsichtlich des heruntergeschraubten Teilnehmeralters modifizierten Ableger erfolgreicher Casting-Formate funktionieren nach einem vergleichbaren, vielleicht sogar noch perfideren Schema. Deutschland sucht den Superstar präsentierte mit DSDS Kids eine Wonneproppen-Variante, nun versucht sich The Voice of Germany an einem auf Talente zwischen 8 und 14 Jahren beschränkten Spin-Off in SAT.1. Das holländische Vorbild, natürlich via John de Mol, lief 2012 so erfolgreich, dass auch in Albanien, Georgien, der Ukraine, Südkorea, Thailand und Vietnam schon nach stimmgewaltigen Kindern gesucht wird. Hierzulande konnte die erste Folge von The Voice Kids vergangenen Freitag hervorragende 22,1 Prozent Marktanteil bei den Werberelevanten holen – mehr als DSDS Kids im Vorjahr auf RTL und sogar mehr als die derzeit auf einem Niedrigwert vor sich her dümpelnde zehnte Staffel DSDS, deren Quoten Dieter Bohlen zur Verzweiflung treiben dürften.

Unkonventionell und herzerfrischend?
Der Hype um The Voice of Germany ist also ungebrochen. Die aus unerklärlichen Gründen sowohl von Kritik als auch Publikum als Ehrenrettung der Musik-Castingshow gefeierte Talentsuche gewann 2012 den Kress Award, die Goldene Kamera und sogar den Deutschen Fernsehpreis. Medial wurde sie als ungleich niveauvollere Alternative zu X Factor und Deutschland sucht den Superstar hochgejazzt, ihre Jury-Mitglieder (Nena, Xavier Naidoo, Rea Garvey und The BossHoss) als liebenswerte, an reinen musikalischen Qualitäten interessierte Gegenstücke zur gehässigen Beurteilungskultur der Konkurrenz erklärt. Das Konzept der blinden Auswahl, einer angeblich nicht an Äußerlichkeiten interessierten Entscheidung, wer weiter kommen und am Ende einen Plattenvertrag in den Händen halten dürfe, galt als so menschenfreundlich, unkonventionell und herzerfrischend, dass die strukturelle Gleichheit auch dieser Castingshow offenbar keine Rolle spielte. Oder dass die vor umgedrehten Jury-Stühlen trällernden Kandidaten natürlich schon genauso vorselektiert waren wie bei den Konkurrenzformaten.

ESC-Power auf den Jury-Drehstühlen
Die jetzige Schmalspurversion der Erfolgsshow unterscheidet sich nur unwesentlich vom Erwachsenenvorbild, außer vielleicht, dass sie noch ein bisschen langweiliger ist als die reguläre Ausgabe. 15 000 Euro Ausbildungsförderung sowie die Option für einen Plattenvertrag (bei elterlicher Zustimmung) winken dem Siegerkind, wie üblich nur ein Bruchteil dessen, was eine solche Sendung den Verantwortlichen einbringen wird. Auf den Jury-Drehstühlen sitzen nun Lena Meyer-Landrut, Henning Wehland und Tim Bendzko, also die zweite deutsche Grand-Prix-Gewinnerin, der H-Blockx- und Söhne-Mannheims-Sänger sowie der schlimmste Vertreter neuer deutscher Musikleichtigkeit. Bendzko saß zuletzt auch in der Jury des hiesigen Vorentscheids für den Eurovision Song Contest, wo er gemeinsam mit seinen Kollegen einen Song ausbootete, der vom Publikum via Radio- und Telefonvoting zum Favoriten gewählt wurde. Die Söhne Mannheims traten dort übrigens ebenfalls auf – die Jury von The Voice Kids ist also gewissermaßen ESC-approved.

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